Bibelwerk-Direktorin beklagt Missbrauch des Christentums im Wahlkampf
Die Direktorin des Katholischen Bibelwerks, Elisabeth Birnbaum, beklagt den Missbrauch des Christentums im Wahlkampf. Wie die Theologin in einem aktuellen Beitrag auf dem Portal "feinschwarz.net" (Freitag) schreibt, sei in Österreich plötzlich das Christentum wieder in. Der Spitzenkandidat der SPÖ betone in einem Wahlkampf-Fernsehduell, er sei Ministrant gewesen. Der Spitzenkandidat der ÖVP bringe den Heiligen Martin aufs Tapet und der Spitzenkandidat der FPÖ werbe mit "Euer Wille geschehe" vom Wahlplakat herab um Stimmen.
Eigentlich könnte sie sich als Katholikin ja geschmeichelt fühlen: "Wieso ist es in einem Land, in dem die Kirche einen galoppierenden Relevanzverlust des Christentums beklagt, plötzlich 'in', sich zum Christentum zu bekennen? Ist das ein Hoffnungszeichen?" Aber stattdessen steige ihr Unbehagen, so Birnbaum, "wenn ich auf die Kontexte und Nebengeräusche der Christentum-Bekenntnisse blicke".
Der Spitzenkandidat der SPÖ versuche zu zeigen, "dass seine Partei in ihrem Bemühen um Minderprivilegierte auf der gleichen Ebene wie die Caritas handelt". Doch im Kontext des Gesprächs gehe es eigentlich darum, "die ÖVP in ihrem Selbstverständnis als christlich-soziale Partei zu desavouieren".
Der Spitzenkandidat der ÖVP wiederum rücke den Heiligen Martin in den Vordergrund. Leider fordere er damit nicht das barmherzige Teilen von Ressourcen ein, "vielmehr liegt der Fokus darauf, dass die SPÖ seiner Meinung nach zu wenig für die Wirtschaft tut und bitteschön nur das verteilen soll, was sie besitzt". Also ebenfalls ein "Gegen"-Argument, so Birnbaum.
Gleichzeitig werde damit eine heikle Diskussion berührt, die nicht nur in Österreich immer wieder die Gemüter erregt. Die Frage nämlich, ob in Kindergärten ein Martinsfest gefeiert werden soll oder stattdessen ein (religiös offenes) Laternenfest. Die Frage sei deshalb so prekär, weil das offizielle Österreich in der Praxis christlich bzw. katholisch geprägt ist, sodass viele christliche Werte, Feste und Riten als "österreichische Tradition" wahrgenommen würden. So komme es, dass etwa in Wien, wo sich nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung zum christlichen Glauben bekennt, viele Menschen den Wegfall des Martinsfestes mit einem Kniefall vor fremden Kulturen gleichsetzen. Birnbaum: "Der Heilige Martin wird dadurch zu einem doppelten Gegenargument: Gegen die Politik der SPÖ und gegen die Bedrohung der österreichischen Identität. Das Christentum ist dabei wieder nur Chiffre."
Legitimation für Fremdenfeindlichkeit
Im schlimmsten Fall, so Birnbaum weiter, diene die Verteidigung des Christentums zur Legitimation für Fremdenfeindlichkeit. Der ausgerufene Kulturkampf werde in einem Land, in dem immer mehr Menschen den christlichen Kirchen den Rücken kehren, "mit der Waffe des Christentums geführt". Die oft berechtigten Ängste der Menschen angesichts gesellschaftlicher Umbrüche und veränderter Mehrheitsverhältnisse würden so zur Glaubensfrage stilisiert. Diese Strategie sehe man besonders häufig bei der FPÖ.
Die jüngste FPÖ-Anspielung auf das Vater Unser sei dabei kein Einzelfall in der Partei. Schon 2013 habe sich die FPÖ biblischer Zitate bedient: Damals sei auf einem Wahlplakat zu lesen gewesen: "Liebe deinen Nächsten! - für mich sind das unsere Österreicher!" Daneben habe ein weiteres Plakat den Kontext klar gemacht: "Asylbetrüger müssen gehen ...".
Birnbaum: "Nicht nur, dass hier wie in den beiden anderen Fällen christliche Werte für Wahlkampfrhetorik instrumentalisiert werden. Es handelt sich auch um eine Verdrehung der biblischen Botschaft in ihr Gegenteil. Beim Vater-Unser-Zitat werde "nur" Gottes Wille in den Willen des Volkes verwandelt, den die FPÖ quasi an Gottes Stelle verspreche, geschehen zu lassen. Beim Wahlplakat: "Liebe deinen Nächsten! - Für mich sind das unsere Österreicher!", sei die Verdrehung noch eklatanter, so Birnbaum: "Hier wird aus einem Gebot der Liebe ein Gebot der Ausgrenzung. (...) Hier wird Christentum in einem Ausmaß gegen seine eigentliche Botschaft gebraucht, die atemberaubend ist."
Es mache sie "unendlich traurig" zu sehen, "wie Christentum zu einer Dagegen-Religion gemacht wird. Aus der Frohbotschaft für alle wird eine Drohbotschaft gegen andere."
Das Fazit der Bibelwerksdirektorin: "Ich finde es schlimm, das Christentum zur eigenen Profilierung gegen andere zu verzwecken. Ich finde es schlimmer, christliche Traditionen als Waffe im Kulturkampf gegen Fremde zu instrumentalisieren. Ich finde es am schlimmsten, biblische Kernbotschaften ins Gegenteil zu verkehren und so den Eindruck zu erwecken, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung, Hass und das Schüren von Ängsten gingen mit dem Christentum konform."
Quelle: kathpress