Theologe Halik: Synodalität keine bloße Nachbildung von Demokratie
Zum Ringen um "eine Kirche, die begleitet" und zur Verwandlung der ganzen Menschheitsfamilie in eine "Weggemeinschaft" beiträgt, ruft der Religionsphilosoph Thomas Halik auf. Die synodale Erneuerung der Kirche solle weder eine Nachbildung des demokratischen Systems im Sinne der Mehrheitsregel sein, noch der Art und des Zustands der Demokratie in der heutigen politischen Arena, sagte Halik am Donnerstag in Linz in seiner Einführung zum Arbeitstreffen der Europa-Delegierten zur kommenden zweiten Session der Weltsynode über Synodalität. "Vielmehr könnte das Prinzip der Synodalität eine Erneuerung der politischen Demokratie anregen, eine Pflege dessen, was der heutigen Demokratie fehlt und warum sie so anfällig für Populismus und die Anziehungskraft autoritärer Systeme ist", sagte Halik.
Die Vision des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) sei der Dialog zwischen Kirche und Welt, zwischen Kirchen, Religionen, Kulturen, Völkern und Zivilisationen gewesen. Heute aber reiche der Dialog als Beziehung zwischen getrennten Einheiten nicht mehr aus, da Zivilisationen und Religionen, Staaten und Nationen nicht mehr als getrennte Gebilde betrachtet werden könnten, gab Halik zu bedenken. Die Kirche müsse heute mehr als den Dialog in die Welt bringen, es gelte Beziehungen zueinander pflegen und mentale Grenzen zu überwinden, so Halik. Von Synodalität als gemeinsamen Weg müsse eine tiefere Gegenseitigkeit ausgehen: "Wir sind miteinander verbunden - und wir müssen den Weg dieser Verbindung verstehen, entwickeln und kultivieren. Es ist eine Herausforderung an und für alle und alle müssen eingeladen werden."
Entsprechend sei die synodale Erneuerung eine viel größere und anspruchsvollere Aufgabe als die einfache Umwandlung eines starren klerikalen Systems innerhalb der katholischen Kirche in ein Netz flexibler Kommunikation, hielt Halik fest. Es gehe auch um die Fähigkeit der Kirche, mit anderen Systemen in der Gesellschaft, mit anderen Kulturen und Religionen zu kommunizieren, so der Theologe: "Synodalität soll eine inspirierende Antwort auf die Frage sein, wie die Krise der Globalisierung überwunden werden kann, wie eine Zivilisation der technologischen, informationellen und wirtschaftlichen Verflechtung und gleichzeitig gefährlicher Spaltungen und Spannungen in eine Kultur des Zusammenlebens in Frieden und Gerechtigkeit verwandelt werden kann."
"Neue Wege, Kirche in der Welt zu sein"
Die synodale Reform müsse mehr sein als eine bloße Fortführung der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils, so Halik an anderer Stelle. "Sie soll Raum für die Mission der Kirche in einem postmodernen Zeitalter der radikalen Pluralität eröffnen." Papst Franziskus setze darauf, dass Synodalität zur dauerhaften Form der Kirche wird. Die synodale Entwicklung werde viele neue Wege des Christseins aufzeigen und "neue - jetzt unerwartete - Wege, Kirche in der Welt zu sein", verwies Halik auf entsprechende Worte des Papstes.
Einen bestimmten Zustand der Gesellschaft und der Kirche hingegen als endgültig, vollkommen und unveränderlich zu betrachten, würde bedeuten, der Versuchung des Triumphalismus zu erliegen, warnte Halik. Die Irrlehre des Triumphalismus werde dabei oft von Paternalismus, Klerikalismus, Fundamentalismus und Traditionalismus begleitet.
Neues Amt der geistlichen Begleitung
Die europäischen Weltsynoden-Teilnehmer rief Halik zudem auf, unrealistische Erwartungen an große institutionelle Veränderungen in der Kirche unmittelbar nach der Synodaltagung in Rom schon jetzt zu dämpfen. "Die synodale Reform der Kirche ist ein langer Weg", sagte der Religionsphilosoph. Gleichzeitig hielt er fest, dass das Arbeitspapier (Instrumentum Laboris) für die zweite Session der Weltsynode wichtige Anregungen liefere, die auch bereits reif für die Umsetzung seien.
"Neben dem bereits etablierten Dienst der Akolythen und Katecheten wird die Einrichtung weiterer Dienste vorgeschlagen, die keine Weihe erfordern. Eines dieser Ämter ist sicherlich das Amt der geistlichen Begleitung, das alle wesentlichen Elemente der Synodalität umfasst - Zuhören, Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes, geistliche Unterscheidung und gemeinsame Suche nach der richtigen Wahl", führte Halik dazu aus. Dieser Dienst könne nicht durch das Bußsakrament oder Psychotherapie ersetzt werden. "Es ist ein Weg, die Gegenwart Gottes im Leben der Menschen zu entdecken, auch im Leben von 'Nicht-Religiösen', denen dieser Dienst ebenfalls angeboten werden kann. Er setzt sowohl das persönliche Charisma, die Erfahrung und die entsprechenden persönlichen Eigenschaften der Begleitpersonen als auch ihre Kompetenz in verschiedenen theologischen Disziplinen und in den Sozialwissenschaften voraus."
Halik schlug vor, neben den Pfarren weitere "Zentren für Spiritualität, Exerzitien, geistliche Begleitung und Seelsorge" einzurichten. Auch die synodalen Gruppen sollten sich dort regelmäßig treffen, "um in einer Atmosphäre des Gebets und der Kontemplation ihre Erfahrungen auszutauschen und nach Lösungen für Probleme in ihrem persönlichen Leben und in der Kirche zu suchen".
Quelle: kathpress