Frauenarmut: Caritas fordert echte Gleichstellung und Reformen
Armut trifft in Österreich besonders Frauen, insbesondere Alleinerziehende. "Frauen tragen noch immer das höchste Risiko einer Armutsgefährdung", betonte Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien zum Start der jährlichen Caritas-Inlandskampagne. Unbezahlte Care-Arbeit, fehlende Kinderbetreuung, schlecht bezahlte "Frauenberufe" und strukturelle Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern erhöhten das Armutsrisiko von Frauen. Nötig seien daher Reformen zur Armutsbekämpfung und gesetzliche Rahmenbedingungen für "Halbe-Halbe" - also die faire Aufteilung von Fürsorgearbeit - sowie bessere Arbeitsbedingungen und eine Unterhaltsgarantie, so Tödtling-Musenbichler: "Armut ist kein Schicksal, sondern eine Folge ungerechter Strukturen."
"Zwei von drei Armutsbetroffenen, die sich an die Caritas-Sozialberatungsstellen wenden, sind Frauen", erklärte die Caritas-Präsidentin. Gemeinsam mit dem Wiener Caritasdirektor Klaus Schwertner und der Statistik Austria-Expertin Janina Enachescu verwies sie auf die alarmierenden Ergebnisse einer neuen Analyse, nach der besonders Frauen, vorwiegend alleinerziehende Mütter, stark von den Folgen der Coronajahre, der Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten betroffen sind.
Krisen verschärfen bestehende Probleme
Eine Sonderauswertung der Statistik Austria aus der "So geht's uns heute"-Befragung, die im Auftrag der Caritas von 2021 bis 2024 durchgeführt wurde, zeigt: Während Ende 2021 etwa 19 Prozent der Alleinerzieherinnen angaben, nur schwer mit ihrem Einkommen auszukommen, stieg dieser Wert bis zum 3. Quartal 2022 auf 38 Prozent und lag Anfang 2024 noch immer bei knapp 32 Prozent. Im Vergleich dazu verzeichnete die allgemeine Bevölkerung im selben Zeitraum deutlich geringere Schwierigkeiten.
Frauen seien besonders durch eine hohe Teilzeitquote, Betreuungspflichten, schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie berufliche und branchenspezifische Segregation am Arbeitsmarkt betroffen, erklärte die Statistik-Austria-Expertin Enachescu. Krisen würden die finanzielle Belastung aber noch ansteigen lassen.
Politik muss Gender-Gaps schließen
"Die Gender-Gaps müssen endlich geschlossen werden", forderte daher Caritas-Präsidentin Tödtling-Musenbichler. So leisten Frauen täglich fast zwei Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer, arbeiten häufiger in Branchen mit niedrigen Löhnen und sind dementsprechend öfter auf Sozialleistungen angewiesen. Ziel müsse die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen sein, damit sie sich selbst absichern und Altersarmut vermeiden können. Diese "echte Gleichstellung" müsse auch von der kommenden Bundesregierung gefördert und umgesetzt werden.
Schwertner: Politik muss Sofortmaßnahmen ergreifen
Auch Caritas-Direktor Klaus Schwertner drängte auf Sofortmaßnahmen, um armutsbetroffene Frauen zu entlasten. Eine Reform der Sozialhilfe sowie eine Unterhaltsgarantie für Kinder seien dringend notwendig, um Betroffenen schnelle Unterstützung zu bieten. "Kinderarmut in Österreich abzuschaffen, ist eine Frage des Wollens, nicht des Könnens", so Schwertner.
Aktuell setzen steigende Mieten, hohe Energiepreise sowie Inflationsraten Armutsbetroffenen stark zu. Die kommende Bundesregierung müsse daher auch eine Reform der Sozialhilfe in Angriff nehmen. "Wir brauchen eine echte Grundsicherung mit einheitlichen Kinderrichtsätzen und mit Mindeststandards anstelle von Deckelungen, damit Betroffene aus der Armutsspirale kommen können", so Schwertner, der eine sachliche Diskussion über Sozialmaßnahmen einforderte.
Sozialberatungsstellen als "Seismograf der Armut"
Die Caritas-Sozialberatungsstellen bezeichnete Schwertner als "Seismograf der Armut". In den Hilfsangeboten der Caritas - von Mutter-Kind-Häusern über Wohnhäuser und Tageszentren für obdachlose Frauen bis hin zu pfarrlichen Lebensmittelausgabestellen - seien zunehmend armutsbetroffene Frauen anzutreffen.
"In unseren Beratungsstellen zeigt sich deutlich, dass Armut häufig weiblich ist", erklärte auch Doris Anzengruber, Leiterin der Sozialberatungsstelle der Caritas der Erzdiözese Wien. Betroffene Frauen berichteten von Trennung, Gewalterfahrungen, Problemen bei der Arbeitssuche, prekären Arbeitsverhältnissen oder einem fehlenden Netzwerk. Sie hätten weder die finanziellen Mittel für Energiekosten und unerwartete Ausgaben noch für die Förderung ihrer Kinder. "Die Betroffenen sind deshalb aber keine 'schwachen Haushalte', sondern starke Frauen", sagte Anzengruber. Es brauche folglich eine Anerkennung der Leistungen von Frauen, aber auch konkrete Maßnahmen, denn "Anerkennung allein zahlt weder die Miete noch füllt sie den Kühlschrank".
Die Pressekonferenz fand in der pfarrlichen Lebensmittelausgabestelle "Waldkloster" im Wiener Bezirk Favoriten statt, wo Armutsbetroffene neben Lebensmitteln auch kostenlose Beratungs- und Orientierungsangebote erhalten. (Caritas-Inlandskampagne Spendenmöglichkeiten: Erste Bank, BIC: GIBAATWWXXX, IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560, Kennwort: Not im Inland)
Quelle: kathpress