Renaturierungsgesetz: Ordensmann meldet Vorbehalte an
Keine Freude haben Vertreter der katholischen Ordensgemeinschaften in Österreich mit dem EU-Renaturierungsgesetz. Die am Montag im Ministerrat in Luxemburg auch mit der Stimme Österreichs beschlossene Verordnung, der zufolge die durch menschliche Eingriffe veränderte Kulturlandschaft in Europa bis 2050 in einen möglichst ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden soll, sei zwar in ihrer Intention begrüßenswert, in der Umsetzung jedoch nicht durchdacht und teils "illusorisch", erklärte Pater Maurus Kocher, Vertreter der Ordensgemeinschaften im Vorstand der Land- und Forstbetriebe Österreich, am Dienstag in der Ö1-Radiosendung "Religion aktuell".
Betroffen sind die heimischen Stifte von dem neuen Gesetz insofern, zumal deren land- und forstwirtschaftliche Besitz die wirtschaftliche Grundlage für die Erhaltung vieler Klöster bildet und zugleich den Betrieb seelsorglicher und auch karitativer Einrichtungen sicherstellt. Das nachhaltige Wirtschaften und die Bewahrung der Schöpfung seien dabei zentrale Anliegen, versicherte Kocher, der die Forst- und Wirtschaftsbetriebe von Stift Göttweig leitet. Hinsichtlich der praktischen Durchführbarkeit sei die Verordnung jedoch gleich in mehrfacher Hinsicht zu wenig durchdacht.
In der in vielen Teilen Österreichs seit etwa 1.000 Jahren maßgeblich von Ordensgemeinschaften mitgestalteten Kulturlandschaft werde seit Jahrhunderten jedes Grundstück intensiv bewirtschaftet, etwa durch Wein und Obstbau, sagte der Forstmeister und Kämmerer von Stift Göttweig. "Es ist illusorisch, von dieser Kulturlandschaft wieder dorthin zurückzukommen, wo wir vor vielen Generationen waren." Ebenso wenig werde es funktionieren, den Vorgaben zur Renaturierung wie auch zur Agrarproduktion gleichzeitig zu entsprechen. Kocher: "Auf geringerer Fläche bei einer Reduktion von Pestiziden ausreichend landwirtschaftliche Güter zu erzeugen ist unmöglich." Das Vorhaben, Österreich aus eigener Kraft versorgen, werde vom neuen EU-Gesetz somit massiv bedroht.
Ähnliches gilt laut dem Benediktiner-Geistlichen für die im Gesetz vorgeschriebene Renaturierung von Flüssen und Wiedervernässung von Moorböden. So lobenswert diese auch erscheine, sei diese Maßnahme dennoch "nicht durchdacht und in den Konsequenzen bedrohlich". Dass Sumpfland trockengelegt wurde, habe eine über Jahrhunderte andauernde, sehr mühsam erreichte Kultivierung bedeutet. "Viele dieser Grundstücke sind bebaut, da wohnen Menschen drauf. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, hier Absiedelungen in Erwägung zu ziehen", so P. Kocher. Kritisch äußerte sich der kirchliche Experte zudem auch zu den Vorgaben der EU für die Forstwirtschaft, die viele Dynamiken des Klimaschutzes nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Im Gegensatz zu den beschriebenen Rückführungs-Maßnahmen müsse es heute darum gehen, Wälder durch "klimafitte Baumarten" zu ergänzen.
Das Naturschutzgesetz "Verordnung über die Wiederherstellung der Natur" sieht vor, dass bis zum Jahr 2050 Naturschutzgebiete und Agrarflächen naturnäher gestaltet werden, um das Artensterben in den Griff zu bekommen. Das notwendige Quorum von 65 Prozent der vertretenen EU-Einwohner konnte erst durch Österreichs Stimme erreicht werden, um die es einen anhaltenden politischen Koalitionsstreit gibt: Die ÖVP hat angekündigt, diesbezüglich eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) einzubringen, zumal die von ihr erteilte Zustimmung nicht die erforderliche Rückendeckung der Bundesländer besitze. Aus dem kirchlichen Bereich hatte sich zuletzt die Katholische Aktion zum Thema gemeldet - und das neue Gesetz sowie auch dessen Zustandekommen begrüßt.
In einer Aussendung des KAÖ-Leitungstrios Ferdinand Kaineder, Katharina Renner und Brigitte Knell am Dienstag hieß es, die Europäische Union habe entschieden, "eine intakte Natur - unsere Lebensgrundlage - besser zu schützen". Zum umstrittenen Vorgehen von Österreichs grüner Umweltministerin Leonore Gewessler hielt die Katholische Aktion fest: "Es braucht Politiker:innen, die nach ihrem Gewissen entscheiden und an die Zukunft unserer Kinder denken, abseits von Profitgier und Panikmache."
Besonders erfreulich sei, dass in den neuen Normen die Natur an sich als wertvoll angesehen wird: "Mitweltgerechtigkeit ist der neue Maßstab." In einem "fragilen Gleichgewicht" habe jedes Leben seinen Platz und sei schützenswert, unterstrichen Kaineder, Renner und Knell. Dafür müsse auch Verantwortung übernommen werden.
Das Renaturierungsgesetz und eine ganze Reihe von darin vorgesehenen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur solle "vor den schlimmsten Folgen der Klimakrise schützen" und auch die Ernährungssicherheit gewährleisten. Besonders die Hochwasserkatastrophen der vergangenen Wochen hätten gezeigt, "dass nur intakte Natur Schutz bietet", argumentierte die KAÖ. Wald-, Wiesen- und Moorlandschaften seien kostengünstiger und effektiver als jede Hochwasserverbauung.
Die KAÖ-Spitze erinnerte auch an das von der offiziellen katholischen Laienbewegung herausgegebene Dossier "Ökologische Umkehr und Mitweltgerechtigkeit". Darin wird "aus Sorge um das gemeinsame Haus" - so eine Formulierung von Papst Franziskus - die Verantwortung aller für die Schöpfung eingemahnt. Es sei "unsere Aufgabe und Verpflichtung, uns gegen ihre Gefährdung und Zerstörung zu engagieren", namentlich in den Bereichen Verkehr, Bodenverbrauch, Ernährung und Ressourcenverbrauch. (Link: www.kaoe.at/dossiers)
Quelle: kathpress