Vatikan erkennt Marienverehrung in Medjugorje offiziell an
Der Vatikan hat die Marienverehrungen im bosnischen Wallfahrtsort Medjugorje offiziell genehmigt. Dies geht aus einem Dokument ("Nota") mit dem Titel "Die Königin des Friedens - Über die geistliche Erfahrung im Zusammenhang mit Medjugorje" hervor, das der Vatikan am Donnerstag veröffentlichte und bei einer Pressekonferenz in Rom vorstellte. Die Nota äußert sich nicht zur Übernatürlichkeit, also Echtheit der Erscheinungen, formuliert aber ein insgesamt positives Urteil über die Botschaften, wenn auch mit einigen Klarstellungen.
Das vom Papst am 28. August genehmigte Dokument wurde vom Präfekten des vatikanischen Glaubensdikasteriums, Kardinal Victor Fernandez, unterzeichnet. Aus der Nota geht hervor, dass mit dem "Nihil obstat" zu Medjugorje nicht alle Berichte über angebliche Marienerscheinungen und Botschaften der Muttergottes an die mutmaßlichen Seher als authentisch anerkannt werden.
"Obwohl dies keine Erklärung des übernatürlichen Charakters des fraglichen Phänomens bedeutet, (...) zeigt das Nihil obstat an, dass sie durch dieses geistliche Angebot einen positiven Ansporn für ihr christliches Leben erhalten können, und erlaubt die öffentliche Verehrung. Eine solche Bestimmung ist insofern möglich, als festgestellt werden kann, dass inmitten einer geistlichen Erfahrung viele positive Früchte aufgetreten sind und sich keine negativen oder riskanten Auswirkungen im Volk Gottes verbreitet haben."
Zu dem Wallfahrtsort in Bosnien-Herzegowina, rund 100 Kilometer südwestlich von Sarajewo, pilgern seit Anfang der 1980er Jahre viele Millionen Menschen, weil dort die Jungfrau Maria einigen Jugendlichen erschienen sein soll. Die bis heute anhaltenden Berichte zu den Erscheinungen wurden vom Vatikan mehrmals untersucht, zu einer Anerkennung kam es jedoch nicht.
Differenzierte Betrachtung
"Es ist an der Zeit, eine lange und komplexe Geschichte rund um die geistlichen Phänomene von Medjugorje abzuschließen." Mit diesen Worten beginnt die offizielle Stellungnahme des Glaubensdikasteriums, mit der die Marienverehrung in dem Wallfahrtsort als authentisch anerkannt wird. Zugleich werden die Berichte der mutmaßlichen Seher aus den vergangenen 42 Jahren differenziert bewertet und in Teilen kritisiert. Auch deren Lebenswandel wird ausdrücklich von der Beurteilung ausgenommen. Nach Medienberichten sollen einige von ihnen von den Pilgerfahrten nach Medjugorje wirtschaftlich profitiert haben.
Dazu heißt es in dem Dokument: "Bestimmte Botschaften weisen - nach der Meinung einiger - Widersprüche auf oder stehen in Zusammenhang mit Wünschen bzw. Interessen der mutmaßlichen Seher oder anderer Menschen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies bei einigen wenigen Botschaften der Fall sein mag."
Positive Effekte ausschlaggebend
Für die Beurteilung der Ereignisse rund um Medjugorje hat die Glaubensbehörde vor allem das Vorhandensein positiver seelsorgerischer Effekte und eine differenzierende Analyse der mutmaßlichen Marienbotschaften zugrundegelegt. Zu den positiven Effekten (theologisch gesprochen: den "Früchten") zählt die Behörde die "große und wachsende Zahl von Anhängern in der ganzen Welt und die zahlreichen Menschen unterschiedlichster Herkunft, die dorthin pilgern".
Und weiter: "Die positiven Früchte zeigen sich vor allem in der Förderung einer gesunden Glaubenspraxis." Dies betreffe im Zusammenhang mit Medjugorje sowohl diejenigen, "die dem Glauben fernstanden, als auch diejenigen, die den Glauben bis dahin nur oberflächlich praktiziert hatten. Die Besonderheit des Ortes besteht in einer großen Anzahl solcher Früchte: die vielen Bekehrungen, die häufige Rückkehr zu den Sakramenten (Eucharistie und Beichte), die zahlreichen Berufungen zum Priester- und Ordensleben wie auch zur Ehe, die Vertiefung des Glaubenslebens, ein intensiveres Gebetsleben, zahlreiche Versöhnungen zwischen Eheleuten und Erneuerung des Ehe- und Familienlebens."
Lange innerkirchliche Debatten
Die Nota "Königin des Friedens" soll jahrzehntelange innerkirchliche Debatten und Untersuchungen rund um Medjugorje beenden. Unter anderem hatte es in Bosnien-Herzegowina Streit zwischen örtlichen Bischöfen und den Franziskanern gegeben, die in der Pilgerseelsorge vor Ort eine zentrale Rolle spielen.
Ferner war die Rolle der mutmaßlichen Seher umstritten, die zum Teil über sehr detaillierte Botschaften der Muttergottes berichteten und diese zur Einmischung in politische und kirchenpolitische Debatten zu nutzen versuchten. "Die Botschaften dürfen nicht als lehramtliche Inhalte interpretiert werden, es gilt, ihren Kern zu begreifen", erklärte dazu Glaubenspräfekt Kardinal Fernandez am Freitag bei der Vorstellung des Dokuments.
Es gebe "viele Bekehrungen" von Menschen, die in Medjugorje den Glauben entdeckt oder wiederentdeckt hätten, eine Vertiefung des Glaubenslebens und zahlreiche Berufungen zum Priester- und Ordensleben wie auch zur Ehe, heißt es in der "Nota". Ausdrücklich erwähnt das Dokument, "dass diese Erfahrungen hauptsächlich im Rahmen der Pilgerfahrt zu den Orten der ursprünglichen Ereignisse stattfinden und nicht so sehr während der Begegnungen mit den 'Sehern', wenn es darum geht, den mutmaßlichen Erscheinungen beizuwohnen".
Die Pfarre des kleinen herzegowinischen Dorfes sei ein Ort der Anbetung, des Gebets, der geistlichen Seminare, der Exerzitien, der Jugendtreffen, und scheine, "dass die Menschen eher nach Medjugorje kommen, um ihren Glauben zu erneuern, als wegen konkreter Anliegen". Sogar die Anwesenheit von Gruppen orthodoxer Christen und von Muslimen sei festzustellen.
Seit Mai neue Normen des Vatikan
Die nunmehrige Entscheidung zu Medjugorje basiert auf Mitte Mai 2024 von der vatikanischen Glaubensbehörde veröffentlichten neuen allgemeine "Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene". Sie sollen Ortsbischöfen helfen, mutmaßliche Marienerscheinungen und andere Phänomene besser einzuordnen.
Nach den neuen Leitlinien muss nicht mehr kirchenamtlich entschieden werden, ob eine Erscheinung ein übernatürliches Phänomen ist oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob die religiöse Praxis an einem Erscheinungsort vom seelsorgerischen Standpunkt her zu befürworten ist. Insgesamt sechs Einstufungen sind möglich. Sie reichen vom "nihil obstat" über "weiter beobachten" (lateinisch: pro oculis habeatur), eine kommissarische Beschlagnahme (sub mandato) bis zum Verbot (prohibetur).
(Wortlaut der Note über die geistliche Erfahrung im Zusammenhang mit Medjugorje, in deutscher Übersetzung: https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_ddf_doc_20240919_nota-esperienza-medjugorje_ge.html)
Quelle: kathpress