Zulehner: "Synode hat Ordinations-Countdown beschleunigt"
Auch wenn bei der Synode in Rom bezüglich der Frauenfrage wenig Konkretes beschlossen wurde, zeigt sich der Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner überzeugt, dass man den Geist Gottes nicht aufhalten könne. Wohl auch nicht in der Frauenfrage. "Die Synode hat den Ordinations-Countdown beschleunigt", so Zulehner in einem aktuellen Beitrag in seinem Blog. Der Pastoraltheologe zeigte sich optimistisch, obwohl der Absatz über die Frauen im Schlussdokument die meisten Neinstimmen erhalten hat.
Zulehner analysiert das Abstimmungsverhalten der Synodalen zum Textabschnitt Nr. 60 über die Frauen: Vermutlich steckten hinter den 97 Neinstimmen von insgesamt 356 Stimmberechtigten unterschiedliche Gruppen: "Die einen lehnen eine Veränderung in der kirchlichen Frauenpolitik ab; dieselben Personen haben dann wohl auch dagegen gestimmt, dass Frauen in die Priesterausbildung einbezogen werden, was 40 Delegierte ablehnten. Anderen geht der Text nicht weit genug. Sie hätten sich wenigstens ein Votum zu Gunsten des Zugangs von Frauen zum Diakonat erwünscht."
Bei einer Demonstration von Frauen außerhalb der Synode seien Stimmen laut geworden, die nicht für das Diakonat, sondern die Ordination zum priesterlichen Amt eintreten. Ihnen wäre es eine Horrorvorstellung, so Zulehner, "dass Frauen Diakoninnen sind und das wohl auch für unbestimmte Zeit bleiben werden, weil die Tür zum Priesteramt verschlossen ist und 'nie und nimmer' sich öffnen werde".
Fragwürdiges "nie und nimmer"
Für Zulehner handelt es sich aber um dasselbe "nie und nimmer", das Petrus sprach, als es um das Essen unreiner Speisen gab. "Bei Petrus brauchte der Heilige Geist nur drei Träume in Joppe und ein Apostelkonzil." Es sei dasselbe "nie und nimmer", mit dem Papst Pius IX. im Syllabus errorum 1864 Demokratie und Religionsfreiheit als mit der Katholischen Kirche inkompatibel verurteilt hatte. Dieses Urteil habe nur rund 100 Jahre bis zum Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit gehalten.
Insofern sei die Frage nicht abwegig, zu fragen, wie lange wohl das "nie und nimmer" von Johannes Paul II. aus dem Jahre 1994 halten wird. Damals hatte der Papst in seinem Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" festgehalten, dass die Kirche keinerlei Vollmacht habe, Frauen die Priesterweihe zu spenden und sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten hätten.
Priester, so sei aus theologisch versierten Frauenkreisen auch aus der Synode zu hören, handelten ja nicht nur im Namen des Auferstandenen, "der die Trennung von Mann und Frau in der Auferstehung hinter sich gelassen hat". Sie würden auch im Namen der Kirche handeln, "die so gern als marianisch, also weiblich gepriesen wird".
"Sollten also Männer nicht die Kirche und Frauen nicht den Auferstandenen repräsentieren können?", so Zulehner und noch mehr: "Tun dies nicht schon alle Getauften, den Auferstandenen wie die Kirche zu 'repräsentieren', indem sie kirchlich und die Ordinierten im Namen der Kirche handeln?"
Abschied vom zentralistischen Uniformismus
In einer Analyse für die Wochenzeitung "Die Furche" (online seit Montag) meint Zulehner, dass das Synoden-Schlussdokument realistisch sei: "Es geht davon aus, dass nach der Synode mit ihrer Umsetzung große Aufgaben warten." Dabei werde sich zeigen, "ob von den Verantwortlichen in den drei Jahren der Synode wirklich Synodalität gelernt worden ist und die Heimkehrenden die Ärmel aufkrempeln". Denn, so der Theologe: "Es ist leicht, Synodalisierung zu beschließen. Es ist schwer, sie ernsthaft zu praktizieren."
Wie Zulehner schreibt, sei mit der Synode ein weiterer Schritt bei der Implementierung des Zweiten Vatikanischen Konzils gemacht. Im Synodendokument verabschiede sich die katholische Weltkirche ausdrücklich vom zentralistischen Uniformismus. Zulehner ortet weiters auch Impulse für die Ökumene
Als Papst Franziskus eine Reihe wichtiger Themen aus der Synode ausgelagert hatte, habe es viel Unmut gegeben, erinnert Zulehner. Inzwischen zeige sich, "dass dies ein weitsichtiger Schritt war. Wären diese schwerwiegenden Themen diskutiert worden, hätte es die Synode zerrissen: man hätte sich bei allem Hören auf den Geist vermutlich nicht geeinigt - weder zwischen Europa und den Südkirchen, noch zwischen Ost- und Westeuropa." Das epochale Kernanliegen der Synodalisierung wäre dabei auf der Strecke geblieben.
