Chalupka: Kirchenwiedervereinigung ja, aber "Einheit in Vielfalt"
Auch in der evangelisch-lutherischen Kirche Österreichs gibt es den Traum einer Wiedervereinigung mit der katholischen Kirche. "Denn es ist der Auftrag Jesu Christi, eins zu sein", wie Bischof Michael Chalupka im Interview der "Salzburger Nachrichten" (SN, Dienstag) anlässlich des am 31. Oktober gefeierten Reformationstages hinwies. Allerdings werde dieser Traum "vielleicht unterschiedlich geträumt". Die evangelische Ökumene folge dem Grundsatz "Einheit in der Vielfalt". Das bedeute, das Geschenk des Glaubens werde in vielfältigen Traditionen gelebt, erklärte Chalupka.
Kirchen seien Institutionen, die auch irren können. "Vielleicht ist es dem Humor Gottes geschuldet, dass er da immer wieder Korrekturmechanismen anbringt", so der Bischof wörtlich und äußerte dazu die These: "Wenn eine der Kirchen in die Irre geht, kann sich das Evangelium in einer anderen Bahn brechen." Es ist nach den Worten Chalupkas auch denkbar, "dass Gott zu groß ist für eine einzelne kirchliche Ausformung".
Auf die Frage, ob er der katholischen Kirche Reformen in Richtung Ämter für Frauen, Ende der Zölibatsverpflichtung und mehr Mitbestimmung - allesamt Themen, die bei der jüngst zu Ende gegangenen Weltbischofssynode in Rom diskutiert wurden - empfehlen könne, verwies der lutherische Bischof auf positive Erfahrungen seiner Kirche: "Es ist gut, dass es in der Seelsorge Frauen und Männer als Ansprechpartner gibt. Es ist gut, dass es Seelsorgerinnen und Seelsorger gibt, die selbst Kinder haben." Allerdings seien Weichenstellungen in diese Richtung kein "Allheilmittel". Der Verlust des Vertrauens in religiöse Institutionen hänge nicht mit der Struktur und der Organisation der Kirche zusammen.
Kirche lässt sich nicht an Zahlen messen
Gemessen an den Austrittszahlen gelte auch für die evangelischen Kirchen: "Ja, wir sind in der Krise." Aber Kirche sei "ein ewiges Auf und Ab" und "kein Unternehmen, das sich an Zahlen messen lässt", betonte Chalupka. In den evangelischen Pfarrgemeinden erlebe er eine große Lebendigkeit und Freude. "Diese Orte, wo Menschen zusammenkommen und Gemeinschaft noch gelebt wird, braucht unsere Gesellschaft dringend. Das ist es, was uns als Kirche ausmacht." Chalupka äußerte auch sein "tiefstes Vertrauen" darauf: "Wir werden die Kirche nicht retten und wir werden die Welt nicht retten. Das tut immer Jesus Christus."
Zu den Unterschieden zwischen evangelischer und katholischer Kirche ging der Bischof auf Martin Luthers Betonung der Freiheit zurück. Davon leite sich vieles ab, zum Beispiel das Absehen von Heiligenverehrung oder Weiheämtern. "Wir gehen davon aus, dass jeder und jede, der bzw. die getauft ist, das allgemeine Priestertum aller Gläubigen besitzt." Frauen seien den Männern in der evangelischen Kirche rechtlich völlig gleichgestellt, "was aber noch nicht heißt, dass wir sie auf allen Ebenen erreicht haben, weil wir halt Teil der Gesellschaft sind". So habe es in Österreich noch nie eine Bischöfin gegeben, "in anderen lutherischen Kirchen der Welt ist das aber schon Normalität".
Am Reformationstag, an dem Luther im Jahr 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg anschlug, werde in der evangelischen Kirche die Wiederentdeckung der biblischen Botschaft gefeiert, "dass der Mensch in Freiheit gesetzt ist, dass er durch Gott gerecht geworden ist und damit als Individuum direkt vor Gott treten und mit Gott ins Gespräch kommen kann", erläuterte Chalupka. Der Reformationstag feiere somit das Geschenk der Freiheit "und erinnert uns gleichzeitig, dass wir diese Freiheit nur in Verantwortung leben können".
Michael Chalupka, (64) ist seit dem 1. September 2019 Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, davor war er u.a. Fachinspektor für den Religionsunterricht und Direktor der Diakonie Österreich. Im kommenden Jahr endet seine Amtsperiode, zur Neuwahl eines Bischofs bzw. einer Bischöfin im Rahmen der evangelische Synode wird Chalupka aus Altersgründen nicht mehr antreten.
Quelle: kathpress