Weltflüchtlingstag: Gedenken in Wien für Tote an EU-Grenzen
Mit einem interreligiösen Gebet am Vorabend des Weltflüchtlingstages (20. Juni) ist am Mittwochabend in Wien der vielen namenlosen Toten gedacht worden, die beim Versuch, die EU-Außengrenze zu überwinden, verstorben sind. Vertreter der christlichen Kirchen, des Islams, Flüchtlingshelfer und mehrere Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund kamen zu dem vom "Pfarrnetzwerk Asyl" veranstaltete Totengedenken, das in der Teilgemeinde Rudolfsheim der Pfarre Hildegard Burjan stattfand.
Besonders von einer Anklage des "großen Unrechts", das an den Außengrenzen der Union vor sich gehe, war der Abend bestimmt. Es gebe von dieser Grenze "zwei Gesichter", stellte der katholische Pfarrer Helmut Schüller fest. "Das uns zugewandte Gesicht soll Sicherheit vermitteln. Das Gesicht nach außen soll abschrecken und zurückstoßen - um den hohen Preis von Menschenleben und tragischen Schicksalen", so der frühere Caritas-Präsident und Obmann der "Pfarrer-Initiative". Fraglich sei, "ob sich alle EU-Bürgerinnen und -Bürger dessen bewusst sind", gelte doch: "Offiziell geschieht das alles in unserem Namen."
Präsentiert wurden verschiedene Geschichten und Lebensbilder von Menschen, die ihr Leben beim Versuch, Europa zu erreichen, aufs Spiel gesetzt hatten. Das von ihnen erfahrene Unrecht könne durch das Totengedenken nicht wieder gutgemacht werden, "aber es ist ein Weg, ein Mindestmaß an Menschlichkeit zu bewahren", so Roswitha Feige vom "Pfarrnetzwerk Asyl" über das gemeinsame Anliegen. Es gehe schließlich um Menschen, denen außer dem Recht auf Sicherheit auch das Recht auf Leben verwehrt worden sei. "Viele von ihnen begräbt man namenlos, ohne den Versuch, sie zu identifizieren. So nimmt man ihnen sogar die Möglichkeit, dass man an sie erinnert. Es ist, als hätte es sie nicht gegeben, ihre Gräber bleiben ungesehen."
Als Versuch, diesen Toten ein Mindestmaß an Würde zurückzugeben, wurde bei dem Gebetsabend die Arbeit von Nihad Suljic und der Organisation SOS Balkanroute im bosnisch-serbischen Grenzgebiet gewürdigt. Die Aktivisten setzen sich dafür ein, Gräber sichtbar zu machen und nach der Identität der Toten zu suchen. Damit werde "auch für Europa ein Funken Menschlichkeit bewahrt", sagte der evangelische Superintendent Stefan Schröckenfuchs. Schließlich gelte: "Menschlichkeit misst sich daran, wie man mit jedem Menschen umgeht - egal, woher er kommt und wer er ist. Wer die Menschenwürde eines Menschen infrage stellt, stellt die Würde des Menschen an sich infrage."
Begonnen hatte der Abend mit einem Bericht von Doro Blancke über den "Friedhof der Namenlosen" auf Lesbos, Videos aus Bosnien und die Schilderungen von Suljic über die Arbeit für die Gräber der toten Flüchtlinge und persönliche Schicksale. Am Totengedenken nahmen auch bosnische Frauen, die in Wien leben, teil, die selbst im Bosnienkrieg als Flüchtlinge nach Wien gekommen waren. Aus dem bosnischen Zvornik stammte auch Imam Dzemal Sibljiakovic, der das islamische Totengebet sprach. Vertreten waren mit Erika Erber auch die buddhistische Glaubensgemeinschaft sowie als Gastgeber der katholische Pfarrer Martin Rupprecht.
Quelle: kathpress