Katholische Sozialakademie: Demokratie braucht keinen Volkskanzler
Demokratie lebt von der Vielfalt der Meinungen, dem Ausgleich der Interessen und der Gewaltenteilung bzw. -kontrolle - nicht von der Machtkonzentration in den Händen Einzelner. Eine funktionierende Demokratie braucht nach Überzeugung der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) daher keinen "Volkskanzler", sondern starke Institutionen, Transparenz und eine "lebendige politische Debattenkultur, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist". Der in der Österreichischen Bundesverfassung verankerte Titel "Bundeskanzler" umfasse - im Unterschied zu "Volkskanzler" - die politische Verantwortung für alle in Österreich lebenden Personen, ohne Ausnahme oder Ausgrenzung bestimmter Gruppen, heißt es in einem auf der ksoe-Website veröffentlichten Beitrag.
Die Gesellschaft in Österreich sei vielfältig und von unterschiedlichen Interessen geprägt, die je nach Thema variieren, wies Autor Johannes Webhofer - er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der ksoe - hin. Die Behauptung, alleiniger Vertreter des Volkes zu sein, sei daher eine "Anmaßung, die fundamentalen demokratischen Prinzipien widerspricht". Eine Partei, die eine solche Position vertrete, "diskreditiert automatisch alle abweichenden Standpunkte als vermeintlichen Verrat am Volk".
In Krisenzeiten Ruf nach starkem Führer
Der Ruf nach einem starken Führer, der die vermeintlichen Schwächen demokratischer Systeme durch entschlossenes Handeln überwindet, sei in politischen Krisenzeiten besonders verlockend, erklärte Webhofer. Die Idee eines "Volkskanzlers", der den Willen der Bürgerinnen und Bürger direkt verkörpert und institutionelle Hürden umgeht, "erscheint manchen als Lösung für angebliche politische Stagnation oder Vertrauensverlust in die etablierten politischen Parteien". Doch dieser Ruf nach einer zentralen Figur, die über den bestehenden demokratischen Strukturen steht, widerspreche nicht nur den Grundprinzipien der Demokratie, "er steht sinnbildlich für eine populistische Rhetorik, die sachliche politische Debatten zunehmend erschwert".
Populismus rechtsgerichteter Spielart gewinne in Europa und vor allem in Österreich immer mehr an Bedeutung, beklagte die ksoe weiter. Kennzeichnend dafür sei ein behaupteter Gegensatz von "reinem Volk" und "korrupter Elite". Für Rechtspopulismus typisch sei die bewusste Exklusion bestimmter Gruppen aus dem Konzept des "reinen Volkes": Dies seien meist ethnische oder religiöse Minderheiten sowie politische Gegner, die als nicht dem "Volkswillen" entsprechend angesehen werden. Dabei werde suggeriert, dass die jeweilige Partei nicht nur die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger versteht und vertritt, sondern auch, "dass viele politische Probleme ohne bestimmte Bevölkerungsgruppen erst gar nicht existieren würden". Webhofer schrieb von einer damit verbundenen Ideologie, die davon ausgeht, dass Staaten ausschließlich von "Einheimischen" bewohnt werden sollten und nicht-einheimische Elemente eine Bedrohung für den scheinbar homogenen Nationalstaat darstellen.
Komplexe Themen werden simplifiziert
Beispiele für populistisch-polarisierende Kommunikation und "emotionale Appelle, um komplexe politische Themen auf einfache Gegensätze zu reduzieren", finden sich laut dem ksoe-Blog in fast allen Parteien, besonders aber in der FPÖ: "Sie setzt auf das zentrale Element der 'Politik mit der Angst' (Wie die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak bereits 2015 ausführte, Anm.), indem sie die vermeintliche Bedrohung durch Migrant:innen und den Verlust nationaler Identität hervorhebt." Gleichzeitig stelle sich die Freiheitliche Partei als Gegnerin einer vermeintlich korrupten Elite dar, "obwohl sie selbst Teil dieser Elite ist und in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelt war". Webhofer nannte in seinem Beitrag auch Beispiele für wüste Beschimpfungen von Personen bzw. Gruppen, die nicht das rechtspopulistisch propagierte Weltbild teilen.
"Diese Art der Kommunikation stellt eine ernsthafte Gefahr für die politische Öffentlichkeit dar", warnte der Experte. Sie untergrabe den für eine Demokratie unverzichtbaren differenzierten Diskurs und fördere stattdessen eine Schwarz-Weiß-Sicht auf politische Themen. Auch würden jene Gruppen wie "Ausländer:innen, Muslim:innen, NGOs, Wissenschaftler:innen bis hin zu einzelnen Journalist:innen" an den Pranger gestellt und auch Anhänger ermutigt, sich feindlich gegenüber diesen zu äußern. "Solche Verhaltensweisen manifestieren sich nicht nur in Form von rassistischen Vorfällen im öffentlichen Raum, sondern besonders deutlich in der oft ungefilterten Kommunikation in den sozialen Medien", weiß Webhofer.
Für erfolgreiches Gegensteuern wäre es seiner Ansicht nach wichtig, die Medienkompetenz zu stärken und einen kritischen Umgang mit politischen Botschaften zu fördern. Gleichzeitig müssten Vertreter von Politik und Medien ihrer Verantwortung gerecht werden, indem sie sich klar von populistischen Strategien abwenden "und ehrlichen, faktenbasierten politischen Austausch pflegen".
(Link: www.ksoe.at/blogbeitraege/150568/demokratie-braucht-keinen-volkskanzler)
Quelle: kathpress