Autor Robert Menasse: Nationalistische Dünkel überwinden
Die Europäische Union ist mehr als ein ökonomisches oder politisches Projekt, sondern eine Wertegemeinschaft, die sich zu Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit bekennen muss: Darauf hat der Literat Robert Menasse in seiner Eröffnungsrede für die dieswöchige internationale Sommertagung des "Katholischen Akademiker/innenverbands" (KAVÖ) im Bildungshaus Sodalitas in Tainach (Tinje) in Kärnten hingewiesen. Aktuell werde die europäische Gründungsidee jedoch von populistischen Strömungen und nationalen Interessen gefährdet, so der Autor. Menasse forderte daher weniger nationalistische Dünkel, sondern "Nationen so miteinander zu verschränken und verflechten, dass keine mehr etwas gegen andere unternehmen kann".
Noch bis Samstag (24. August) sucht die KAVÖ-Sommertagung unter dem Titel "Europa von morgen - Entscheidungen von heute" Lösungsvorschläge angesichts von Klimawandel, Digitalisierung, Migration und neuen Konfliktherden. Als Rednerinnen und Redner sprechen u.a. die EVP-Politiker Othmar Karas und Lukas Mandl, die Philosophin Claudia Paganini und der emeritierten katholischen Erzbischof von Belgrad, Stanislav Hocevar. Ferner gibt es Podiumsdiskussionen und Diskussionsforen. Die Teilnehmenden kommen aus Österreich, Slowenien, Deutschland, Ungarn, Polen und Ukraine.
Menasse benannte als Gefahren für das europäische Projekt unter anderem "unproduktive Blockaden" und die fehlende europäische Finanzpolitik trotz gemeinsamer Währung sowie den gemeinsamen europäischen Markt trotz nationalökonomischer Bilanzierung. Europapolitische Verantwortung würde zu oft im Widerspruch zu nationalen Interessen stehen, kritisierte der Autor der EU-Satire "Die Hauptstadt" die Diskrepanz.
Widersprüchlichkeit und Nationalismus
In seinem Eröffnungsvortrag mit dem Titel "Glaube an Europa" wies Menasse am Montag auch auf die Widersprüchlichkeit der europäischen Postenbesetzung hin: So beeinflusse bereits eine Nationalratswahl die EU, da national gewählte Regierungen das europapolitische Personal stellen. Zudem müssten die national gewählten EU-Politiker immer wieder die Union in den eigenen nationalen Reihen verteidigen oder würden ihre Verantwortung auf den EU-Apparat abwälzen und die eigene nationale Gesinnung betonen.
Nach den Kriegserfahrungen des letzten Jahrhunderts müsse folglich die Überwindung des Nationalismus im Fokus stehen, forderte der politische Essayist. Als Lösung schlug er eine intensive Verflechtung vor, außerdem müsse die Vielfalt der Sprachen und Kulturen in Europa als gemeinsamer Reichtum begriffen werden. Aktuelle Herausforderungen wie wirtschaftliche Unsicherheiten, soziale Ungleichheiten und geopolitische Spannungen bezeichnete er trotz Gefahren als Gelegenheit zur Stärkung der europäischen Einheit und Zusammenarbeit - man müsse die Herausforderungen jedoch für Veränderung nutzen und nicht Ängste schüren.
"Kirche im Wandel"
Eröffnet wurde die Tagung durch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der für ein starkes und selbstbewusst auftretendes Europa plädierte. Der Ordinariatskanzler der Diözese Gurk-Klagenfurt, Jakob Ibounig, sprach in Vertretung des Kärntner Diözesanbischofs Josef Marketz; in seinen Grußworten verwies er auf die "christlichen Unterströmungen" des europäischen Projekts, das "eben nicht nur ein laizistisches Hochfest" sei. Sodalitas-Rektor Joze Kopeinig verwies auf die Sehnsucht nach einem friedlichen gemeinsamen Haus Europa. Die Morgenröte eines friedlichen Europa nach der Katharsis der beiden Weltkriege haben sich wieder in eine bedrohliche Abenddämmerung gewandelt.
Die Internationale Tagung des KAVÖ dauert noch bis 24. August. Am Freitag steht unter dem Tagesthema "Kirche im Wandel" die Jugend als potenzieller Hoffnungsträger im Zentrum der Vorträge. Am Samstag endet die Tagung mit der Podiumsdiskussion "Europa von morgen - Entscheidungen von heute - Chancen für die Zukunft".
(Website zur Sommertagung: www.kavoe.at/europa-von-morgen/; Auftaktveranstaltung mit Robert Menasse zum Nachsehen auf dem YouTube-Kanal der Katholischen Kirche Kärnten: https://www.youtube.com/watch?v=VNXo47lD_Iw)
Quelle: kathpress