Bischof Glettler fordert mehr Engagement für den Nahen Osten
Mehr Engagement von Kirche und Politik für den Nahen Osten hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler eingemahnt. Glettler eröffnete am Montag die diesjährige Jahrestagung der "Initiative Christlicher Orient" (ICO) in Salzburg, die diesmal besonders den Irak im Fokus hat. Bischof Glettler hat im Sommer 2023 mit einer ICO-Delegation den Nordirak besuchte. Er erinnerte in seinem Grußwort an viele herzliche Begegnungen und beeindruckenden Glaubenszeugnisse der irakischen Christen. Zugleich sei es ernüchternd gewesen, über die schwierige Situation der Minderheiten vor Ort, egal ob Christen oder etwa Jesiden, zu erfahren.
Besonders die Minderheiten hätten ein schweres Schicksal zu tragen. Viele würden keine adäquaten Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten vor Ort vorfinden und deshalb auswandern. Damit vollziehe sich schleichend ein "enormer Kulturverlust und eine geistige Verarmung der Region, wo doch das Christentum eine nahezu 2.000-jährige Geschichte hat". Vor allem werde der Verlust im Bildungsbereich und bei der Bewältigung der vielen sozialen Aufgaben zu spüren sein, warnte Glettler.
Nachhaltig beeindruckt habe ihn der Besuch im Flüchtlingscamp Dawidiya, in dem noch 3.500 Jesiden untergebracht sind: "Viele von ihnen, vor allem Frauen und Kinder, sind schwer traumatisiert." Leider fehle es an internationaler Unterstützung. Er sei deshalb der ICO dankbar, "dass diese besondere Minderheit bei den diversen Hilfsinitiativen nicht vergessen wird", so der Innsbrucker Bischof.
Im Blick auf die Christen im Nahen Osten stehe auch die Kirche im Westen aus dem Prüfstand. Es brauche über Grenzen hinaus glaubwürdige Weggemeinschaften, so Bischof Glettler. Er würde sich auch wünschen, dass Pfarren in Österreich Partnerschaften mit Pfarren im Irak eingehen.
ICO-Obmann Slawomir Dadas plädierte in seiner Begrüßung ebenfalls für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Nahen Osten. "Dauert es noch lange, bis die europäischen Politiker und Banken verstehen, dass Spenden für diese Region nicht der Finanzierung des Terrorismus dienen, sondern humanitäre und seelsorgliche Hilfe für Menschen in Not vor Ort ermöglichen und dem Aufbau einer friedlichen Gesellschaft dienen?", so Dadas.
Betroffen zeigte sich der ICO-Obmann, dass drei Referenten aus dem Nordirak nicht zur Tagung kommen konnten, da sie keine Visa der österreichischen Behörden bekamen. Ein Generalverdacht gegen die gesamte Region und ihre Bewohner sei fehl am Platz. Es brauche eine fundierte und differenzierte Auseinandersetzung, sagte Dadas. Diesem Ziel diene auch die diesjährige Tagung.
Die Tagung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil steht unter dem Generalthema "Irak - Quo vadis?" Der einzige christliche Minister in der Regierung der Autonomen Region Kurdistan, Ano Jahwar Abdoka, wird den Hauptvortrag halten und über die Situation der Christen im Irak berichten. Abdoka ist auch Präsident der Christlichen Allianz, ein Zusammenschluss verschiedener christlicher Parteien und Organisationen.
Weitere Vortragende sind der deutsche Irak-Experte David Müller, P. Jens Petzold, der als Mönch in der nordirakischen Stadt Sulaimaniyya lebt und das örtliche Marienkloster revitalisiert hat, sowie der österreichische Orient-Experte Thomas Schmidinger, der derzeit in der nordirakischen Stadt Erbil forscht und lehrt. Mit dabei sind auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner und Weihbischof Hansjörg Hofer. (Infos: www.christlicher-orient.at)
Quelle: kathpress