Zulehner: Katholische Weltkirche braucht innerkirchliche Ökumene
Die von der Weltsynode angestoßene Dezentralisierung wird Bewegung in die Katholische Kirche bringen. Damit verbunden ist freilich die Frage, "wie man die verschiedenen Strömungen in der Weltkirche zusammenhält". Das betont der Wiener Pastoraltheologe Prof. Paul ZuIehner im Interview mit der Kooperationsredaktion der heimischen Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgaben). "Da braucht es eine innerkirchliche Ökumene. Interessant wird, wie sich ein Papst zur innerkirchlichen Vielfalt verhält", so der Theologe.
Es stünden Fragen an, die auch auf der Synode diskutiert wurden: "In welchen lehramtlichen und sonstigen Fragen kann eine regionale Kirche entscheiden, um die 'Implementierung' des Evangeliums in der Kultur zu begünstigen?" In Kernfragen des Evangeliums könne es aber keine regionale Entscheidungsmöglichkeit geben, so der Theologe: "Es ist undenkbar, dass eine europäische Bischofskonferenz sagt, wir wollen in Zukunft keine Trinitätslehre mehr haben. Aber es kann sein, dass die Afrikaner in der Frage der Polygamie einen neuen Weg finden werden, der nur für Afrika gilt."
Der Papst ermutige die Regionen zu solchen Entscheidungen, "er prüft sie gegebenenfalls, ob etwas, das sich lokal entwickelt hat, auch für die Weltkirche relevant werden kann". Die Entwicklung laufe dann nicht mehr von Rom in die Peripherie, sondern von der Peripherie auch in Richtung Rom.
Papst Franziskus habe mit der Synode ein starkes Zeichen gesetzt, "indem er sich beraten ließ und das Ergebnis der Beratungen eins zu eins in Kraft setzte". Der Papst wolle nicht, "dass ein kirchliches Amt unabhängig vom Kirchenvolk arbeitet, sondern eingebunden in dieses, transparent, rechenschaftspflichtig und mit Evaluierung seiner Tätigkeit". Franziskus nehme Abschied von einem "isolierten, autokratischen, monarchischen Amtsbegriff", so der Pastoraltheologe.
Gremien würden mit klaren Spielregeln versehen. Entscheidungsträger würden nicht mehr beliebig mit Ergebnissen aus Gremien umgehen können. Dazu müsse aber auch das Kirchenrecht geändert werden, "sodass es ein neues Ineinander von Beratung und Entscheidung gibt".
Schwacher Passus zur Frauenfrage
Kritisch beurteilt Zulehner das Kapitel zur Frauenfrage im Synoden-Schlusstext. "Punkt 60 im Schlussdokument, in dem es um die Rolle von Frauen geht, enthält für unsere Breiten keine Überraschung. In vielen Kirchenregionen werden den Frauen aber Hindernisse in den Weg gelegt, wenn sie sich an solchen Führungspositionen beteiligen wollen." Und wo Macht mit Ordination verbunden ist, schrecke die Synode vor Frauen zurück, "da hat sie der Mut verlassen", so Zulehner. Nachsatz: "Das ist eine demütigende und beschämende Situation. (...) Wir sind in der Frage der Ordination von Frauen längst viel weiter, als dieses Dokument erkennbar macht."
Man vertraue in dieser Frage nicht auf den Heiligen Geist, der so oft beschworen wurde, so Zulehner: "Sie haben in das Dokument geschrieben, dass das Frauendiakonat noch nicht reif sei. Das ist angesichts der jahrzehntelangen Diskussion theologisch peinlich. Das Frauenkapitel wiederholt Selbstverständlichkeiten und verkauft sie als Erfolg."
Synodalität in der Liturgie
Zulehner nimmt auch zu jenem Passus im Schlussdokument Stellung, in dem davon die Rede ist, dass sich in der Liturgie mehr Synodalität zeigen soll. Er bringt dazu ein persönliches Beispiel: "Wenn jemand zum Beispiel von mir möchte, dass ich als Priester ein Begräbnis halte, sage ich, ich feiere gerne mit, aber es ist euer Begräbnis. Wir machen eine Online-Sitzung, die Familie bereitet die Feier vor und begrüßt dann selbst die trauernde Gemeinde." Das Ereignis einer Begräbnisliturgie werde also nicht nur vom Volk gemeinsam gefeiert, sondern auch gemeinsam vorbereitet. Das gelte auch für Taufen und Trauungen. Zulehner: "Ich kann nicht mehr hören, dass ein Priester sich nach einer Messe bedankt, dass die Leute gekommen sind, um die Messe mitzufeiern. Ich muss mich bei den Leuten bedanken, dass ich mitfeiern durfte. Das ist Synodalisierung der Liturgie bis hinein in die Eucharistiefeier."
Der Pastoraltheologe spricht in diesem Zusammenhang auch von einer kirchlichen "Zeitenwende": "Die Kirche, die auf der Taufe basiert, ist im Kommen, und die Kirche, die auf der Ordination basiert - die Priesterkirche oder moderne Hauptamtlichenkirche - zieht sich zurück." Man befinde sich derzeit im Übergang zwischen diesen beiden Kirchenmodellen. "Die Synode gibt der Kirche, die auf der Taufe basiert - in der es zwar ein Amt gibt, aber eine völlig andere synodale Kultur -, mehr Gewicht."
Quelle: kathpress