Ordensmann und Schulexperte: "Bildung ist Menschwerdung"
Für Schulreformen, die die Persönlichkeitsbildung und Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler fördern, plädiert der Ordensmann und pensionierte Schuldirektor P. Ferdinand Karer in der aktuellen Folge des Ordens-Podcasts "Orden on air". Der Ordensmann der Oblaten des hl. Franz von Sales war 35 Jahre lang am Gymnasium Dachsberg in Oberösterreich als Lehrer tätig, 22 Jahre davon als Direktor. Im Podcast erläutert er, weshalb es an "seiner Schule" keine Standard-50-Minuten-Einheiten mehr gibt, wie das Projekt "Handy-Fasten" erfolgreich umgesetzt wurde und warum er die Weihe von Frauen zu Priesterinnen für dringend notwendig hält.
"Es geht immer um den Menschen, nie um die Sache. Wir müssen die jungen Menschen mit ihren Geschichten ernst nehmen, denn: Bildung ist Menschwerdung", so der Ordensmann und Pädagoge: "Man kann der Jugend ganz viel mitgeben, wenn man sie ernst nimmt."
Das Gymnasium Dachsberg liegt im Hausruckviertel in Oberösterreich. Die Schule wurde 1921 vom Orden der Oblaten des hl. Franz von Sales gegründet, damals noch als ein Unterstufengymnasium mit Internat und rund 80 bis 100 Schülern - ausschließlich Burschen. Ende der 1970er Jahre folgte der Schritt zum Vollgymnasium und 1981 wurden erstmals Mädchen und externe Schüler und Schülerinnen aufgenommen. "Das war die beste Entscheidung, die der Orden damals getroffen hat", so P. Karer. Im vergangenen Schuljahr besuchten exakt 900 Schülerinnen und Schüler die Schule.
Gleichberechtigung sei für ihn sehr wichtig - und das in allen Bereichen des Lebens - in der Schule, im Beruf und natürlich auch in der Kirche. "Es ist peinlich, dass Frauen immer noch nicht geweiht werden. Es ist höchste Zeit und es ist, meiner Meinung nach, diskriminierend was hier die Kirche macht", sagt er.
Der moderne Holzbau des Gymnasiums ist erst vor wenigen Jahren fertiggestellt worden. Ein Tischfußball-, ein Billard- und ein Airhockey-Tisch, eine Kletterwand und einige modern gestaltete Rückzugsräume wurden dabei auch integriert. Den Airhockey-Tisch hätten sich die Schüler bei der Fastenaktion verdient: 40 Tage kamen Lehrer und Schüler ohne Handy in die Schule. Was anfangs unmöglich schien, habe doch geklappt, erzählt P. Karer.
Er habe in seiner Zeit als Direktor immer wieder Dinge ausprobiert und geschaut, wo sich Gestaltungsräume öffnen. Eine Aussage des Ordensgründers Franz von Sales begleitet ihn seit vielen Jahren: "Die Freiheit ist der kostbarste Teil des Menschen".
Im Gymnasium Dachsberg gebe es drei lange Einheiten mit je 70 Minuten und dazwischen gebe es "Flexzeiten". Das sind 45-Minuten-Einheiten, wo die Schüler selbst entscheiden, was sie noch vertiefen möchten. Dieses Modell werde auch den unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten gerecht, so P. Karer. Die pädagogische Hochschule OÖ begleitete das unkonventionelle Zeitmodell wissenschaftlich. "Die Evaluierung hat gezeigt, dass wir da einen sehr mutigen, aber sehr richtigen Schritt gegangen sind", freute sich der Ordensmann.
Ein weiteres Highlight im Gymnasium Dachsberg sind die jährlichen Theater- und Musicalaufführungen. Rund 100 Schüler und zahlreiche Lehrer seien in die Produktion involviert - vom Libretto über Musik, Bühnenbild und Kostüme sei alles "Made in Dachsberg". Karer: "Wenn es nach mir ginge, müsste man Bühnenspiel als Pflichtgegenstand einführen." Im Bühnenspiel passiere ganz viel Persönlichkeitsentwicklung. Das soziale Verhalten wird in besonderer Weise geschult, denn jeder stellt seine Arbeit in den Dienst einer größeren Sache. Es entsteht eine eingeschworene Gruppe von den Erstklässlern bis zu den Maturanten und natürlich auch den Lehrkräften.
Beim Eingang der Schule steht in großen Lettern: "Seid Rebellen des Friedens und beginnt eine Revolution des Mitgefühls!" - ein Zitat des 14. Dalai Lama. Karer: "Es geht in unserem Leben um ein großes Maß an Herzlichkeit und Barmherzigkeit. Wir brauchen nicht perfekte Menschen, wir brauchen Menschen, die ein Herz haben. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir in Frieden leben können. Rebellion für den Frieden bedeutet, dass ich ein Übermaß an Herzlichkeit in meinen Tag einbringe." Genau diese menschlichen Werte zu vermitteln, sei Aufgabe einer Ordensschule.
Der Podcast "Orden on air" der Ordensgemeinschaften Österreich ist auf allen größeren Audioplattformen zu finden. (Infos: www.ordensgemeinschaften.at)
Quelle: kathpress