Maria Namen-Feier: Aufruf zu neuem Lebensstil und Gebet um Frieden
Im Zeichen des Gebets um Frieden in der Ukraine, im Nahen Osten und auf der ganzen Welt sowie um einen neuen achtsamen Umgang mit der Schöpfung stand die diesjährige Maria Namen-Feier am Samstagnachmittag im Wiener Stephansdom. Der traditionsreichen Glaubensfeier stand der Wiener Weihbischof Franz Scharl in Vertretung des erkrankten St. Pöltner Bischofs Alois Schwarz vor. Organisiert wird die Feier jedes Jahr von der Gebetsgemeinschaft "Rosenkranz-Sühnekreuzzug" (RSK).
Das Jubiläum "800 Jahre Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi" war Anlass für das diesjährige Motto der Feier: "Gelobt seist du, mein Herr! Gottes Spuren in der Schöpfung". Der deutsche Franziskanerpater P. Johannes-Baptist Freyer rief in seinem Impulsvortrag zu einem Wandel des Lebensstils auf. An einem Tag, an dem Unwetter ungeahnten Ausmaßes Österreich heimsuchen, werde die Notwendigkeit zur Umkehr nur allzu deutlich, "sonst werden sich die Kräfte der Natur gegen den Menschen wenden". Der Sonnengesang des Hl. Franziskus biete wertvolle spirituelle Ressourcen für einen alternativen und einfacheren Lebensstil, zeigte sich P. Freyer überzeugt.
Der Sonnengesang entstand in den letzten Lebensjahren des Heiligen, die eigentlich wenig Anlass für einen Lobpreis boten. Franziskus war schwer krank, fast erblindet, zugleich musste er Konflikte in seiner Heimatstadt Assisi miterleben. Und trotzdem: Gerade auf diesem Hintergrund besinge Franziskus die Schönheit und Fröhlichkeit der Schöpfung und hebe die Geschwisterlichkeit aller Geschöpfe hervor. Freyer: "Die Geschöpfe schenken sich dem Menschen als Geschwister, ohne sie ist er nicht lebensfähig". Und die rechte Antworte des Menschen darauf sei Lob und Dank bzw. "ein verantwortungsbewusstes Umgehen mit der Schöpfung und ein friedvolles Handeln".
Franziskus habe nicht den Nutzen der Geschöpfe im Blick, sondern deren Eigenwert. Der Sonnengesang fordere auf, "dem Leben auf den Grund zu gehen, sich in den Dienst des Leben zu stellen und es zu schützen und zu fördern".
Dem "Wahn konsumorientierter Wachstumsmodelle", die letztlich zu einem Rückgang von wirtschaftlichem und sozialem Wohlstand führen, stellte Freyer Werte wie Geschwisterlichkeit, Solidarität, Vergebung und Versöhnung sowie Dankbarkeit gegenüber der Schöpfung entgegen. Das seien Werte, die die Zukunft des Menschen und der Schöpfung gewährleisten würden. Das Gemeinwohl müsse im Mittelpunkt stehen.
Freyer rief mit Blick auf den Sonnengesang auch eindringlich zu Versöhnung und Barmherzigkeit als Voraussetzungen für einen dauerhaften und wahren Frieden. Versöhnungsbereitschaft "holt den Schwächeren und Unterdrückten in die volle gleichwertige Lebensfülle".
Und wenn Franziskus im Sonnengesang auch noch den Tod und Krankheit preise, dann wolle er durchaus, dass den Kranken jede nur mögliche Hilfe zuteilwird. Zugleich sehe er Krankheit aber auch als Teil des Lebens und Chance zum Wachsen. Und auch der Tod gehöre für Franziskus zum Leben. Dieser könne Liebe und Zugehörigkeit nicht zerstören. Schlimmer als der Tod seien für Franziskus Selbstsucht und fehlende Liebe.
P. Freyer ist Referent für franziskanische Grundsatzfragen an der Missionszentrale der Franziskaner in Bonn. Bevor er in den Orden eintrat, arbeitete er in einer Bank.
