Weltsuizidpräventionstag: Hilfseinrichtungen setzen auf Gespräche
Anlässlich des Weltsuizidpräventionstags am 10. September haben Länder, Kirche und Caritas in Österreich auf ihre Beratungsangebote aufmerksam gemacht. Ihr gemeinsamer Ansatz: Egal ob telefonisch oder online, Betroffenen soll niederschwellig und anonym geholfen werden, da es vielen schwerfällt, um Unterstützung zu bitten. Das Sprechen über Auswegslosigkeit und Verzweiflung sei auch für das Umfeld von suizidgefährdeten Menschen ein erster wichtiger Schritt, wie Barbara Lanzerstorfer-Holzner, Referentin der "TelefonSeelsorge OÖ-Notruf 142", bei einer Pressekonferenz in Linz erklärte. Gemäß dem heurigen Motto "Change the narrative - start the conversation" soll auch die Öffentlichkeit dazu angehalten werden, schambehaftete Themen wie Suizid, Altern und Sterben in den Fokus zu nehmen.
In einer Expertenrunde in Linz stand am Donnerstag das erhöhte Suizidrisiko älterer Menschen im Mittelpunkt. "Das Suizidrisiko steigt im Alter erheblich an und ist bei Menschen über 70 Jahren fast zweieinhalbmal und bei den über 85-Jährigen fünfmal so hoch wie in der Durchschnittsbevölkerung", informierte Thomas Kapitany, Facharzt für Psychiatrie und ärztlicher Leiter des Kriseninterventionszentrums Wien. Männer seien dabei besonders gefährdet.
Die Gründe für Suizid und Suizidgedanken älterer Menschen könnten vielfältig sein, so Lanzerstorfer-Holzner: "Der Tod des Partners oder der Partnerin, eine lebensbedrohliche und/oder chronische Erkrankung, ein immer löchriger werdendes soziales Netz, der Verlust von Vitalität und Mobilität, die Angst davor, nicht mehr selbstbestimmt handeln zu können." Problematisch sei auch die gesellschaftliche Sicht auf das Alter: "Derzeit wird Jugendlichkeit geradezu gehypt", so die Telefonseelsorge-Expertin. Das führe dazu, dass die Menschen lange jung bleiben wollen und ihr Alter verdrängen. Machten sich dann Alterserscheinungen bemerkbar, könne das ebenfalls zu Krisen führen.
Kapitany nahm das Sterbeverfügungsgesetz kritisch in den Blick. "Wir müssen als Gesellschaft das Sterben und den Tod ins Gespräch bringen, damit chronisch Kranke nicht glauben, dass assistierter Suizid die einzige Möglichkeit ist, dem Umfeld nicht zur Last zu fallen."
Hilfe für Angehörige
"Bei vielen Angehörigen und Freunden löst das Thema Suizid zunächst Beklemmung und Stress aus", sagte Klemens Hafner-Hanner, Leiter des Teams Familienberatung in der Diözese Linz und Berater der Familienberatungsstelle "Beziehungleben". Angehörige fühlten sich überfordert, wollten das Richtige tun, wüssten aber nicht , was hilfreich sei, fasste Hafner-Hanner das Dilemma zusammen.
Die Sorge des Umfelds, dass der Suizidgedanke verstärkt wird, wenn man das Thema anspricht, sei unbegründet, versicherte Lanzerstorfer-Holzner: "Menschen, die einen Suizidversuch unternommen haben, berichten später häufig, dass es rettend gewesen wäre, wenn jemand ihre Verzweiflung wahrgenommen und sie gefragt hätte, wie es ihnen geht." Menschen mit Suizidgedanken wollten meist nicht sterben, sondern nicht so weiterleben wie bisher und suchten nach Lösungen und Auswegen.
Beratung via Chat, Mail oder Telefon
Die Telefonseelsorge Salzburg und ihre speziell für Kinder eingerichtete "kids-line" setzt verstärkt auf Online-Beratung. Unter dem Motto "Sprich's dir von der Seele" können Suizidgedanken und wichtige Themen mit geschultem Personal über Telefon, Chat und Mail besprochen werden. "Das ist eine wichtige Information, da sich viele Menschen leichter damit tun, ihre Gefühle und Gedanken schriftlich auszudrücken", sagte Gerhard Darmann, Leiter der Telefonseelsorge und "kids-line" Salzburg, gegenüber dem "Rupertusblatt" (aktuelle Ausgabe).
Die Caritas Kärnten hat ebenfalls ihre Online-Beratung aufgrund steigender Anfragen ausgebaut. Laut Barbara Ogris, Leiterin der Kärntner "TelefonSeelsorge" (TS), würden immer mehr junge Menschen mit Suizidgedanken kämpfen. "Seit Jahresbeginn wurden 690 Online-Beratungen durchgeführt, wobei Suizid neben den Themen Beziehung, Familie, soziales Umfeld und psychischen Erkrankungen das dritthäufigste Thema in den Chats und Mails war." Ogris appellierte, das Thema Suizid öffentlich anzusprechen, "um Hemmschwellen bei der Suche nach Hilfe abzubauen". Das "Da-Sein und offene Zuhören kann für viele schon äußerst entlastend sein".
Seit Mitte der 1980er-Jahre ist die Anzahl der Suizide in Österreich um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. 2023 starben laut Statistik Austria österreichweit 1.310 Menschen durch Suizid - inklusive 98 assistierten Suiziden. Internationale Studien gehen davon aus, dass die Zahl der Suizidversuche jene der tatsächlich durch Suizid verstorbenen Personen um das 10- bis 30-Fache übersteigt. In Österreich wurden Hilfsangebote für suizidgefährdete Menschen und ihre Angehörigen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich ausgebaut.
(S E R V I C E - Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr und gebührenfrei unter der Notrufnummer 142 erreichbar sowie unter www.telefonseelsorge.at. Spezielle Hilfe für Jugendliche bietet "Rat auf Draht", Notrufnummer 147. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Gesundheitsministerium unter www.suizid-praevention.gv.at)
Quelle: kathpress