Franziskaner-Oberer: "Ein 'Immer mehr' geht nicht"
Vor 800 Jahren schuf der Heilige Franz von Assisi (1181/82-1226), dessen Gedenktag die Kirche am 4. Oktober begeht, den "Sonnengesang". Der Obere der österreichischen Franziskanerprovinz, P. Fritz Wenigwieser, hat im Interview mit der St. Pöltner Kirchenzeitung "Kirche bunt" auf zentrale Aspekte dieses Gebets bzw. Gedichts und seines Schöpfers hingewiesen. Für den Franziskaner-Oberen ist der Sonnengesang u.a. ein Appell, den Wert der Geschwisterlichkeit zu pflegen, zu teilen und einen bescheideneren Lebensstil zu pflegen. Das sei auch ein wichtiger Beitrag für die Natur, denn "ein 'Immer mehr' geht nicht" und "ein Weniger kann ein Mehr" sein. Das Sonnengesang-Jubiläum könne eine Chance sein, wichtige Themen anzusprechen, so der Franziskaner-Provinzial.
Im Winter 1224/1225 - zwei Jahre vor seinem Tod - war Franziskus schon sehr geschwächt. Um sich zu erholen, zog er sich nach San Damiano zurück. Hier bot ihm eine Hütte im Garten der heiligen Klara Quartier. Im Gebet erhielt er die Gewissheit, dass er durch das Ertragen der Krankheit zur ewigen Freude des Himmelreichs gelangen werde. Hierüber freute sich Franziskus so sehr, dass er ein Lied dichtete: den Cantico delle Creature (Loblied der Geschöpfe), im deutschen Sprachraum "Sonnengesang" genannt.
Der Sonnengesang zeige in wundervoller Weise die Liebe zur Schöpfung Gottes. Der Heilige habe dieses Werk allerdings in der vielleicht schwierigsten Phase seines Lebens verfasst, wo vieles "kaputt" war, so Wenigwieser. Mit einer brutalen Methode hatte sich Franz von Assisi einer "Augenoperation" unterzogen, bei der die Schläfe mit heißem Eisen gebrannte wurde. "Jeder Sonnenstrahl dürfte schon schlimme Schmerzen in den Augen verursacht haben", so Österreichs oberster Franziskaner. Auch Milz und Leber dürften schon in schlechtem Zustand gewesen sein. Der Heilige war auf diese schwere Lage vorbereitet, er hatte sie zeitlebens "eingeübt". Er wäre wohl verbittert gewesen, hätte er nicht viel Schönes im Leben erfahren.
Franz von Assisi habe etwa die Hälfte seines Lebens in "extremer Natur, wie etwa in Höhlen verbracht", so Wenigwieser. So habe der Heilige beide Seiten kennengelernt: die Schönheiten sowie Schmerzen und die Härte der Natur; etwa, wenn er auf Felsen schlief. Diese beiden Seiten beleuchte auch der Sonnengesang. Wer sich als Bruder oder Schwester der Schöpfung sieht, der gehe anders mit der Natur um, betonte P. Wenigwieser. Der Sonnengesang lasse sich theologisch ableiten aus der Christus-Beziehung des großen Heiligen.
Franz von Assisi stehe durchaus für "Extreme", führte Wenigwieser weiter aus. Das, was er sagte und vorlebte, machte ihn zu einem guten Gesprächspartner etwa mit Buddhisten oder kirchenfernen Menschen. Franziskus rettete Würmer und kaufte Lämmer frei, die geschlachtet werden sollten. Wenigwieser: "Franz von Assisi ging an Grenzen und steht für Spannungen." Der Heilige habe hinter den Geschöpfen und der Schöpfung Gott gesehen, gleichzeitig sei er kein Esoteriker oder Pantheist gewesen, der in allem Gott meine.
Wer heute den Sonnengesang liest oder betet, werde herausgefordert, die Natur zu lieben, ihr Ehrfurcht zu erweisen und sich für ihren Erhalt einzusetzen. Der Sonnengesang sei eine Hymne auf die von Gott ins Leben gerufene Schöpfung und zugleich fordere er dazu auf, den Schöpfer selbst zu loben.
Franziskus habe sich in die Natur eingebunden gefühlt, mit der er einen geschwisterlichen Umgang pflegt. Die Gestirne, Wasser, Feuer, den Wind und die Erde, ja sogar den Tod habe er mit Schwester oder Bruder angesprochen. Wer heute den Sonnengesang liest oder betet, werde eingeladen und herausgefordert, die Natur zu lieben, ihr Ehrfurcht zu erweisen und sich für ihren Erhalt einzusetzen, so der Franziskaner-Provinzial.
Quelle: kathpress