Kirchliche Kritik an FPÖ-Wahlplakat "Euer Wille geschehe"
Mit zum Teil harscher Kritik haben Stimmen aus der Katholischen Kirche auf die aktuellen FPÖ-Wahlplakate mit dem Slogan "Euer Wille geschehe" reagiert. "Dieser Satz spielt mit einem Zitat aus der Bibel, und noch dazu mit dem wichtigsten Gebet, das Christinnen und Christen kennen", hielt der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, am Donnerstag im Interview mit Kathpress fest, und sagte: "Leider kommt so etwas im wirtschaftlichen und politischen Marketing immer wieder vor. Wer das tut, dem muss bewusst sein, dass er mit etwas spielt, das Menschen heilig ist und damit diesen Menschen nicht die Wertschätzung entgegenbringt, die sie verdienen."
Abt Maurer: "Geschmacklose Parteipropaganda"
Heftige Kritik kam am auch von Abt Pius Maurer vom Stift Lilienfeld. Den zentralen Satz "Dein Wille geschehe" aus dem Vater Unser leicht verändert ("Euer Wille geschehe") für politische Wahlwerbung zu nützen, halte er für "geschmacklos", so Maurer. Die christliche Religion sei grundsätzlich friedlich, dennoch sollte sie sich nicht alles gefallen lassen müssen wie etwa "die taktlose Benützung eines Gebets- und Bibelzitates für Parteipropaganda".
Theologin Polak: "Postmoderne Dämonie"
Noch schwerere Geschützte fuhr die Wiener Theologin Prof. Regina Polak in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" auf. Wenn die FPÖ Slogans in Anlehnung an das Vater-Unser-Gebet plakatiert, sei das nicht "nur" Blasphemie, so Polak: "Es ist die zynisch-spottende, nichts und niemanden ernst nehmende Ankündigung eines politischen Projektes zur Zerstörung der liberalen, menschenrechtsbasierten Demokratie und ihrer Institutionen."
Kickl und seine Gesinnungsgenossen würden nicht an religiöse Gefühle appellieren, sondern diese verspotten, so Polak: "Sie wissen, dass die österreichische Gesellschaft religiös ausgehöhlt ist. Das verächtliche Spiel mit religiösen Assoziationen steht ausschließlich im Dienst der schamlosen Durchsetzung von Machtinteressen". Die assoziative Verbindung mit nationalsozialistischen Vorstellungen ("Volkswille") sei zudem die Hülle des "blanken Willens zur Macht".
Das Plakat sei deshalb nicht "nur" Blasphemie, sondern Ausdruck einer "postmodernen Dämonie". Blasphemie lästere zwar, anerkenne aber immer noch die Wirklichkeit Gottes. "Eine Dämonie anerkennt nur mehr irdische Macht und leugnet faktisch die Existenz Gottes, ungeachtet dessen, was öffentlich verkündet wird", so die Leiterin des Instituts für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Postmodern sei sie zudem, "weil sie keinen wie immer gearteten Anspruch auf Wahrheit anerkennt und alles für Eigeninteressen interpretiert und benützt".
Mit dem Begriff der "Dämonen" würden in der Bibel Prozesse und Dynamiken beschrieben, die auf die Zerstörung und Vernichtung von Leben zielen. Solche würden sich mit Vorliebe an Ängste, Sehnsüchte, Bedürfnisse angesichts realer Probleme andocken. Polak: "Wenn also die FPÖ Lösungen für die zu lange ignorierten migrationspolitischen Probleme anbietet, bedient sie die damit verbundenen Ängste, zielt aber mit ihrem Ethnonationalismus letztlich auf die Exklusion all jener, die nicht den normativen Vorstellungen des imaginierten Volkswillens entsprechen."
In der Hebräischen Bibel, der auch Jesus als Jude verpflichtet ist, meine "Volk" gerade keine ethnische, sondern eine Rechtsgemeinschaft. Polak: "Das Gottes-Volk hat sich überdies darauf verpflichtet, den Willen Gottes zu tun." Das bedeute, alle menschlichen Beziehungen, auch die politischen, gemäß der Vorstellungen des Reiches Gottes zu "ethisieren". Die Assoziation mit dem "Volkswillen" im besagten Wahlplakat sei daher eine "Antithese zum biblisch bezeugten Glauben".
