Hilfsorganisationen fordern "Regierung, die anpackt"
Mit Blick auf die weltweit ansteigenden humanitären Krisen durch kriegerische Gewalt und Naturkatastrophen haben vier in diesem Feld tätige österreichische Hilfsorganisationen - Caritas, Rotes Kreuz, AG Globale Verantwortung und Care - von einer nächsten Regierung gefordert, "anzupacken". In einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien anlässlich des Welttags der humanitären Hilfe am Montag, 19. August, urgierte Caritas-Auslandshilfe-Chef Andreas Knapp, Humanitäre Hilfe über den Auslandskatastrophenfonds (AKF) finanziell abzusichern und qualitativ aufzuwerten. "Planbarkeit ist zentral für alle Beteiligten. Frühzeitige Information zu Ausschreibungen des AKF muss zur Norm werden", sagte Knapp.
Der Caritas-Generalsekretär berichtete von einer Reise, die ihn zuletzt in den Südsudan, einer der aktuell schlimmsten Krisenherde weltweit, geführt habe. Er sei in der Einschätzung bestärkt worden, dass Menschen in Not "nahtlose" Hilfe brauchen und auch für die Projektpartner vor Ort keine Lücken und Pausen verkraften könnten. Knapp warnte vor Untätigkeit, die Millionen von Kindern zu einer "Lost Generation" mache. Die im Herbst 2023 von der schwarz-grünen Regierung beschlossene Strategie der Humanitären Hilfe müsse auch umgesetzt, die Mittel des AKF bis 2030 schrittweise auf jährlich 200 Millionen Euro aufgestockt werden.
Knapp verlangte auch mehr Augenmerk auf "stille" Krisen abseits kriegerischer Auseinandersetzungen, deren Opfer vor allem Kinder seien. In Afrika etwa sei die Klimakrise allgegenwärtig: Dürrekatastrophen seien vielfach von der Ausnahme zur Regel geworden.
Immer mehr Helfende riskieren ihr Leben
Auf die wachsende Gefährdung auch jener, die Hilfe leisten, machte Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, aufmerksam. Laut den jüngst von der UNO vorgelegten Zahlen kamen im Vorjahr in 33 Ländern insgesamt 280 in Hilfs-NGOs tätige Menschen ums Leben - so viele wie noch nie. Dabei hätten sich vor exakt 75 Jahren alle Staaten weltweit zur Genfer Konvention bekannt, die auch für den Kriegsfall Menschlichkeit sichernde rote Linien zog. Aktuell werde die Einhaltung des humanitären Völkerrechts jedoch "mit Füßen getreten", beklagte Opriesnig. Die österreichische Außenpolitik müsse weiterhin dafür eintreten, auch wenn sich die Zahl gewaltsamer Konflikte von 20 vor 25 Jahren auf heute 120 vervielfacht habe.
Simona Mencinger, Delegierte des Österreichischen Roten Kreuzes im Libanon, machte auf die Krise des humanitären Völkerrechts in Gaza aufmerksam, wo die Zivilbevölkerung, Schulen und Krankenhäuser angegriffen würden und Hilfsorganisationen aktuell kaum Zugang zu den mehr als 2 Mio. Menschen erhielten, "deren Überleben von der nächsten Nahrungsmittellieferung und von medizinischer Versorgung abhängt".
"Internationale Finanzierungslücke riesig"
Die globale Krisenspirale aus Kriegen und Konflikten, der Klimakrise, den Gesundheitskrisen sowie Armut und Hunger halte die Menschen in erschreckend vieler Weltregionen fest im Griff, führte Geschäftsführer Lukas Wank von der AG Globale Verantwortung aus: Knapp 300 Mio. Menschen seien deshalb auf Humanitäre Hilfe angewiesen, doch grundlegende Bedürfnisse würden oft nicht erfüllt, "weil die internationale Finanzierungslücke riesig ist". Die verfügbaren Mittel reichen laut Wank nur, um in zwei von fünf Fällen Hilfe zu leisten. Österreich müsse hier trotz absehbarer Budgetprobleme über den Tellerrand hinausblicken, denn Krisen machen nicht an den Grenzen Halt, warnte der Experte. Österreich solle seine "Position als verlässlicher internationaler Partner festigen, weltweit zu menschlicher Sicherheit beitragen" und könne auch selbst von einer stabileren Weltordnung profitieren.
Auf die Bedeutung vorausschauenden Handelns bei drohenden Katastrophen wie etwa Zyklonen wies Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von Care Österreich, hin. Flexible Finanzierungsmechanismen und Frühwarnsysteme seien dabei essenziell.
"Wir alle haben die globalen Krisen satt, wir wollen in einer sicheren Welt leben", sagte Lukas Wank in seinem Schlusswort. "Österreich muss daher anpacken." Dafür böten die Strategie der Humanitären Hilfe Österreichs und das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2025 bis 2027, "das in der Schublade des Außenministers auf seinen Beschluss wartet", eine "Steilvorlage", so der Vertreter der AG Globale Verantwortung. Dieser Dachverband von 36 österreichischen NGOs im Bereich Entwicklung und Humanitärer Hilfe führt durch seine Mitglieder laut eigenen Angaben jährlich 1.000 Projekte in über 120 Ländern der Welt durch.
Erfolgsprojekt in Moldau
Mit der Aussage, die Kombination von Humanitärer Hilfe mit Entwicklungszusammenarbeit sei entscheidend, um die Lebensbedingungen und Perspektiven von Menschen in vulnerablen Verhältnissen nachhaltig zu verbessern, meldeten sich auch die Concordia Sozialprojekte - ebenfalls Mitglied der AG Globale Verantwortung - zum Welttag der humanitären Hilfe am Montag zu Wort. Geschäftsführer Bernhard Drumel appellierte an die zukünftige Regierung: "Die Notwendigkeit einer proaktiven Strategie zur Bewältigung von Krisensituationen wird immer deutlicher."
Als Beispielprojekt nannte Drumel "Wings4Youth", das auf längerfristige Friedenssicherung und Bewältigung einer Dauerkrise abzielt. Es fördert Beschäftigungschancen von jungen Erwachsenen in der moldauischen Hauptstadt Chisinau und anderen Gemeinden und kam Ende Juni zum Abschluss. Dank einer Partnerschaft mit der Caritas Wien, die ähnliche Aktivitäten in Transnistrien umsetzt, sei in den vergangenen drei Jahren mittels gemeinsamer Sommer-Camps, Studienreisen und Austauschtreffen erreicht worden, dass junge Menschen aus Moldau und Transnistrien eine friedliche Einstellung zueinander entwickelten.
Quelle: kathpress