Halik: Europas Kirche braucht "Auferstehungserfahrung"
Zu einer vom christlichen Glauben an die Auferstehung inspirierten, positiven Sichtweise der Kirche Europas hat der tschechische Religionsphilosoph Tomas Halik aufgerufen. Die Säkularisierung und der Zusammenbruch vieler Formen von Kirche seien mit dem Leiden, Sterben und Tod Christi am Karfreitag und Karsamstag zu vergleichen, könnten aber auch als richtiger Augenblick ("Kairos") sowie als "Geschenk, Prüfung und Herausforderung Gottes" umgedeutet werden, sagte Halik bei seinem Schlussvortrag des Treffens der europäischen Synodenteilnehmer in Linz am Samstag. Der "Eintritt in eine neue Epoche der Geschichte des Christentums" könne vor allem durch "synodale Erneuerung" möglich werden.
Durchaus riefen die gegenwärtigen Erfahrungen bei ihm auch Assoziationen zum biblischen Buch Hiob hervor, sagte der Theologe. Die Kirche werde von schlechten Nachrichten regelrecht heimgesucht, von einer Polarisierung der Meinung und "alten und neuen Sex- und Finanzskandalen" etwa. Hinzu kämen die Kirchenaustritte, der Rückgang der Gottesdienstbesucher oder der Zahl der Priester- und Ordensberufe.
In der Hiob-Geschichte hätten die Freunde den Propheten angesichts vieler Schreckensnachrichten getröstet und seien mit dem Schmerzgeplagten zunächst lange schweigend auf dem Boden gesessen. "Vielleicht hätten sie noch länger schweigen und zuhören sollen", bemerkte Halik. Stattdessen heiße es in der biblischen Erzählung, Hiob sei von ihnen mit theologischen Spekulationen und moralischen Belehrungen überhäuft worden. Den Freunden sei es wohl vor allem darum gegangen, eigene Gewissheiten und religiöse Annahmen zu schützen, so Halik.
Kultur des Zuhörens
Bei der Synode werde ein anderer Weg eingeschlagen, ganz konkret durch die Momente der Stille bei Arbeitssitzungen, die laut dem Prager Philosophen und Ordensmann "eine der wertvollsten Erfahrungen auf dem Weg zur Synode" seien. An der "Kultur des Zuhörens", die auch mutiges Anhören des nicht gerne Gehörten einschließe, müsse die Kirche nun weiterzubauen, durch die Schaffung von "Orten der Stille und des Nachdenkens" und für ein "Gespräch des Geistes". Auch die Treffen der synodalen Gruppen zählte Halik dazu; man sollte sie nicht bloß als "Wartezimmer für die bevorstehenden institutionellen Veränderungen durch höhere Instanzen" sehen.
Durchaus könne die von Papst Franziskus angestoßene Synode eine "Umwandlung von Mentalität und Strukturen - von Leib und Seele der Kirche" bewirken, so Halik weiter. Mehrere Prinzipien hätten sich in dem seit 2021 laufenden Prozess dabei als zukunftsweisend gezeigt. Mehr Dezentralisierung und Subsidiarität der Kirche sowie der Respekt vor Unterschieden gehörten dazu, weiters auch das Selbstverständnis der katholischen Einheit als "organische Einheit in der Vielfalt statt Uniformität und Konformität totalitärer Systeme". Mit als Universalität verstandener Katholizität, Offenheit, Ökumene und Widerstand gegen Selbstbezogenheit könne das Christentum ein Gegenteil zu den totalitären Tendenzen geschlossener Gesellschaften und sektiererischen Religionen darstellen.
Unbekannte Geschwister
Bei alldem wähnte Halik das Christentum in Europa in einer "paradoxen Situation": Christen seien heute eine "Minderheit in einer stark entkirchlichten Gesellschaft", die jedoch "fast zweitausend Jahre unauslöschlicher Erfahrung mit vielen Formen christlichen Glaubens" besitze. Europas Mutterkirche habe "viele uneingestandene Nachkommen und verlorene Söhne und Töchter", auch von "katholischen und protestantischen Atheisten".
Dies zu verstehen, ermögliche "überraschende Begegnungen mit unseren unbekannten Geschwistern", obwohl das Entdecken gemeinsamer Genealogie "für viele keine freudige Überraschung" sein werde, wie Halik weiter ausführte. Wer eine "synodale Einladung zu einem Familientreffen" wage, werde dabei vor allem auf Misstrauen stoßen. Trotzdem gelte es, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen - mit "Geduld und überzeugendem Zeugnis".
Gegenseitigkeit statt "Reconquista"
Wenn die Kirche Europa als Missionsgebiet sehe, so sei ein anderes Verständnis als einst bei der "Reconquista" oder von Nostalgie nach einer verlorenen Vergangenheit vonnöten, auch sei Mission im Kontext von Synodalität "keine einseitige Tätigkeit", betonte der Prager Theologe. Begleitung, Dialog, Respekt und gegenseitige Bereicherung sollten im Zentrum stehen, sei doch Begegnung mit Suchenden "eine Gelegenheit, Grenzen zu erweitern" und als Kirche neue Erfahrungen zu machen.
Quelle: kathpress