Polak spricht auch von einer "bösartigen Energie", die sich in solchen Plakaten zeige. Zugleich hält sie fest, dass Empörung dagegen eigentlich keine Option sei. Denn: "Empörung verstärkt zerstörerische Dynamiken und überdies das Risiko, dem bekämpften Gegner ähnlich zu werden. Auch Jesus von Nazaret, der Urheber des Vater Unser, empört sich nicht, wenn er Dämonen vertreibt." Allerdings diskutiere und verhandle er auch nicht mit dämonischen Mächten. Vielmehr ziehe er eine klare und eindeutige Grenze, "verweist sie vom Ort und heilt jene, die von Dämonen besessen sind".
Jesus unterscheidet klar zwischen der lebenszerstörerischen Dynamik und den Menschen, die von diesen besessen sind, so Polak: "Will man also die demokratiezerstörerischen Dynamiken stoppen, ist deren Protagonisten Einhalt zu gebieten und bedarf es fantasievoller Alternativen, die sich der nihilistischen Macht- und Volkswillenlogik entziehen, ohne die Probleme zu leugnen."
Schulmeister: "Christliches Mäntelchen"
Kritik an den FPÖ-Plakaten äußerte auch das "Bündnis Demokratie und Respekt", in dem sich verschiedene engagierte Bürger und zivilgesellschaftliche Gruppierungen - darunter auch Vertreterinnen und Vertreter des Laienapostolats - zusammengeschlossen haben. Im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wien sagte Obmann Stephan Schulmeister, Kickl spiele bewusst mit religiösen Motiven, um Menschen u.a. in stärker religiös geprägten ländlichen Regionen und aus den Reihen der Volkspartei zu erreichen. Kickl spiele dabei die religiöse Karte aus purem Machtkalkül und greife zu einem "christlichen Mäntelchen": "Man muss es klar benennen: Diese Plakate sind ein Instrument der Machtpolitik und der Lüge".
Kaineder: "Parodie des Christlichen"
Neben Schulmeister nahmen u.a. auch Katholische Aktion-Präsident Ferdinand Kaineder und der Theologe Prof. Paul M. Zulehner an der Pressekonferenz teil, in der es um die Feststellung der Nicht-Wählbarkeit der FPÖ für Christinnen und Christen ging. Gefragt nach dem Plakat-Slogan "Euer Wille geschehe" stimmte auch Kaineder in die Kritik ein - er fügte jedoch hinzu, dass er dies als Zeichen mangelnder Ernsthaftigkeit sehe. In einer "dauerlaufenden digitalen Reizwelt" sei dies nichts weiter als die "Parodie des Christlichen". Wenn man schmunzle, schaffe dies einen leichteren Zugang - dies wolle sich Kickl zu nutzen machen.
Zulehner indes nahm den weiteren Plakat-Slogan "Dein Herz sagt Ja" zum Anlass, nach dem Verstand zu fragen: "Es geht immer nur um Emotionen" - dabei brauche Demokratie und eine reife Wahlentscheidung "politische Nachdenklichkeit". Dass der FP-Obmann offenbar an einem "eigenen Kickl-Vaterunser" arbeite, zeuge indes von einem "Missbrauch der Religion eigener Art".
Prüller: Viel Nachdenkstoff
Sehr nachdenklich zeigte sich der Pressesprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, in einem Kommentar in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag": "Was macht man da als Christ? Soll man sich freuen, dass die Volkssouveränität mit einer verfremdeten Zeile aus dem Vaterunser gewürdigt wird? Oder soll man Diabolisches vermuten - weil der Teufel ja gerne die guten Dinge durch kleine Verschiebungen, die ganz unschuldig daherkommen, auf den Kopf stellt? Hier hätte er ja nur ein besitzanzeigendes Fürwort von der Einzahl in die Mehrzahl gehoben."
Es gäbe da in der Tat viel Nachdenkstoff. Zum Beispiel auch, ob die FPÖ mit "Euch" das Volk, die Mehrheit oder die frustrierte Masse ermächtigen wolle. "Oder ob das Vaterunser nicht irgendwie denkmalgeschützt sein sollte. Oder ob es doch irgendwie nett ist, dass die Partei, der doch die ganze Literaturgeschichte offengestanden wäre, gerade zum christlichen Erbe greift, noch dazu einmal ohne erkennbare Absicht, damit irgendjemandem anderen wehtun zu wollen."
Am nachdenkenswertesten erscheine ihm die Sache mit dem ausgewechselten Fürwort, so Prüller: "Dass 'Dein Wille', nämlich der des Vaters im Himmel, vor allem anderen geschehen soll, vor meinem Willen, unserem Willen, eurem Willen - dass ist doch, wenn man den unpassenden Begriff verwenden will, das eigentliche Lebensmotto von Jesus Christus."
Quelle: kathpress