Menschenhandel und Arbeitsausbeutung: Hunderttausende Betroffene
Immer noch wird das Thema der Arbeitsausbeutung und sexuellen Ausbeutung unzähliger Menschen in Österreich nicht entsprechend wahrgenommen. Zudem ist die rechtliche Lage höchst unbefriedigend und trägt kaum zur Lösung der Probleme bei. Das war der Tenor eines Pressegesprächs am Montag in Wien, zu dem die Ordensgemeinschaft der Salvatorianer geladen hatte. Die Sozialwissenschaftlerin Marta Lidia Dubel sprach von Hunderttausenden Betroffenen, die in solch prekären Verhältnissen leben müssten. Genaue Zahlen gebe es freilich nicht.
Das Thema Migration werde zunehmend von Populisten und politischen Parteien instrumentalisiert und die Migration mit Schlepperei und Kriminalität gleichgesetzt, so Dubel. Die Zahl der Migranten habe nicht zugenommen, viele Zahlen würden künstlich nach oben geschraubt. Diese "Politik der Panik" schüre die Wahrnehmung, dass Millionen von Flüchtlingen nach Europa strömen würden und die politischen und sozialen Systeme bedrohten. Und eine solche Rhetorik schaffe auch einen fruchtbaren Boden für negative Assoziationen mit Migration und den Migranten selbst.
Viele landen in der Schattenwirtschaft
Der Zusammenhang zwischen Migration und Arbeitsausbeutung sei komplex, so Dubel. Aufgrund ihres prekären Rechtsstatus seien viele Migranten anfällig für Ausbeutung. Die meisten Migranten würden legal nach Österreich kommen. Meist restriktive Visa-Politiken und erschwerte Arbeitsmarktzugänge würden dann aber zu einer Vielzahl von irregulären Migranten führen, die in der Schattenwirtschaft arbeiten.
Wer einmal irregulär in Österreich sei, versuche in der Regel, so lange wie möglich unerkannt zu bleiben. Werde man erwischt und müsse Österreich verlassen, gebe es so gut wie keine Möglichkeit mehr, nach Österreich zurückzukehren. Das schaffe beste Voraussetzungen, um diese Menschen auszubeuten, so Dubel.
Österreich sei wie viele europäische Länder von Arbeitskräftemangel betroffen, insbesondere im Tourismus und Gastgewerbe. In der Landwirtschaft seien viele Arbeitskräfte aus dem Ausland beschäftigt. Saisonarbeitsvisa seien auf neun Monate begrenzt und an den Arbeitgeber gebunden. Die Rot-Weiß-Rot-Karte sei in der Praxis viel zu kompliziert und schaffe ebenfalls Abhängigkeiten.
Zudem: Wer als Saisonarbeiter in Österreich war, hat rechtlich keine Möglichkeit, eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu bekommen. - Nur eine von vielen rechtlichen Vorgaben, die in ihrer Gesamtheit zu einer "staatlich konstruierten Vulnerabilität" führen, wie Dubel sagte. Ein weiteres Beispiel: Zwar sei es Migranten theoretisch möglich, gegen Ausbeutung rechtlich vorzugehen, man verliere zugleich während des rechtlichen Verfahrens die Arbeitserlaubnis.
Der Schutz von Arbeitsmigranten müsse in der Arbeitsgesetzgebung stärker verankert werden, forderte Dubel. Mindestlohn und Sozialversicherungsbeiträge müssten garantiert werden und es bedürfe einer Reform des Arbeitsaufsichtssystems zur Überwachung der Arbeitsbedingungen.
Dubel forscht am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien. Sie hat sich in ihrer Dissertation ausführlich mit dem Thema "Arbeitsausbeutung und Menschenhandel in Österreich" befasst. Diese Arbeit wurde von den salvatorianischen Gemeinschaften in Österreich finanziell unterstützt.
Ordensleute gegen moderne Sklaverei
Die salvatorianischen Gemeinschaften würden sich seit vielen Jahren mit den vielfältigen Formen der modernen Sklaverei - dem Menschenhandel -auseinandersetzen, so Provinzial P. Josef Wonisch beim Pressegespräch: "Sexuelle Ausbeutung und Arbeitsausbeutung sind in Europa und natürlich auch in Österreich an der Tagesordnung." Der Orden bemühe sich, auf dieses Verbrechen, "das in unserer Gesellschaft gern totgeschwiegen wird", verstärkt aufmerksam zu machen.
Man habe im Juni 2022 nach den Feiern zur Seligsprechung des Ordensgründers P. Franziskus Jordan beschlossen, ein zweijähriges Stipendium von 12.000 Euro zum Thema Menschenhandel zu vergeben, damit die wissenschaftliche Forschung zum Thema gefördert wird. Die Hälfte des Betrages wurde von privaten Sponsoren zugeschossen.
"Das Ausmaß an sexueller Ausbeutung von Frauen und Mädchen ist katastrophal und Menschenhandel ständig im Wachsen", betonte die Salvatorianerin Sr. Maria Schlackl bei dem Pressegespräch. Der Menschenhandel im 21. Jahrhundert sei der finanzkräftigste und am schnellsten wachsende Zweig organisierten Verbrechens überhaupt. "Da können und dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen", so die Ordensfrau wörtlich, die sich in ihrem Engagement auch mehr innerkirchliche Unterstützung wünschen würde.
Initiative gegen Zwangsprostitution
Schlackl ist Gründerin und Leiterin der Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel - Aktiv für Menschenwürde in OÖ". Die Initiative hilft von Zwangsprostitution betroffenen Frauen und macht öffentlich auf die Problematik aufmerksam; u.a. mit zahlreichen Workshops in Schulen. Dass ausgerechnet die Prostitution eine der wenigen legalen Beschäftigungsmöglichkeiten von Asylwerbern in Österreich ist, bezeichnete Schlackl beim Pressegespräch als besonders entwürdigend.
Sr. Schlackls Initiative lädt am Freitag, 18. Oktober, in Linz zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Sexkauf fördert Frauenhandel". Zu Wort kommt neben der Ordensfrau u.a. mit der Juristin Sandra Norak eine ehemals selbst von Menschenhandel und Zwangsprostitution Betroffene. Im Anschluss an die Gesprächsrunde in der Katholischen Privat-Universität Linz (Betlehemstraße 20) wird die Ausstellung "Skalv:innen: Geschichte und Visualität des Menschenhandels in Europa" eröffnet.
Quelle: kathpress