Pinz: Religionsunterricht zu verdrängen ist demokratiefeindlich
Eine Lanze für den konfessionellen Religionsunterricht hat die Leiterin des Schulamts der Erzdiözese Wien, Andrea Pinz, gebrochen. Im Interview in der ORF-Sendung "Wien heute" am Dienstagabend nahm Pinz zur jüngsten Schul- und Wertedebatte Stellung, die der Wiener Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr ausgelöst hatte. Er forderte am Dienstag einen für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtenden neuen Gegenstand "Leben in einer Demokratie" ab der ersten Klasse Volksschule. In diesem sollen Demokratie, Werte und Ethik sowie Wissen über alle anerkannten Religionen vermittelt werden. Ein eigenes Fach Religion soll demgegenüber nur zusätzlich auf Wunsch am Stundenplan stehen.
Gerade der Religionsunterricht leiste aber einen großen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zum Wertesystem, das in Österreich stark christlich geprägt sei, so Schulamtsleiterin Pinz. Es sei ein Zeichen von Demokratie, dass der Religionsunterricht in Österreich in seiner Vielfalt stattfinden könne. Eine Demokratie lebe von Grundsätzen, die sie sich selbst nicht geben könne, sondern die im Diskurs entstehen würden. Und dazu leisteten die Religionen einen wichtigen Beitrag, so Pinz.
Sie verwies im ORF-Interview auch auf die Bedeutung verschiedener Formen und Modelle der interreligiösen und interkonfessionellen Kooperation im Religionsunterricht. So gibt es seit 2015 das Projekt eines konfessionsverbindenden kooperativen Religionsunterrichts, in dem die katholische, evangelische, orthodoxe und altkatholische Kirche sowie die Freikirchen zusammenarbeiten würden. Ebenso gebe es in Wien inzwischen das Projekt eines gemeinsamen religionsübergreifenden Unterrichts - "das Projekt W.I.R.: Werte - Interkulturelles Lernen - Religionen"-, in dem die großen ethischen, sozialen und religionsbezogenen Themen bearbeitet würden.
Die Wiener Bildungsdirektion hatte an den öffentlichen Wiener Volksschulen aktuelle Zahlen erhoben, wonach an diesen 35 Prozent der Volksschüler Muslime, 26 Prozent ohne Bekenntnis, 21 Prozent Katholiken, 13 Prozent Orthodoxe sind und je zwei Prozent Evangelische bzw. einer anderen Konfession angehören.
Die Zahlen seien keine Überraschung, so Pinz gegenüber dem ORF. Es sei schlicht eine Folge der demografischen Entwicklung "und Schule bildet Gesellschaft ab". Zu den Kindern ohne Bekenntnis merkte Pinz an, dass allein in Wiens Pflichtschulen 6.000 Kinder ohne Bekenntnis den Religionsunterricht (katholisch oder evangelisch) als Freigegenstand besuchen würden. Das seien weit mehr, als katholische und evangelische Schüler auf der anderen Seite abgemeldet seien.
Wiederkehr präzisiert
Vizebürgermeister Wiederkehr hatte nach seinem Vorstoß am Dienstag viel Kritik vonseiten der politischen Konkurrenten und der Religionsgemeinschaften einstecken müssen. Er fühlte sich allerdings falsch verstanden und ließ am späten Dienstagnachmittag eine Presseaussendung veröffentlichten, in der es hieß, dass sein Vorschlag "keinerlei Änderungen für den aktuellen Status des Religionsunterrichts" bedeute. Der Besuch des Religionsunterrichts sei "bereits jetzt freiwillig, eine Abmeldung hierfür jederzeit möglich". In diesem Sinne wäre "der Besuch des Religionsunterrichts neben dem Fach 'Leben in einer Demokratie" selbstverständlich auf der gleichen freiwilligen Basis wie bisher weiterhin möglich", hieß es in der Aussendung.
Derzeit ist Religion in Österreich allerdings - für Schülerinnen und Schüler, die einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft angehören - ein Pflichtgegenstand, von dem man sich während der ersten fünf Kalendertage des Schuljahres abmelden kann. (Schüler ohne Bekenntnis können den Religionsunterricht als Freigegenstand besuchen.) Ab der Oberstufe muss im Fall einer Abmeldung der Ethikunterricht besucht werden.
Quelle: kathpress