Mauthausen-Komitee trauert um verstorbenen KZ-Zeitzeugen Chanoch
Der Litauer Daniel Chanoch, der sechs Konzentrationslager der Nationalsozialisten überlebt hat, ist am Sonntag (29. September) im Alter von 92 Jahren verstorben. Trauer darüber hat das Mauthausen Komitee am Dienstag in einer Aussendung geäußert. Chanochs beharrlicher Wunsch sei es gewesen, am Ort des einstigen KZ-Außenlagers Gunskirchen in Oberösterreich eine Gedenkstätte zu errichten, so das Komitee. "Wir werden alles daransetzen, Daniel Chanochs Wunsch eines Gedenkorts in Gunskirchen zu verwirklichen", erklärte Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich.
Als "großer Freund" und als "großer Kämpfer für Solidarität und für ein 'Niemals wieder'" wurde Chanoch von Christa Bauer, der Geschäftsführerin des Mauthausen Komitees Österreich, gewürdigt. Niemals sei er müde geworden, als Zeitzeuge von dem zu berichten, was er erleben musste. So es ihm sein Gesundheitszustand erlaubte, sei er auch jährlich zur Internationalen Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, zum Fest der Freude und zur Befreiungsfeier des KZ-Außenlagers Gunskirchen gereist.
In seinen Gedanken über die Zukunft habe er seine Angst geäußert, dass sich die Welt wieder mehr als 71 Jahre zurückentwickeln könnte. Es gelte, die Demokratie zu schützen und gegen Rassismus zu kämpfen, wobei unbedingt auch der Beitrag der jungen Menschen gefordert sei.
2016 war Chanoch gemeinsam mit seiner Enkelin Hauptredner beim "Fest der Freude" am Wiener Heldenplatz und hatte zum Schwerpunkt "Internationale Solidarität" gesagt: "Was ist denn Solidarität? Solidarität heißt, wenn man marschiert in einem Todesmarsch, am 18. Januar 1945 und keine Kräfte mehr hat, dann kommt ein Kamerad und mit den letzten Kräften hilft er dir zu gehen. (...) Solidarität ist, wenn man nichts zu essen hat und das letzte Stückchen Brot wird mit einem Kameraden geteilt."
Daniel Chanoch wurde 1932 im litauischen Kaunas geboren und nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten 1941 ins jüdische Ghetto seiner Heimatstadt deportiert. Nach dessen Auflösung im Juli 1944 folgte eine Odyssee durch eine lange Reihe von Konzentrationslagern: Über das KZ Stutthof, in dem seine Mutter und Schwester zurückblieben, kam er in ein Außenlager des KZ Dachau, wo er von seinem Vater getrennt wurde.
Mit 130 weiteren Kindern wurde er dann über das KZ Dachau in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau überstellt, wo es die Kindergruppe durch enormen Zusammenhalt und Solidarität schaffte, nicht getrennt zu werden. Dennoch wurden zwei Drittel von ihnen dort ermordet, Chanoch überlebte jedoch. Der Leidensweg ging auch nach der Räumung des KZ Auschwitz noch weiter: Der erst 13-jährige Chanoch musste mit anderen KZ-Häftlingen "Todesmärsche" in andere Konzentrationslager überstehen und erlebte somit auch das KZ Mauthausen und dessen Außenlager Gunskirchen.
Die wenigen Wochen in Gunskirchen bezeichnete Chanoch als "die Hölle auf Erden", aus der er dann endlich am 5. Mai 1945 befreit wurde. Seine Eltern und seine Schwester überlebten die NS-Morde hingegen nicht. Seinen Bruder traf er später in Italien wieder, ehe er sich auf den Weg nach Israel machte und dort ein neues Leben begann. Chanoch wurde zweifacher Vater und vielfacher Großvater. Der 2023 erschienene Dokumentarfilm "A Boys Life" schildert sein Leben.
2022 überreichte Chanoch bei der Befreiungsfeier in Gunskirchen ein symbolträchtiges Geschenk an den MKÖ-Vorsitzenden Willi Mernyi: die Baumscheibe eines alten Olivenbaumes, der in Israel gewachsen war. In der Mitte des Stammes, Symbol für Frieden und für ein "Niemals wieder", war ein natürlich gewachsenes Loch-Zeichen für die Lücke, die nach der Shoah nicht nur in den Überlebenden, sondern auch in ihren Nachkommen entstanden sei.
Quelle: kathpress