Schlagnitweit: Kirche nicht zur politischen Neutralität verpflichtet
Wenige Tage vor der Nationalratswahl und angesichts des Wahlkampfs erinnert der Sozialethiker Markus Schlagnitweit an die fortwährende Relevanz des "Mariazeller Manifests" von 1952. Die Kirche sei nicht zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet, betont der Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe). Vielmehr müsse sich die Nähe oder Distanz der Kirche zu politischen Parteien nach deren Programmen und Praktiken richten, insbesondere in Bezug auf die Verteidigung von Freiheit und Menschenwürde. Dennoch solle sich die Kirche von eindeutiger Wahlwerbung für eine bestimmte Partei enthalten, da es gemäß den Grundsätzen ihrer Soziallehre "in einzelnen (politischen) Sachfragen auch eine legitime und begründbare Pluralität an politischen Folgerungen und Optionen geben kann".
Folglich könnten auch klare Widersprüche und Unvereinbarkeiten zwischen politischen Programmen bzw. Haltungen und der kirchlichen Moral bestehen, erklärt der Sozialethiker in seinem Blogeintrag auf der ksoe-Website. "Solche auch öffentlich zu benennen, ist geradezu Pflicht der Kirche aufgrund ihrer Sendung zur Mitgestaltung der Welt im Sinne der Botschaft vom Gottesreich", so Schlagnitweit.
Hintergrund sind unter anderem kritische kirchliche Stimmen zum aktuell laufenden Wahlkampf, insbesondere gegenüber populistischen und völkisch-nationalen Positionen. Die Forderung der FPÖ nach einer strikten Trennung von Kirche und Staat sowie nach einer parteipolitischen Neutralität der Kirche wird von kirchlicher Seite als unbegründet zurückgewiesen. "Diese Forderung sei ihr zwar unbenommen, entbehrt aber jeder sachlichen Grundlage und Begründung", so der Sozialethiker wörtlich.
Das "Mariazeller Manifest" aus dem Jahr 1952 hält nach den Erfahrungen aus der Monarchie und der 1. Republik zwar fest, dass es "eindeutig gegen eine (wechselseitige) Totalidentifikation bzw. ein exklusives Bündnis mit einer politischen Partei oder auch mit dem Staat als solchem" sei, erklärt der ksoe-Direktor. Diese Aussage sei jedoch nicht mit einer "Äquidistanz" oder "Neutralität" gegenüber allen politischen Kräften und deren inhaltlichen Positionen zu verwechseln. Vielmehr stellt das Manifest laut Schlagnitweit klar, dass die Kirche nur mit jenen politischen Kräften kooperieren kann, die die Grundprinzipien von Freiheit und Würde aller Menschen respektieren.
So stünden insbesondere rechts-populistische und nationalistische Positionen, wie sie häufig von der FPÖ vertreten werden, im Widerspruch zu den kirchlichen Werten. Schlagnitweit betont, dass die Kirche nicht gegenüber Inhalten schweigen dürfe, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Ethnie oder anderen Faktoren diskriminieren. Die Kirche müsse deutliche Positionen einnehmen, wenn es um die Verteidigung der Freiheit und Würde aller Menschen geht, so der Autor.
Quelle: kathpress