Diakonie äußert scharfe Kritik an neuen Sonderschul-Lehrplänen
Scharfe Kritik an den ab dem Schuljahr 2025/26 gültigen Sonderschul-Lehrplänen hat die Diakonie geäußert. Die vom Bildungsministerium bereits im Mai präsentierten Pläne "zeigen eine Haltung aus den 1950er Jahren in Bezug auf Kinder mit Behinderungen", erklärte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser in einer Aussendung. Besonders ärgerlich sei die Sprache in der aktuellen Fassung der Lehrpläne: Noch immer sei von "körperbehinderten" und "sprachgestörten Kindern" die Rede, empörte sich Moser. "Diese Begriffe zeugen von einer antiquierten Haltung und einem völlig unzureichenden Verständnis von Inklusion."
Bildungsminister Martin Polaschek hatte im Mai auf die seit dem laufenden Schuljahr 2023/24 geltenden Lehrpläne für Volksschule, Mittelschule und AHS Unterstufe hingewiesen, die wiederum die Grundlage "für eine Überarbeitung und Modernisierung der (damals in Begutachtung gehenden, Anm.) Lehrpläne im sonderpädagogischen Bereich" bildeten. Ganz offensichtlich sei es dem Ministerium ein Anliegen, "das bestehende Parallelsystem von Sonderschule und Regelschule weiter zu erhalten", kommentierte die Diakonie-Direktorin. Das bedeute freilich, "dass Kinder mit Behinderung weiterhin auf dem Abstellgleis Sonderschule/Werkstätte bleiben werden". Eine solche "Erneuerung" von Lehrplänen für Kinder mit Behinderungen stehe sicher nicht für Inklusion, so Moser.
"Um Schule wirklich inklusiv zu gestalten, müsste dieses Parallelsystem schrittweise abgebaut werden", forderte die Diakonie. Die in der Behindertenarbeit seit langem engagierte evangelische Hilfsorganisation befürwortet ein inklusives Bildungssystem, in dem alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Es brauche statt einer Verfestigung des Sonderschulwesens einen "Lehrplan für alle", der individuelle Unterstützungs- und Förderangebote vorsehe.
"Menschen sind nicht behindert, sie werden es durch soziale, rechtliche und bauliche Barrieren", betonte Moser. "Anstatt lediglich die Defizite der Kinder zu beleuchten, setzen wir uns für die Verbesserung der Rahmenbedingungen ein, damit alle Kinder - egal ob mit oder ohne Behinderungen - ihre Fähigkeiten entfalten können und Chancengleichheit erfahren." Deswegen plädiere die Diakonie für ein "inklusives Bildungswesen".
Wie weiter nach der Schulpflicht?
Die Diakonie bemängelte auch, dass auch bezüglich des 11. und 12. Schuljahres für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) "nichts weiter" gehe. Auch mit der neuen Verordnung gebe es keine Pläne, dass Jugendliche mit SPF über das 16. Lebensjahr hinaus inklusiv beschult werden. "Anstatt diese jungen Menschen zu fördern, werden sie auch weiterhin oft ohne Beschäftigung zu Hause sitzen oder sie landen für den Rest ihres Lebens in einer Werkstätte (Tagesstruktur)", prognostizierte die Diakonie-Direktorin. Das schade nicht nur den betroffenen Kindern und ihren Familien, sondern auch der Gesellschaft insgesamt.
Studien belegen laut Diakonie, dass Sonderschülerinnen und -schüler wesentlich schlechtere Chancen auf eine weiterführende Ausbildung oder einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben haben. 44 Prozent der Absolvierenden seien eineinhalb Jahre nach dem Abschluss weder in einer Ausbildung noch erwerbstätig.
Moser stellte auch in Abrede, dass sich die neuen Sonderschul-Lehrpläne - wie vom Bildungsministerium behauptet - an der UN-Behindertenrechtskonvention orientieren. Deren aktuelle Fassung werde der Konvention nicht gerecht.
Quelle: kathpress