Jerusalemer Hospizrektor: Zum Abbau des tiefen Misstrauens beitragen
Ein "wirklich tiefgreifendes Misstrauen" zwischen Israelis und Palästinensern sieht der Jerusalemer Hospizrektor Markus Bugnyar (49). Nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 und dem seither wütenden Gaza-Krieg sehe er "beim besten Willen nicht, wie das wieder heilen soll und wann man sich wieder zusammensitzt an einen Tisch", sagte der seit 20 Jahren als Rektor im Österreichischen Hospiz in Jerusalem wirkende Priester im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress. Christliche Einrichtungen im Heiligen Land wie auch das Pilgerhospiz in der Jerusalemer Altstadt könnten einen zumindest kleinen Beitrag leisten, indem sie einen neutralen Ort böten.
In diesen Tagen war das Buch "Irdisches Jerusalem. Über Heiliges und Schwieriges" erschienen, in dem Bugnyar sehr persönliche Blicke hinter die Kulissen der Stadt und dessen Grundkonflikt wirft. So sehr derzeit die gangbare Lösung fehle, "wird auch dieser Krieg enden müssen", stellte der Hospizrektor nüchtern fest. Initiativen und Menschen der Versöhnung würden dann bitter benötigt. "Gott sei Dank" gebe es auch heute noch zumindest kleinere Gruppen von Palästinensern und Israelis, die sich zum Gebet für den Frieden träfen, sagte Bugnyar, "wenn auch nicht gemeinsam, und wenn auch nicht in einer gemeinsamen Sprache". Zumindest das Anliegen teile man aber.
Christen hätten in Jerusalem die wichtige Aufgabe, "für Orte der Begegnung zu sorgen" und somit konstruktiv für das Heilige Land etwas zu tun, so das Credo des Hospizrektors. Dies sei dadurch möglich, dass man als Minderheit neben den großen Bevölkerungsgruppen - den jüdischen Israelis und den muslimischen Palästinensern - nicht den Konfliktparteien angehöre.
Vor diesem Hintergrund habe er sich dazu entschieden, das direkt an der Via Dolorosa gelegene Hospiz trotz des jüngsten Konflikts offen zu halten, erklärte der Rektor. Denn als eine der wenigen Einrichtungen Jerusalems würden dessen Gästehaus und das Café Triest sowohl von Israelis als auch von Palästinensern besucht. In einer "komplett vergifteten" Atmosphäre zählten durchaus auch solche kleinen Zeichen, sei doch schon der bloße gemeinsame Aufenthalt im selben Raum "in Zeiten wie diesen tatsächlich ein Fortschritt und Hoffnungszeichen". Begegnung werde hier zumindest denkbar - aber jeder könne für sich entscheiden, "ob er diese Chance auch wahrnimmt".
Bugnyars bei Be+Be erschienene Buch gibt auf 128 Seiten Einblick in das Arbeitsleben im Pilgerhospiz. Zugleich präsentiert das reich bebilderte Werk auch die heiligen Stätten von Jerusalem, Bethlehem und Nazareth, den See Genezareth und den Berg Tabor, gelte doch: "Es gibt kein Hospiz ohne Pilgerorte. Gäste, die zu uns kommen, wollen die heiligen Stätten besuchen, wollen sie erklärt bekommen", so der Rektor. Mit dem Buch wolle er auch "Lust aufs Pilgern machen, und bei jenen, die schon dort waren, Erinnerungen wachrufen".
Hospiz weiterhin offen
Zum stark zurückgegangenen Pilgerwesen im Hospiz erklärte Bugnyar, es gebe derzeit kriegsbedingt keine Gruppenreisen mehr in Jerusalem, Einzelreisende kämen aber sehr wohl weiterhin ins Hospiz, das weiterhin offen bleibe. Viele würden aufgrund der Lage zuwarten und dann wenige Tage vor der Ankunft bestätigen oder absagen. Vom Kriegsgeschehen bekomme man als Jerusalem-Besucher jedenfalls derzeit nichts mit, dieses beschränke sich auf den Süden rund um den Gazastreifen sowie auf die Grenze zum Libanon. "Denkt bitte an uns - auch in einer Zeit, in der viele vom Reisen und Pilgern Abstand nehmen", appellierte Bugnyar in Richtung des Hospiz-Freundeskreises.
Bugnyar wird sein neues Buch am Dienstag um 18.30 Uhr im Wiener Curhaus (1. Bezirk, Stephansplatz 3) präsentieren. Er spricht dabei mit ORF-Korrespondent Tim Cupal über "Leben und Arbeiten im Heiligen Land" (Anmeldung unter: rectorate@austrianhospice.com).
(Buchinfo: Markus St. Bugnyar, "Irdisches Jerusalem. Über Heiliges und Schwieriges". Be+Be-Verlag, ISBN 978-3-903518-17-9, Euro 24,90)
Quelle: kathpress