Dem Schlussdokument der Synode wird diesmal laut Papst Franziskus kein Postsynodales Schreiben folgen, womit der Papst seinen Amtsstil demonstriere, wie Zulehner betont. Das verleihe der Schlusserklärung enormes Gewicht: "Es unternimmt eine Verfassungsänderung der katholischen Weltkirche, und dies unter der Überschrift der Synodalisierung." Damit werde auch ein weiterer Schritt bei der Implementierung des Zweiten Vatikanischen Konzils gemacht, wie das Dokument selbst erkläre.
Wie schon auf dem Konzil setzt der ekklesiologische Entwurf der Synode bei der Taufe an. Diese verleiht allen gleiche Würde. Alle Getauften seien mitverantwortlich für die Mission der Kirche: "dass das Reich Gottes, für das Jesus einstand, schon jetzt auf die Erde kommt - in Spuren wenigstens". Ob dies der Fall ist, zeige sich "in einem Mehr an Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit, Gnade und solidarischer Liebe zumal mit den Armen".
Neue synodale Amtskultur
Ein langes Kapitel sei der Synodalisierung der Amtskultur gewidmet. Das ordinierte Amt habe Autorität, aber "nicht ohne Grenzen". Von Bischöfen werde Transparenz, Rechenschaftspflicht und eine Evaluierung ihrer Amtsführung verlangt. Dass es morgen mehr synodal geeignete Bischöfe gibt, solle künftig bereits bei der Auswahl der Kandidaten sichergestellt werden. Zulehner: "Eine solche synodale Amtskultur braucht Beteiligte, die mit dem Evangelium und den Nöten der Menschen, zumal der Armen, vertraut sind. Bei einem Teil der Amtsträger werden auf allen Ebenen Lernprozesse nötig sein, davon geht das Dokument aus und verlangt eine breite Aus- und Weiterbildungsinitiative."
Die Synodalisierung der Amtskultur werde auch für den Petrusdienst des Papstes vorgeschlagen, so Zulehner: "Künftig sorgt sich der Papst um die Einheit der Weltkirche, hält erhoffte regionale und kontinentale Entwicklungen zusammen, garantiert die Einheit in der neuen katholischen Vielfalt." Das werde als kräftiger Impuls in die ökumenische Entwicklung gesehen, "die derzeit wie die katholische Kirche selbst eher stagniert".
Veränderte Zuständigkeiten
Im Synodendokument verabschiede sich die katholische Weltkirche zudem ausdrücklich vom zentralistischen Uniformismus, schreibt der Pastoraltheologe. Das Evangelium solle die verschiedenen Kulturen der Weltkirche inspirieren. Dazu würden Bischofskonferenzen sowie deren kontinentale Zusammenschlüsse aufgewertet. Nach der Synode solle näher geklärt werden, welche Zuständigkeiten nicht mehr in Rom, sondern in den Regionen der Weltkirche sitzen: und dies hinsichtlich der Lehre, der Moral, der Disziplin. Als Beispiel nenne das Schlussdokument das Ringen der Kirchenversammlung für Afrika und Madagaskar um die Polygamie.
Derzeit werde bereits in der zuständigen Stelle des Vatikans an einer Reform des Kirchenrechts gearbeitet, erläutert Zulehner: "Es soll nicht wie nach dem Konzil geschehen, als der Codex 1983 auf dem Rechtsweg etwa die Möglichkeit ausgeschlossen hat, dass an Synoden auch Laien, Männer wie Frauen, teilnehmen dürfen." Deshalb habe Papst Franziskus einige Frauen und Männer als Delegierte berufen. Das Schlussdokument erhoffe sich dies auch für die kommenden Synoden auf allen Ebenen. Auch Partikularkonzile sollen künftig wieder üblich werden. Zulehners Hoffnung: "Irgendwann wird man dann nicht mehr von Bischofskonferenzen, sondern von Kirchenkonferenzen sprechen." Das Amazonasgebiet sei diesbezüglich schon vorangeschritten und habe die CEAMA (Conferencia Ecclesial de la Amazonia) eingerichtet.
Quelle: kathpress