Partei-Spitzen bekennen sich zu respektvollem Umgang
"Als christlich-sozialer Politiker und gläubiger Mensch sehe ich es als meine Pflicht, immer respektvoll in Ton und Umgang zu bleiben und die Nächstenliebe zu leben": Das antwortete Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf die Frage des Pfarrblattes der Wiener Dompfarre St. Stephan an die Spitzenkandidaten der aktuellen Parlamentsklubs, "was für sie Respekt im Alltag und im politischen Leben bedeutet". Bekenntnisse zur Achtung gegenüber Andersdenkenden, zur Solidarität und zum fairen Dialog auf Augenhöhe legten dabei auch Vizekanzler Werner Kogler und die Parteivorsitzenden Andreas Babler (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) ab.
Den Satz "Respektvoll miteinander umgehen bedeutet für mich ..." setzte Kanzler Nehammer mit dem Hinweis auf die Verpflichtung aller fort, "nicht nur die Politikerin oder den Politiker, sondern auch den Menschen auf der anderen Seite der Debatte zu sehen". Zu oft werde genau das vergessen. Nicht umsonst würden die meisten Menschen von der Politik einfordern, "persönliche Angriffe zu unterlassen und mehr Miteinander statt Gegeneinander zu suchen", so Nehammer.
Nach Jahren der Krise und der Verunsicherung durch internationale Konflikte lebe man in Österreich heute "in einer besonders aufgeheizten Zeit", räumte der Bundeskanzler ein. Er sei aber zuversichtlich, dass sich mit einer Beruhigung der weltpolitischen Lage und einem wirtschaftlichen Wiederaufschwung auch viele Konflikte in der Gesellschaft wieder lösen. Ihm liege es sehr am Herzen, "dass wir in unseren Debatten - trotz unterschiedlicher Auffassungen - stets sachlich und respektvoll miteinander umgehen", versicherte Nehammer. "Nur durch einen fairen und konstruktiven Austausch können wir die besten Ideen entwickeln und gemeinsam unser Land voranbringen."
Warnung vor Spaltern und Hetzern
In eine ähnliche Kerbe schlug Vizekanzler Kogler: "Was Österreich groß gemacht hat", sei "Stärke durch Zusammenhalt statt Schwäche durch Spaltung". Politische Debatte sei gut und wichtig in einer Demokratie: Meinungen sollen vertreten, ausgetauscht und auch verteidigt werden. "Wenn allerdings berechtigte Sorgen und Ängste durch respektlose Spalter und Hetzer verstärkt und verschlimmert werden - nur um politisches Kapital daraus zu schöpfen und Menschen weiter auseinander zu treiben -, dann müssen wir Demokratinnen und Demokraten dagegen auftreten", betonte der Grünen-Chef.
Er sei davon überzeugt, dass eine "Welt des Miteinanders" gerade heute dringend gebraucht werde. Man müsse "das, was uns eint, suchen und das, was uns trennt, so behandeln, dass es uns nicht unversöhnlich zurücklässt". Gerade in einem Wahljahr ist es laut Kogler wichtig, aufmerksam zu bleiben und achtsam miteinander umzugehen. "Suchen wir das Gemeinsame!", so sein Appell. "Ich bin mir sicher, es gibt mehr, das uns eint, als uns vielleicht bewusst ist."
Solidarität und Nächstenliebe
SPÖ-Vorsitzender Babler forderte Respekt dafür ein, "allen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, ein offenes Ohr zu haben für ihre Probleme und Sorgen, für Anregungen und auch für andere Meinungen". Menschen seien keine Bittsteller, sondern hätten Rechte - etwa als Arbeitnehmerinnen auf faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen, auf ein leistbares Leben, auf sichere Pensionen oder im Kindesalter auf beste Bildung und ein Aufwachsen ohne finanzielle Sorgen.
Wer Menschen nicht schätze, werde seiner politischen Verantwortung nicht gerecht, so Babler. "Darum engagiere ich mich für eine Politik, die auf Solidarität setzt - auf Nächstenliebe." Im Grunde sei "das, was wir Sozialdemokraten Solidarität nennen, für Christen die Nächstenliebe". Beides meine dasselbe: "eine Wertegemeinschaft des Respekts und des Austauschs auf Augenhöhe".
Gemeinsames kommt oft zu kurz
In den vergangenen Jahren komme "ein Grundelement der Politik" oftmals zu kurz, beklagte Neos-Chefin Meinl-Reisinger in ihrer Antwort: "Das Gemeinsame und damit auch die Fähigkeit, um Lösungen zu ringen und schlussendlich im Interesse der Menschen zu liefern." Auch die einzige Frau unter den Befragten der Spitzenpolitik bekannte sich zum Respekt als "Grundlage jeder menschlichen Interaktion, sei es im persönlichen Umfeld oder im politischen Diskurs", und zu Begegnungen "auf Augenhöhe". Dies bedeute, "auch in hitzigen Diskussionen fair und sachlich zu bleiben und den anderen als Menschen zu respektieren, selbst wenn man inhaltlich stark voneinander abweicht", so Meinl-Reisinger.
Politik lebe von Diskussion, von unterschiedlichen Meinungen und von Wettbewerb. Ihr Podcast, in dem sie "regelmäßig mit teils andersdenkenden Gästen spreche", sei ein Versuch, respektvollen Dialog zu fördern. Die Neos-Parteivorsitzende zeigte sich überzeugt, "dass wir durch den Austausch von Ideen und Argumenten zu besseren Lösungen kommen können".
Ehrlichkeit statt "Pseudoharmonie"
Vom "Umgang auf Augenhöhe" und einem "gewissen Maß an unvoreingenommener Grundwertschätzung" für andere sprach auch FPÖ-Spitzenkandidat Kickl. "Hinzuhören", die Meinungen und Gedanken der Menschen zu achten und offen zu sein für ihre Anliegen, seien Haltungen, "die mir große Freude bereiten und mich auch weiterbringen".
Freilich: Ein respektvoller Umgang miteinander ist für Kickl aber nicht immer nur "Friede, Freude, Waschtrog", sondern er verpflichte nachgerade dazu - ob im privaten Umfeld oder in der politischen Auseinandersetzung -, "Ehrlichkeit zu leben und auch Dinge anzusprechen, die möglicherweise unangenehm sind". In einer ehrlichen, hart geführten Auseinandersetzung schwingt für den Oppositionspolitiker "mehr Respekt für das Gegenüber mit als in einer Pseudoharmonie".
Quelle: kathpress