Interreligiöser Dialog: Seelisberg Preis an Edward Kessler verliehen
Der aus England stammende jüdische Theologe und Experte im interreligiösen Dialog, Edward Kessler, ist mit dem Seelisberg Preis für herausragende Verdienste um den jüdisch-christlichen Dialog ausgezeichnet worden. Kessler erhielt die Auszeichnung am Sonntagabend (23. Juni) in Salzburg zum Auftakt der Jahrestagung des Internationalen Rates der Christen und Juden (ICCJ). Der vom ICCJ gemeinsam mit dem "Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen" der Universität Salzburg vergebene Preis wurde heuer zum dritten Mal vergeben. Von der Verleihung berichtete die Erzdiözese Salzburg am Sonntagabend in einer Presseaussendung.
Kessler, der u.a. Gründer auf den interreligiösen Dialogs spezialisierten "Woolf Institutes" in Cambridge ist, sei ein "führender Denker im Bereich der interreligiösen Beziehungen, vorrangig im Bereich der jüdisch-christlich-muslimischen Beziehungen", hieß es zur Begründung auf der Website des ICCJ.
Neben seiner wissenschaftlichen und seiner Dialog-Tätigkeit engagiert sich der 1963 geborene Kessler auch sozial und politisch - so hat er 2022 eine unabhängige Kommission für die Integration von Flüchtlingen in Großbritannien gegründet. Er hat bislang zwölf Bücher mit Fokus auf den jüdisch-christlichen Dialog geschrieben und zwei Erklär-Podcasts zum Glauben und zum Heiligen Land veröffentlicht ("An A-Z of Believing" und "An A-Z of the Holy Land").
Dialog als "Weg der Heiligkeit in einer unheiligen Welt"
Der tschechische Theologe und frühere Schüler Kesslers, Prof. Pavol Bargar, würdigte den Preisträger als einen herausragenden Lehrer, Wissenschaftler und öffentlichen Intellektuellen. Dabei schlage er Brücken zwischen dem universitären Leben und dem religiösen Leben sowie zur Zivilgesellschaft und den Medien. Weder im interreligiösen Dialog noch in seiner wissenschaftlichen Forschung bleibe Kessler in einem "akademischen Elfenbeinturm", vielmehr gehe es ihm stets darum, "Menschen zusammenzubringen, um vertrauensvolle Beziehungen zu ermöglichen", so Bargar.
In seiner Dankesrede unterstrich Kessler, dass der interreligiöse Dialog im Allgemeinen und der jüdisch-christliche Dialog im Besonderen eine wichtige Antwort auf die Herausforderung durch die Vielfach-Krisen darstellten, die derzeit die Welt heimsuchten und zerrütteten. Den Dialog nicht abzubrechen, sondern im Gegenteil zu forcieren, sei "ein Weg, heilig zu sein angesichts einer unheiligen, von religiösem Fundamentalismus, nationalistischen Chauvinismus und politischer Demagogie beherrschten Welt", so Kessler laut Manuskript. Dialog bedeute, Toleranz gegenüber verschiedenen Sichtweisen zu üben - und damit einem "einseitigen lauten und fundamentalistischen Knurren" in den Social Media zu widerstehen.
Begegnung und Dialog seien Schlüssel zu einem friedvollen Zusammenleben, zeigte sich Kessler überzeugt - und er gab dazu Einblicke etwa in Dialog-Projekte zwischen Israelis und Palästinensern, durch die es selbst angesichts des Gaza-Krieges noch möglich sei, Gesprächskanäle offen zu halten. Gewiss, Dialog sei immer ein Risiko, da der Ausgang offen sei - das aber entspringe zutiefst der gläubigen Grundhaltung, dass der Mensch verletzlich sei und es den Dialog zum gegenseitigen Verstehen brauche.
Zudem erinnerte Kessler in seinen persönlich gehaltenen Dankesworten daran, dass er selber österreichische Wurzeln hat: Seine Eltern seien in Österreich geboren worden, haben ihre Kindheit in Wien verbracht, bevor sie vor dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich als Juden nach Großbritannien flohen. Bis heute habe er familiäre Kontakte nach Österreich - und vor sechs Monaten hat er nun die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. "Ich kehre als Engländer zurück, bleibe aber in gewisser Weise Österreicher", sagte Kessler am Ende seiner Rede auf Deutsch.
