Caritas fordert Rechte von Menschen mit Behinderung ein
Die Caritas nimmt den Jahrestag der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention zum Anlass, Verbesserungen für Menschen mit Behinderung in Österreich einzufordern. Betroffene würden seit Jahren auf gesetzliche Umsetzungen grundlegender Menschenrechte warten, sie "brauchen endlich Taten statt Worte", mahnte Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler am Freitag in einer Aussendung. Gerade mangelnde inklusive Bildung und Arbeitsmarktinklusion sowie gravierende Lücken bei der Verfügbarkeit von "Persönlicher Assistenz" seien "nicht länger hinnehmbar".
Laut Tödtling-Musenbichler stellt der 26. Oktober 2008 einen "historischen Wendepunkt für Menschen mit Behinderungen" dar. An diesem Tag hatte sich u.a. Österreich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, was bundesweit ca. 1,4 Millionen Betroffenen zugute kommen würde. "Man sollte meinen, 16 Jahre seien genug Zeit zur Verbesserung der Situation der Betroffenen", so die Caritas-Präsidentin. "Aber Fakt ist - und dies hat auch eine Überprüfung des verantwortlichen UN-Fachausschusses 2023 ergeben -, es gibt in Österreich nach wie vor grobe Mängel."
Besonders bei der Persönlichen Assistenz (PA) sähen sich Menschen mit Behinderungen mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Sie sei für Betroffene "unglaublich wichtig, denn die für individuelle Bedarfe geschulten Assistent*innen sind als enorme Unterstützung im Alltag oftmals der Schlüssel zu selbstbestimmtem Leben in der Gemeinschaft". Tödtling-Musenbichler kritisierte die "sehr unterschiedlichen" Gegebenheiten in den Bundesländern, was zu "diskriminierenden Ungerechtigkeiten" führe. Denn damit werde die Erfüllung eines Menschenrechts vom Wohnort abhängig gemacht.
Auch die Trennung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern ist für die Caritas problematisch: Während die PA im Privatbereich von den Ländern geregelt wird, fällt diese am Arbeitsplatz unter die Verantwortung des Bundes. Das führe zu einem enormen bürokratischen Aufwand und erschwere Betroffenen den Zugang zu kontinuierlicher Unterstützung im Alltag. Wer den Beruf einer Persönlichen Assistentin bzw. eines Assistenten ergreift, müsse mit schlechten Arbeitsbedingungen und wenig Entwicklungsperspektive rechnen.
Weiterer Kritikpunkt der Caritas: Viel zu viele Menschen - besonders Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. psychischen Erkrankungen - blieben im derzeitigen System unberücksichtigt.
Reformweg konsequent weitergehen
Tödtling-Musenbichler räumte ein, dass zuletzt Schritte zur Harmonisierung der Persönlichen Assistenz auf Bundesebene gesetzt wurden, die entsprechende Richtlinie sehe die notwendigen Reformpunkte auf dem Papier vor. "Das Problem jedoch ist, dass sich nicht alle Bundesländer an der Umsetzung beteiligen wollen oder können, weil die mittel- bis langfristige Perspektive fehlt." Die Caritas-Präsidentin ortete dringlichen Handlungsbedarf, um "zuallererst einen Rechtsanspruch für alle Betroffenen zu gewährleisten". Zweitens müsse die Trennung zwischen Persönlicher Assistenz im Arbeits- und Privatleben aufgehoben werden, drittens brauche es Investitionen in die Qualifizierung und Vertragslage der Assistenzleistenden und in eine Vereinfachung der Verwaltung.
Eine neue Bundesregierung müsse den eingeschlagenen Reformweg konsequent weitergehen, um den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention endlich gerecht zu werden. Tödtling-Musenbichler: "Die Erfüllung von grundlegenden Menschenrechten darf nicht länger aufgeschoben werden."
NÖ-Sozialhilfegesetz in der Kritik
Auch die Caritas der Diözese St. Pölten hat am Freitag an die Politik appelliert, die Schlechterstellung von Menschen mit Behinderungen zu beenden. Zum Jahrestag der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention (26. Oktober 2008) forderte die Caritas in einer Aussendung eine Reform im NÖ-Sozialhilfe-Ausführungsgesetz zur Beendigung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen.
In Niederösterreich haben demnach erwachsene Menschen mit Behinderungen, die aufgrund ihrer Einschränkung bereits im Kindesalter als "nicht erwerbsfähig" eingestuft wurden, keinen Anspruch auf Sozialhilfe, es sei denn, sie klagen ihre Eltern auf Unterhalt. Während Menschen ohne Behinderung bei fehlender Selbsterwerbsfähigkeit auf Sozialhilfe zurückgreifen können, bleibe dieser Weg jenen, die als "nicht erwerbsfähig" diagnostiziert wurden, verschlossen, kritisiert die Caritas. Sie seien gezwungen, ihre Eltern zur Unterhaltszahlung zu verpflichten und im Extremfall sogar gerichtlich von ihnen einzufordern. - Eine Vorgabe, die betroffene Familien stark belaste und oft ein selbstbestimmtes Leben erschwere.
In vielen Fällen könnten Menschen mit Behinderung mit minimaler Unterstützung in einer eigenen Wohnung leben, was jedoch finanziell nicht leistbar sei. Stattdessen werde oft eine stationäre Unterbringung erforderlich, die für die Gesellschaft deutlich höhere Kosten verursacht. Außerdem würden die Menschen mit Behinderung dadurch lebenslang von der finanziellen Unterstützung der eigenen Eltern abhängig bleiben.
"Wir beobachten mit Interesse, dass diese Ungleichbehandlung in einigen Bundesländern bereits zum Wohl der Betroffenen gelöst wurde", so Hannes Ziselsberger, Caritas-Direktor in der Diözese St. Pölten. Es wäre "rechtlich möglich, dass das Land NÖ durch eine Änderung im Gesetz, auf die Unterhaltsforderung gegenüber den Eltern verzichtet und damit den Weg zu ebnen für ein selbstständigeres Leben von Menschen mit Behinderungen".
Quelle: kathpress