Allmendinger: Gesellschaft braucht mehr Vertrauen, weniger Kontrolle
Mit einem Plädoyer für ein Mehr an gesellschaftlichem Vertrauen und zugleich einem Weniger an Kontrolle sind am Sonntag die "Salzburger Hochschulwochen" zu Ende gegangen. Vertrauen sei "nur relational zu haben", da es sich nur durch Begegnung von Menschen bilde. Entsprechend brauche es mehr öffentliche Orte und Räume zur Begegnung und zur Überschreitung des je eigenen Milieus. Das betonte die Berliner Soziologin Prof. Jutta Allmendinger bei einem Festvortrag in der Universität Salzburg. Viele dieser notwendigen Räume und zivilgesellschaftlichen Institutionen seien in den vergangenen 30 Jahren verloren gegangen - zugleich sei das Vertrauen untereinander und in die Demokratie einem Mehr an Kontrolle und Regulierung gewichen.
Sie hoffe in dem Kontext, dass auch die Kirchen künftig Vertrauen zurückgewinnen können, "denn wir brauchen sie dringend", so Allmendinger, die nicht nur Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) ist, sondern seit 2021 auch Mitglied in der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften. Es gelte wieder den "Wert der Heterogenität" zu entdecken und einem soziologisch nachweisbaren Trend zu immer größerer Gleichförmigkeit - von den Familien über die Freundschaften, Beziehungen bis zum Berufsleben und der Politik - zu widerstehen.
Sie spüre bei allen negativen Entwicklungen dennoch Aufbrüche im Kleinen - etwa wenn Firmen wieder den Wert sozialer Durchmischung, von strukturierten Räumen zur Begegnung unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entdecken und im öffentlichen Diskurs Fragen des Gemeinwohls wieder stärker in den Fokus rücken. "Langsam gibt es eine Umkehr, in der wir das Wohl des Gemeinsamen wieder entdecken."
Zum Auftakt des Festaktes sprachen Politik und Universitätsleitung dem Obmann der Hochschulwochen ihren Dank aus: Die Hochschulwochen hätten einmal mehr und auf höchstem Niveau gezeigt, was Universität im besten Sinne bedeute: Ein Forum des Austauschs unter den Wissenschaften und der Begegnung, sagte Landtagsabgeordneter und Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Schöchl zur Begrüßung. Und der geschäftsführende Rektor und Vizerektor der Universität Salzburg, Martin Weichbold, ergänzte: "Würde es die Hochschulwochen nicht geben - man müsste sie erfinden".
Van den Hende: Vertrauen unter Druck geraten
Dem Festakt vorangegangen war ein Festgottesdienst im Salzburger Dom mit Erzbischof Franz Lackner. Als Prediger war der Rotterdamer Bischof Hans van den Hende angereist. Unter Bezugnahme auf die Lesung aus dem Buch Exodus und das Johannesevangelium zeigte van den Hende auf, wie sehr Vertrauen bzw. mangelndes Vertrauen auch eine biblische Kategorie sei.
Doch nicht nur im Glauben, auch im Zusammenspiel von Kirche und Gesellschaft sei "Vertrauen unter Druck geraten". Dies könne man etwa an einer steigenden Sehnsucht nach einem "Zurück zum Alten" und einer Sehnsucht nach vergangenen Zeiten festmachen - in der Kirche wie in der Gesellschaft. "Wenn das Vertrauen fehlt, werden Grenzen geschlossen", so van den Hende. Dabei sei es gerade Aufgabe der Christen, "die Schöpfung als unser gemeinsames Haus" zu verstehen und am Aufbau einer "Zivilisation der Liebe" mitzuwirken.
Hochschulwoche 2025: "Was lässt uns leben?"
Zum Ende des Festaktes verkündete Erzbischof Lackner das Thema der Hochschulwoche im kommenden Jahr 2025. Diese wird vom 4. bis 10. August unter dem Generalthema "Was uns leben lässt ... und was uns (vielleicht) vergiftet" stehen. Hintergrund der Themenwahl seien zwei Wahrnehmungen, führte Lackner aus: Die Tatsache, dass die Bewältigung der aktuellen Krisen - von Klimakrise hin zu Demokratiekrise und Kirchenkrise - enorm "energieintensiv" seien und somit stets nach neuen Energiequellen gefragt werde; zugleich würden sich manches gar als "toxisch" und zusätzlich kraftraubend erweisen. "Manches, das uns leben lässt, kann zugleich toxische Effekte haben" - diesem wollen die Hochschulwochen im kommenden Jahr auf den Grund gehen. (Infos: www.salzburger-hochschulwochen.at)
Quelle: kathpress