Tauber-Gedenken: Warnung vor autoritären politischen Tendenzen
Der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist hat anlässlich des Gedenkens an Caspar Tauber vor aktuellen autoritären Tendenzen in Politik und Gesellschaft gewarnt. Das Glaubens- und Lebenszeugnis des vor 500 Jahren in Wien hingerichteten evangelischen Tuchhändlers Caspar Tauber sollte auch für heute eine dringliche Warnung sein, so Geist in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche".
Der am 19. September 1524 als "Ketzer" enthauptete Tauber war der wohl erste evangelisch-lutherische Märtyrer auf österreichischem Boden. Er stammte aus Südmähren und lebte seit 1511 in Wien. Geist: "In Achtung vor Gott und Mensch gelten Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit als hohes Gut. Dies sollte nie mehr auf ein leichtes Spiel gesetzt werden - in den autoritären Ansagen unserer Zeit zur Mahnung."
Wenn in diesen Tagen an vier Orten Wiens der Person und der Haltung dieses Mannes gedacht wird, sei dies kein Zeichen einer Aufrechnung von Geschichte, so Geist: "Es geht nicht darum, Parteien und Streitgenossen von damals in heutiger Zeit neu zu identifizieren. Vielmehr reflektiert dieser Schritt eines Gedenkens die längst vollzogene Aussöhnung mit vergangenen Machtverhältnissen im Bewusstsein so mancher Aktualität."
Die Gastfreundschaft des Domkapitels von St. Stephan unterstreiche die "vielschichtigen und engen Beziehungen der katholischen und der evangelischen Kirche in Wien". Das Grußwort von Kardinal Christoph Schönborn sei mehr als eine Geste, "vielmehr wahrhaftiger Ausdruck ökumenischer Verbundenheit". Und die politische Verantwortung der Stadt Wien sehe in der Einrichtung des "Rats der Religionen" einen wesentlichen Auftrag im friedenspolitischen Diskurs einer Weltstadt.
Kardinal Christoph Schönborn betont in seinem Grußwort zum Gedenken die Bedeutung von Taubers Glaubenszeugnis für das heutige ökumenische Miteinander: "Dass wir heute als Protestanten und Katholiken gemeinsam, Seite an Seite, an das beeindruckende Glaubenszeugnis Caspar Taubers erinnern können, erfüllt mich mit Respekt, Scham und tiefer Dankbarkeit."
Gottesdienste und stilles Gedenken
Die evangelische Kirche gedenkt am Sonntag des Hingerichteten bzw. der Ereignisse vor 500 Jahren. Am Sonntag, 15. September, findet um 10 Uhr in der Lutherischen Stadtkirche ein Gedenkgottesdienst statt, der von Pfarrer Johannes Modeß und Superintendent Geist gemeinsam geleitet wird. Anschließend wird um 13 Uhr in der Unterkirche des Stephansdoms der renommierte Kirchengeschichtler Rudolf Leeb einen Vortrag halten. Im Fokus steht dabei die Wirkung von Tauber und dessen Schriften. Um 15 Uhr findet ein stilles Gedenken mit Kranzniederlegung an der Richtstätte im Weißgerberviertel statt, wo Tauber in Erdberg hingerichtet wurde (Gänseweide, DDSG-Pavillon, 1030 Wien, gegenüber Obere Weißgerberlände 28). Um 17 Uhr wird in der Pauluskirche ein Theatergottesdienst unter der Leitung von Pfarrerin Elke Petri und Friederike von Krosigk die Gedanken evangelischer Märtyrer auf künstlerische Weise in Szene setzen.
Der Höhepunkt der Gedenkfeierlichkeiten folgt am 500. Todestag, dem 17. September, um 19 Uhr. Dabei wir Schauspieler Helmut Schuster im Albert-Schweitzer-Haus den "inneren Monolog" Taubers inszenieren. Im Anschluss gibt der Präsident des Landesgerichts für Strafsachen Wien, Friedrich Forsthuber, eine historische Einordnung der damaligen Rechtsprozesse und diskutiert den Stellenwert der Glaubens- und Meinungsfreiheit heute.
Quelle: kathpress