Theologe: Christliche Wähler bei US-Wahl zwischen den Fronten
Die US-Präsidentschaftswahl 2024 zwischen Kamala Harris und Donald Trump am 5. November gilt als zukunftsweisende Weichenstellung. Der Direktor des Katholischen Bildungswerkes Salzburg, Andreas Weiß, hat in einem Beitrag für das Salzburger "Rupertusblatt" (aktuelle Ausgabe) den US-Wahlkampf analysiert und sorgt sich nicht nur um die US-amerikanische Gesellschaft als solche, sondern auch um die Katholische Kirche im Land, die ebenfalls stark gespalten erscheint. Weiß hat sich in der Vergangenheit in Studien-, Forschungs- und Lehraufenthalten in den USA auf das Verhältnis von Religion, Politik und Gesellschaft spezialisiert. Die Christen würden sich immer mehr zwischen allen Fronten befinden, so Weiß.
Eines scheine bei den gesellschaftlichen, politischen und demografischen Entwicklungen der USA deutlich: "Die Vereinigten Staaten sind in einem enormen Wandel." Viele der jahrzehnte- oder gar jahrhundertelang hochgehaltenen Motive von "God's Own Country", "God Bless America" und der "One Nation Under God" seien für viele Bevölkerungsteile heute nicht mehr verständlich.
Dazu trage einerseits die anhaltende und rasante Säkularisierung bei. Seit 1990 habe sich die Zahl der konfessionslosen Bürger mehr als verdreifacht und liege schon bei 26 Prozent. Religiöse Gemeinschaften kämpften wie auch öffentliche Ämter, Institutionen und Medien mit einer anhaltenden Glaubwürdigkeitskrise. Andererseits seien die USA international in Konflikten isoliert, "erscheinen machtlos und agieren auch in weltwirtschaftlichen Fragen längst nicht mehr wie die einstmals unumstrittene Supermacht".
Gräben werden tiefer
Die christlichen Bevölkerungsteile würden sich sowohl in ihrem Glaubensleben, ihrer gesellschaftspolitischen Ausrichtung, aber auch in ihrem Wahlverhalten immer mehr zwischen den Fronten finden, so Weiß. Beide Großparteien würden in ihren Botschaften auf Teile der großen und kleinen Religionsgemeinschaften bauen, sie "fischen" beide im großen Teich der rund 220 Millionen eingetragenen Wähler. Das bedeute wiederum, "dass die rhetorischen Verschärfungen, die umkämpften Themen und besonders die instabile Vertrauens- und Stimmungslage im Land nicht zuletzt auch auf die gläubigen Menschen und kirchlichen Gemeinschaften zurückfallen, so Weiß: "Nicht umsonst gilt etwa die Katholische Bischofskonferenz in den USA als eine der weltweit am stärksten polarisierten." Das liege nicht nur an der enormen Größe und Vielfalt der fast 200 Würdenträgern, die dort vertreten sind, sondern sei auch in der großen Bandbreite katholischer Kulturen, Ethnien, Generationen in den (Pfarr-)Gemeinden, Diözesen und Provinzen begründet.
Tatsächlich seien christliche Wählerblöcke auf beiden Seiten des politischen Spektrums zu finden. Weiß: "Nicht selten finden sich in Wahlkampfzeiten viele Gruppen unterschiedlicher Konfessionen in politisch begründeten Formen ökumenischer Zusammenarbeit, die Gräben mit den jeweils anders ausgerichteten eigenen Glaubensgeschwistern drohen dabei aber ständig tiefer zu werden." Deutlich zeige sich: "Die Religionsgemeinschaften in den USA werden im politischen Schlagabtausch nicht selten als gern gesehene Stimmungsmacher aktiviert, zugleich droht dabei die gemeinsame Identität als verbindendes Glaubensbewusstsein immer stärker unter die Räder zu kommen."
Das Resümee des Experten: "Sorgenfalten sollte deshalb nicht nur die politisch ungewisse Zukunft der USA bereiten, sondern nicht zuletzt auch das Schicksal der dort lebenden Gläubigen und vertretenen Kirchengemeinden."
Quelle: Kathpress