ICCJ-Jahrestagung
Die Preisverleihung stellte zugleich den Auftakt zur ICCJ-Jahrestagung dar. Die Tagung, die gemeinsam mit dem Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Österreich und der Universität Salzburg ausgerichtet wird, steht heuer unter dem Titel "Heiligkeit: Ein religiöser Imperativ und eine moralische Verpflichtung?" und dauert bis 26. Juni. Eine Besonderheit stellt die muslimische Beteiligung dar. An der Eröffnung nahm u.a. der zuständige Referatsbischof Manfred Scheuer, der Salzburger Generalvikar Roland Rasser sowie Vertreter der Ordensgemeinschaften teil.
Manfred Scheuer, Referatsbischof für Ökumene und christlich-jüdische Zusammenarbeit, betonte in seinen Grußworten zur Eröffnung die Hoffnung auf wachsende Gemeinsamkeiten und Freundschaften. Christentum und Judentum seien einander bis in das Gebetsleben hinein nah - dies gelte es in Freundschaften zu vertiefen.
Der Präsident des Koordinierungsausschusses für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Prof. Martin Jäggle, unterstrich die Notwendigkeit, nach der Zäsur, die der 7. Oktober 2023 mit dem Angriff der Hamas auf Israel darstellte, verstärkt den Dialog zu suchen und aufeinander zuzugehen. In einer Video-Botschaft verwies auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, auf den 7. Oktober. Dieser habe vor Augen geführt, dass jüdisches Leben weltweit nicht sicher sei. "Diese Konferenz bietet eine wertvolle Gelegenheit, sich auszutauschen, voneinander zu lernen und den Dialog zwischen Christinnen und Christen, Jüdinnen und Juden weiter zu vertiefen." Was hier stattfinde, strahle weit über diese Tagung hinaus, betonte er. Zudem würdigte er den lange dauernden Religionsdialog in Österreich.
Grußworte kamen außerdem vom Evangelischen Superintendenten Olivier Dantine, Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Bundesministerin Karoline Edstadler. Die Ministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt war nicht persönlich anwesend - in der verlesenen Grußbotschaft würdigte sie die Bedeutung des ICCJ für die interreligiöse Verständigung. Zugleich hob sie hervor, dass Österreich in den vergangenen Jahren "Meilensteine im Kampf gegen Antisemitismus" gesetzt habe - etwa die "Nationale Strategie gegen Antisemitismus", das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz, die Gedenkmauer in Wien, das "Nationale Forum gegen Antisemitismus" sowie die Ausrichtung der "European Conference on Antisemitism" heuer im Mai in Wien. "Es ist klar: Nur gemeinsam können wir stark gegen Antisemitismus sein", so Edtstadler.
Der im jüdisch-christlichen Dialog stark involvierte Theologe Prof. Gregor Maria Hoff verwies gegenüber Kathpress auf die besondere Aktualität der Tagung: "Dass die ICCJ-Konferenz in Salzburg stattfindet, ist eine besondere Gelegenheit für uns, den jüdisch-christlichen Dialog auch öffentlichkeitswirksam zu stärken. Gerade in Zeiten eines zunehmenden Antisemitismus und zumal vor dem Hintergrund der Terrorattacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 stellt sich die Aufgabe, jeden interreligiösen Gesprächsfaden aufzugreifen. Deshalb ist auch für jedes Panel der Konferenz eine muslimische Beteiligung vorgesehen."
Unter den Referenten sind u.a. die Wiener Pastoraltheologin Prof. Regina Polak, die Linzer Fundamentaltheologin Prof. Isabella Guanzini, der Innsbrucker islamische Religionspädagoge Zekirija Sejdini, der Salzburger Religionswissenschaftler Prof. Martin Rötting, die Bamberger Judaistin Prof. Susanne Talabardon, die Generalsekretärin von "Religions for Peace", Prof. Azza Karam, sowie der rumänisch-orthodoxe Theologe und frühere Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Ioan Sauca.
In einem Wechsel von Vorträgen, Plenardiskussionen, Workshops und einem kulturellen Rahmenprogramm (etwa einer Fahrt in die nahe gelegene Europäische Kulturhauptstadt Bad Ischl) sollen neben dem fachlichen Diskurs auch interreligiöse Netzwerke geknüpft bzw. verstärkt und so der christlich-jüdische Dialog ebenso auf persönlicher Ebene weiter vertieft werden, so Hoff. (Infos: www.iccj.org)
Quelle: kathpress