Botschaft des Kreuzes
Eingangs der Maria Namen-Feier stellte P. Oliver Ruggenthaler, Guardian des Wiener Franziskanerklosters, den neuen Geistlichen Assistent des RSK, P. Elias van Haaren, vor. Der Franziskaner hat die Nachfolge des 2023 verstorbenen P. Benno Mikocki angetreten.
In seiner Predigt beim Gottesdienst stellte P. van Haaren das Kreuz in den Mittelpunkt seiner Gedanken. (Am 14. September wird in der Katholischen Kirche und vielen anderen Kirchen das Fest der Kreuzerhöhung begangen.) Viele Menschen wollten das Kreuz nicht mehr sehen, sei es aus politischer, ideologischer oder sonstiger Abneigung oder auch aus Gleichgültigkeit. Doch wer das Kreuz nicht mehr sieht, der verrohe mit der Zeit und verliere seine Menschlichkeit, zeigte sich der Franziskaner überzeugt. Denn das Kreuz stehe für die Zuwendung zu den Schwachen und allen, die am Rand stehen, und es stehe für Vergebung. Van Haaren: "Vergebung ist das Heilmittel für die Familien, für die Kirche, für die Welt. Wir alle brauchen Vergebung und wir müssen einander vergeben. Nur so ist Friede möglich."
Van Haaren ist seit 1996 Mitglied des RSK. Im gleichen Jahr trat er in den Franziskanerorden ein. Seit 2011 ist van Haaren Generalkommissar des Hl. Landes der Franziskaner in Wien.
Am Ende des Gottesdienstes gratulierte van Haaren der RSK-Vorsitzenden Traude Gallhofer sehr herzlich zum 80. Geburtstag und dankte für ihr jahrzehntelanges Engagement für die Gebetsgemeinschaft.
Abgeschlossen wurde die Feier mit der traditionellen Prozession mit der Fatimastatue im Dom. Die Statue wurde von Gardesoldaten getragen. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von "Ars Musica" und dem Chor von St. Augustin unter der Leitung von Thomas Dolezal und Peter Tiefengraber. Musikalisch stand heuer auch der 200. Geburtstags von Anton Bruckner im Mittelpunkt.
Beten für Freiheit und Friede
Die RSK wurde 1947 unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs gegründet. 2022 wurde das 75-jährige Bestehen als großes Jubiläumsjahr begangen. Die Wiener Maria Namen-Feier geht ursprünglich aus der Dankesfeier für die Befreiung der österreichischen Hauptstadt von der Türkengefahr hervor und hat sich in den vergangenen 70 Jahren zu einem Friedensgebet gewandelt, das jährlich begangen wird. Dabei hat besonders die Prozession historische Bezüge: Als sich die vereinigten christlichen Heere gegen die zweite Wiener Türkenbelagerung formierten, wurde die Schutzmantelmadonna vorangetragen.
Die Prozession erinnert auch an die großen Bittumzüge über den Wiener Ring, die der RSK organisierte und dabei zum Gebet für die Freiheit des nach dem Krieg besetzten Landes aufrief. Ab 1958 war die Wiener Stadthalle Veranstaltungsort für die Tausenden Mitfeiernden, sowie schließlich ab 2011 der Stephansdom.
Der Gebetsgemeinschaft sind seit ihrer Gründung rund 2,3 Millionen Gläubige aus mehr als 130 Ländern beigetreten; heute hat sie um die 300.000 Beterinnen und Beter. Wichtigstes Kommunikationsinstrument des RSK ist die Zeitschrift "Betendes Gottes Volk".
Das Fest der Namensgebung der Jungfrau Maria wurde von Papst Innozenz XI. (1676-1689) zu Ehren des heiligen Namens der Mutter Jesu festgesetzt. Papst Pius X. verlegte es dann auf den "Siegestag" der Schlacht auf dem Wiener Kahlenberg während der Türkenbelagerung von 1683, den 12. September. Als das Fest wegen der Doppelung zum Fest Mariä Geburt am 8. September aus dem katholischen Festkalender gestrichen wurde, blieb es in Österreich wegen der historischen Verwurzelung weiterhin bestehen. (Infos: www.rsk-ma.at)
Quelle: kathpress