Tück zu "Jedermann": Gnade durchkreuzt gnadenlosen Kreislauf des Geldes
Der "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal ist bleibend aktuell, weil er die Unausweichlichkeit des Todes thematisiert und dabei zeigt, wie der "gnadenlose Kreislauf des Geldes durchkreuzt wird durch eine Ökonomie der Gnade". Darauf hat der in Wien lehrende Theologe Prof. Jan-Heiner Tück in einem Beitrag in "Communio"-Online über die Premiere des Klassikers bei den Salzburger Festspielen hingewiesen. Der Initiator der "Wiener Poetikdozentur Literatur und Religion" stellt dabei dem "Jedermann" - überzeugend gespielt von Philipp Hochmair - und dem Regisseur Robert Carsen ein sehr gutes Zeugnis aus.
"Das Leben wird flacher, so die Lektion des Jedermann, wenn wir den Tod ausblenden", hält der Professor für Dogmatik an der Wiener Theologischen Fakultät fest, denn: "Wenn die Antennen für das Metaphysische oder für Gott eingefahren werden, geht eine Perspektive verloren, aus der sich das Leben reflexiv betrachten lässt." Das über hundert Jahre alte Stück überzeugt: "Die Betroffenheit über das Mysterienspiel, die auch in diesem Jahr in Salzburg zu spüren war, kann ein Anstoß zu einem bewussteren Leben sein, der allerdings im vergnüglichen Treiben der Festspielwochen gleich wieder verpuffen kann", so Tück.
Dialektik des Mammon
Eingehend setzt sich der aus Deutschland stammende Theologe mit der Rolle von Reichtum und Geld im "Jedermann" auseinander: "Geld - wir sollten es besitzen, aber wie schnell besitzt es uns! Das ist die Dialektik des Mammon". Geld mache frei von Armut und der Sorge um das tägliche Auskommen. Das sei ein Vorzug, Geld könne aber auch abhängig machen, so Tück, da man immer mehr davon wolle.
Der Dogmatiker wies auf die biblische Warnung hin: "Wenn der Reichtum auch wächst, so verliert doch nicht euer Herz an ihn!" (Ps 62,11). Dazu Tück unter Bezugnahme auf den Inhalt des "Jedermann": "Die Unabhängigkeit durch Reichtum wird wieder verspielt, wenn materielle Obsessionen das Denken bestimmen. Es gibt Hyperreiche, die mitleidlos sind und die Aura sozialer Kälte verbreiten."
Das Geld, das den Warentausch vormoderner Gesellschaften überwunden hat, ist ursprünglich Mittel zum Zweck, habe aber in der Moderne die Tendenz, selbst zum Zweck zu werden, führt Tück weiter zum Hintergrund des Stücks aus. "Dort, wo Geld regiert und zum Selbstzweck wird, können Menschen zu Mitteln degradiert werden." Erst konfrontiert mit der Unausweichlichkeit des Todes erkenne "Jedermann", sein Versagen und - ganz auf sich selbst zurückgeworfen - seine Verlorenheit. Die Wende gelingt durch das Bereuen der Taten und Unterlassungen sowie in der Auseinandersetzung mit dem Glauben: "Er erwartet als Sünder schlimmste Strafen im Gericht, doch der Glaube hält ihm die Barmherzigkeit Gottes entgegen."
Das Stück von Hofmannsthal zeige, dass der gnadenlose Kreislauf des Geldes durchkreuzt wird durch eine Theologie des wunderbaren Tausches. "In der Ökonomie der Gnade ist der reuige Sünder nicht verloren", so Tück unter Verweis auf das Stück, wo es heißt: "Gott hat geworfen in die Schal / Sein Opfertod und Marterqual / Und Jedermannes Schuldigkeit / vorausbezahlt in Ewigkeit." Die Konsequenz daraus laute: "Jedermann kann durch Glauben und Werke gerade noch rechtzeitig die Gnade finden - beinahe unverdient!"
Quelle: kathpress