Trauer um EU-Papstbotschafter Treanor auch in Österreich
Der verstorbene päpstliche Botschafter bei der EU, Erzbischof Noel Treanor, war "Diplomat, Hirte und ein Mann der Kirche genauso wie ein Mann der Kunst". Das hat Michael Kuhn, früherer Europareferent der Österreichischen Bischofskonferenz und ehemaliger Vize-Generalsekretär der EU-Bischofskommission COMECE in Brüssel, erklärt. Gegenüber Kathpress würdigte Kuhn am Montag Treanors umfassende Kenntnis der EU-Politik, der Katholischen Soziallehre und dessen diplomatisches Geschick. Vor allem sei der verstorbene Erzbischof aber auch ein "Mann des Wortes, der Sprache und der Kunst" gewesen, der als Linguist etliche Sprachen beherrschte.
Der weithin geschätzte Vatikandiplomat starb am Sonntag nach einem medizinischen Notfall unerwartet mit 73 Jahren in Brüssel. Treanor war ein gefragter Gesprächspartner bei Politikern und Mitarbeitern in verschiedenen EU-Institutionen, "weil er in der Lage war, zuerst auf das Problem und die Fragen seiner Gesprächspartner einzugehen und sie zu verstehen, bevor er begann, eine Position aus der Sicht des Evangeliums und der Kirche zu formulieren", schilderte Kuhn. Diese Position basierte auf Treanors tiefem Verständnis der kirchlichen Soziallehre und seiner Sorge um die Schwächsten und Marginalisierten in der Gesellschaft.
"Gleichzeitig trat er entschieden dafür ein, den Beitrag von Kirchen und Religionsgemeinschaften zum europäischen Integrationsprozess und zum Gemeinwohl seitens der EU ernst zu nehmen und auch institutionell zu verankern", fügte Kuhn hinzu. In Treanors Amtszeit als COMECE-Generalsekretär, die auch die politisch herausfordernde Zeit der EU-Osterweiterung umfasste, wurden sowohl die Erklärung über die Kirchen und Religionsgemeinschaften zum Vertrag von Amsterdam (1996) als auch der sogenannte "Kirchenartikel" im Vertrag von Lissabon (2009) verhandelt und in das Vertragswerk der EU aufgenommen.
Schnittstelle zwischen Politik, Kirche, Diplomatie
Treanor, der aus einer Gemeinde im Norden der Republik Irland nahe der Grenze zu Nordirland stammte, war von 1993 bis 2008 Generalsekretär der COMECE, der gemeinsamen Vertretung der katholischen Bischofskonferenzen aller EU-Mitgliedstaaten bei den Institutionen der Europäischen Union. Anschließend wirkte er bis 2022 als Bischof der Diözese Down and Connor mit Sitz in Belfast in Nordirland und war in dieser Zeit irischer "Europabischof" sowie ab 2018 auch COMECE-Vizepräsident und Präsident von Iustitia et Pax Europa.
Als Papst Franziskus ihn 2022 zum Apostolischen Nuntius bei der EU berief, kehrte Treanor als Vatikandiplomat nach Brüssel zurück und vertrat seither die Anliegen des Heiligen Stuhls bei den europäischen Institutionen unter anderem auf den Gebieten Integrationspolitik, Migration, Entwicklungszusammenarbeit und Schutz von Grundrechten. In den vergangenen Jahrzehnten sorgte Treanor in seinen verschiedenen Ämtern auch für ein besseres Verständnis der EU in der katholischen Kirche.
"Mann des Dialogs"
In Brüssel kondolierten am Montag zahlreiche Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft, darunter etwa Caritas Europa um Präsident Michael Landau oder der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber. Betroffen äußerte sich auch der frühere Europaparlaments-Vizepräsident Othmar Karas. Er habe den Gedenkenaustausch mit Treanor intensiv gepflegt und sehr genossen, schrieb Karas auf der Plattform X: "Die aufgeschlossenen Gespräche und Diskussionen werde ich vermissen. Ruhen Sie in Frieden!"
Treanors Tod sei "ein großer Verlust für uns alle, für die Kirche und für die Europäische Union", erklärte COMECE-Präsident Mariano Crociata. Der italienische Bischof würdigte den Verstorbenen als "Mann des Dialogs, genauen Analytiker und begnadeten Redner", der "die Stimme des Glaubens in das Herz der Europäischen Union trug". In Nordirland wiederum habe Treanor als Förderer von Versöhnung und Frieden und Brückenbauer zwischen den Gemeinschaften gewirkt, so Crociata.
Zahlreiche Würdigungen
Auf der irischen Insel brachten unter anderem die nordirische Regierungschefin Michelle O'Neill und die katholische Bischofskonferenz in Erklärungen ihre Trauer über den plötzlichen Tod des Erzbischofs zum Ausdruck. Treanor sei den Spuren und dem Geist der Gründerväter der europäischen Einigung gefolgt, würdigte Eamon Martin, Erzbischof von Armagh und Primas von ganz Irland, dessen Lebenswerk. Treanor habe sich für den Aufbau guter Beziehungen zwischen den europäischen Staaten eingesetzt und dazu beigetragen, "das christliche Herz und die christliche Seele Europas zu nähren", so Martin. Den Brexit-Beschluss zum Austritt Großbritannien aus der Europäischen Union hatte Treanor als damaliger Bischof von Belfast in einem Interview als "Desaster" bezeichnet.
Treanors direkter Nachfolger auf dem Bischofssitz in der nordirischen Hauptstadt, Alan McGuckian, hob in der offiziellen Bekanntgabe der Todesnachricht am Montag Treanors Einsatz für die ökumenischen und interreligiösen Beziehungen hervor, die der Erzbischof durch einen respektvollen Dialog und persönliche Freundschaft gestärkt und ausgebaut habe. "Erzbischof Noel war auch sehr darauf bedacht, den laufenden Friedensprozess in Nordirland zu unterstützen", hielt McGuckian fest. Als Diözesanbischof von Down and Connor setzte Treanor auf ein Pastoralprogramm, das die Beteiligung von Laien und das pfarrliche Engagement betonte. Auch im Kontext der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der irischen Kirche setzte Treanor etliche Maßnahmen.
Quelle: Kathpress