Ethiker und US-Experte Remele: Trump weder Retter noch Märtyrer
Der Ethiker Kurt Remele erteilt dem Bild des angeschossenen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump als Retter Amerikas oder christlicher Märtyrer eine Absage: Den ehemaligen republikanischen Präsidenten nach dem überlebten Attentat als von Gott gerettet darzustellen, sei gefährlich, denn das hieße, "dass Gott bei Martin Luther King oder John F. Kennedy nicht eingegriffen hat". Die dahinterstehende Theologie bezeichnete Remele im Ö1 Format "Religion aktuell" am Montag als "sehr, sehr problematisch". Ziel sei es, ein reaktionäres Christentum in den Vereinigten Staaten zu etablieren, so der frühere Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Graz. Nach dem Attentat haben führende Republikaner sowie evangelikale Prediger Trump als Märtyrer und von Gott erwählt bezeichnet.
Auch wenn Trump in vielerlei Hinsicht keine christlichen Werte verkörpere, werde er trotzdem als Retter dargestellt, erklärte der Sozialethiker, der u.a. am Christ Church College, Universität Oxford lehrte. Ziel dieser christlich evangelikalen Kirchen sei, ein christliches Amerika wiederherzustellen und "da muss eben alles so sein, wie es der evangelikalen göttlichen Vorstellung entspricht. Und dafür ist Trump die Garantie." Der republikanische Politiker sei sich dessen bewusst und werde seinen "Märtyrer-Moment" auskosten, so Remele.
Das Bild von Trump als Märtyrer wird besonders von evangelikalen Predigern gepflegt. Als Beispiel nannte "Religion aktuell" Greg Laurie. Der amerikanische evangelikale Pastor und Gründer der "Harvest Christian Fellowship"-Kirche dankte Gott für sein Eingreifen während des Attentats. Ähnlich äußerte sich William Franklin Graham, einflussreicher US-amerikanischer evangelikaler Pastor, der meinte, dass die schützende Hand Gottes offensichtlich Trump vor Schlimmerem bewahrt habe und rückte den Präsidentschaftskandidaten in die Nähe eines Märtyrers, der für Amerika kämpft.
Und auch der führende Republikaner Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses und bekennender Christ, zog nach dem Attentat im US-Bundesstaat Pennsylvania eine Parallele zur Leidensgeschichte Christi. Trump sei die "meist verfolgte, am meisten angegriffene politische Figur" in Amerika, erklärte Johnson und fügte an: "Ich glaube, Gott hat ihn gerettet."
Einschwören auf den Glauben beim Parteitag
Die "Kanonisierung" des Überlebenden des Attentatsversuchs setzt sich nun auch auf dem viertägigen Parteitag der Republikaner in Milwaukee fort, der am Montag begonnen hat. "Es war Gott allein, der das Undenkbare verhindert hat", lässt der designierte Kandidat die 50.000 Parteitagsdelegierten vor seiner Ankunft in einem langen Post wissen. Und weiter: "Wir werden uns nicht fürchten, sondern unverwüstlich bleiben in unserem Glauben und trotzig im Angesicht des Frevels." Auch die für Donnerstag geplante Rede zur offiziellen Annahme der Präsidentschaftskandidatur werde nun komplett umgeschrieben, kündigte er in seinem ersten Interview nach dem Anschlag im "Washington Examiner" an. Statt als Rächer der Verachteten wolle sich Trump als von Gott gesalbter Retter Amerikas und der Welt präsentieren.
Bei seinen Unterstützern rennt er damit offene Türen ein. "God, Guns and Trump" (Gott, Schusswaffen und Trump) lautet etwa ein Slogan, der von Anhängern des Ex-Präsidenten im Wahlkampf genutzt wird. Verantwortlich für die Neuausrichtung von Trump als Retter und Märtyrer soll dessen Wahlkampfmanager Chris LaCivita sei. Dieser soll etwa einen Post nach dem Anschlag gelöscht haben, in dem er den Demokraten die Schuld für den Mordversuch vorwarf. In einem Memo an das Wahlkampfteam, das dem Magazin "Politico" vorliegt, warnt er vor Schnellschüssen: "Bitte seht von Kommentaren des heutigen Geschehens ab", heißt es darin. Es solle die "politische Polarisierung dieses aufgeheizten Wahlkampfes" beachtet werden. "Wir verurteilen alle Formen der Gewalt und wir tolerieren keine gefährliche Rhetorik in den sozialen Medien."
LaCivita näherte sich damit dem Tenor an, wie ihn auch neutrale Institutionen, wie die katholischen Bischöfe des Landes verwendeten. Diese beteten in ihrer ersten Stellungnahme nach dem Attentat für ein "Ende der politischen Gewalt". Und auch Trumps Konkurrent und Amtsinhaber Joe Biden forderte in einer Ansprache aus dem Oval Office mehr Zivilisiertheit im Umgang miteinander. Die Zeit sei gekommen, "die Temperatur in unserer Politik zu senken".
Quelle: kathpress