Wien: Schöpflöffel-Übergabe in Franziskaner-Suppenküche
Das Wiener Franziskanerkloster zählt zu den fixen Anlaufstellen für Obdachlose, Asylsuchende und in anderen sozialen Nöten befindliche Bewohner der Bundeshauptstadt: Jeden Freitagvormittag gibt es dort eine Suppenküche, bei der Freiwillige eine warme Mahlzeit für unterschiedslos alle Gäste kochen und auch diverse andere Hilfen leisten. Die ehrenamtliche Leiterin des Angebots, Yvonne Matula, hat die Suppenküche vor 20 Jahren ins Leben gerufen. Am Freitag hat die inzwischen 79-Jährige die Hauptverantwortung an ihre Nachfolgerin Elisabeth Schwarz übergeben. Im Namen der Kirche dankte Weihbischof Franz Scharl bei diesem Anlass der Sozialpionierin Matula und würdigte ihren jahrzehntelangen Einsatz "für die, die Jesus ganz nahe sind".
Wurstbrote für Hungrige gibt es an der Pforte des unweit vom Stephansdom liegenden Franziskanerklosters schon immer, auch Adventfeiern für Obdachlose sind Tradition. Das Mitwirken an einer solchen Feier im Jahr 1998 war für Matula der Anstoß, sich zunächst an ihrem freien Tag als Pförtnerin zur Verfügung zu stellen, dabei dann auch Übergebliebenes aus der Klosterküche zu servieren, wie sie Kathpress berichtete. Es blieb nicht dabei: Als sich Sponsoren gefunden hatten, startete die inzwischen pensionierte Kunstpädagogin 2004 mit ihrem Ehemann an Freitagen eine Suppenküche. Gekocht und weitergegeben wurde, was am Vortag bei Firmen abgeholt worden war. Unterstützung kam auch vom jährlichen Franziskus-Kirtag des Wiener Lebensmittelgewerbes.
Im Laufe der Zeit schart sich um das Ehepaar Matulas ein Team von Freiwilligen, die bei der Zubereitung, Verteilung und Logistik mithalfen: Schon am Vortag werden Zwiebel, Würste und Kartoffel geschnitten, damit am Freitag die Suppe am Tisch des Großen Refektoriums steht. Das Essen reicht für alle meist zwischen 130 und 150 Gäste, viele von ihnen stehen aber dennoch bereits vor der Öffnung der Türe Schlange, um einen Sack mit frischem Gemüse oder Kleiderspenden zu erhalten. Die Motivationen der Suppenküche-Gäste sind jedoch durchaus unterschiedlich: Die warme Mahlzeit lockt, etliche kommen jedoch auch nur, um hier Freunde zu treffen, Neuigkeiten auszutauschen oder einfach jemanden zu finden, um sich Probleme von der Seele zu reden.
Not und Lichtblicke
Was sie in den 20 Jahren an Erschütterndem, Traurigem und Lustigem erlebt habe, "könnte Bücher füllen", sagte Matula rückblickend über ihre Erlebnisse. Von neuen Freiwilligen bekomme sie oft zu hören, sie hätten sich zuvor nicht vorgestellt, "dass es in Wien so viel Armut gibt". Es sei stark herausfordernd, sich von schwierigen Lebensschicksalen berühren zu lassen sowie von der großen psychischen Not der Hilfesuchenden, die nach Matulas Einschätzung zuletzt zugenommen hat. Zugleich gebe es jedoch auch Lichtblicke, wie etwa das Engagement junger Helfer oder der Besuch einer Schulklasse mit Religionslehrer, nach dem eine Schülergruppe aus eigenem Antrieb sogar über mehrere Jahre regelmäßig in der Suppenküche Hand anlegte und die dafür nötigen Lebensmittel besorgte. "Jugendliche haben einen weit offeneren Zugang zu den Armen", so ihre Erfahrung.
Nach der eigenen Motivation befragt, verwies Matula auf Kindheitserfahrungen im Wien der Nachkriegszeit. "Ich hatte trotz allem eine schöne Kindheit und dachte oft: Wie hätte es mir gehen können, hätte nicht meine Mutter, die Flüchtling war, Hilfe gehabt? Ich fühlte mich fast verpflichtet, auch anderen zu helfen." Öfters habe sie auch den Eindruck, "dass ich sehr viel Gnade von oben erhalten habe, die ich nicht missbrauchen, sondern weitergeben will in meinen beschränkten Möglichkeiten", so die 79-Jährige, die nach der Übergabe der Leitungsfunktion an ihre Nachfolgerin auch weiterhin in der Küche mithelfen will, "aber nicht mehr als Hauptverantwortliche".
Lächeln als Einstellungskriterium
Diese Aufgabe liegt ab nun bei Elisabeth Schwarz in jüngeren Händen. Ihrer engagierten Nachfolgerin und Mitstreiterin in den vergangenen eineinhalb Jahren wünschte Matula "Unterstützung durch ausreichend andere freiwillige Helfer", viele nötige Vorbedingungen bringe die hauptberufliche Musikredakteurin ohnehin mit: "Sie kann es mit ihrem Job vereinbaren, kann gut kochen und lächelt vor allem immer, was mir manchmal nicht gelungen ist", so die scheidende Suppenküchen-Chefin. Das Projekt bleibe darüber hinaus auch weiterhin auf Spenden angewiesen - auf Finanzierung wie auf Nahrungsmittel, "günstig wäre haltbare Nahrung, Dosen mit Fleisch oder Aufstrich, die man den Gästen mitgeben kann, sowie aktuell besonders auch Wintergewand".
Quelle: kathpress