Umwelthistorikerin: Müssen weg von "Sucht nach fossiler Energie"
Die Forderungen nach einem Ausstieg aus fossilen Energien und nach einem Wandel im Lebensstil der Menschen angesichts der Klimakrise haben Experten in der "Langen Nacht der Kirchen" bekräftigt. "Wir sind als Gesellschaft weltweit süchtig nach fossiler Energie und müssen auf einen kollektiven Entzug gehen", sagte die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter bei einem Podiumsgespräch am Freitagabend in der Wiener Pfarre St. Johann Nepomuk. "Klare Ansagen", insbesondere vonseiten der Politik, mahnte auch der Meteorologe und ORF-Wettermoderator Marcus Wadsak ein.
Die Welt steuere derzeit auf ein weiteres Plus von drei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts hin, erinnerte Wadsak. Dass dies oft so dargestellt werde, als könne die Menschheit das schon vertragen, sei ein großes Missverständnis. "Drei Grad globaler Temperaturunterschied bedeuten eine komplett veränderte Welt. Fünf Grad mehr macht weite Teile dieser Welt unbewohnbar", warnte der Experte.
Jeder könne einen Beitrag dazu leisten, um gegenzusteuern. Bei sauberer Energie, aber auch etwa bei der Nahrungsmittelverschwendung gebe es riesige Hebel, so Wadsak. "Wir werfen ein Drittel der Lebensmittel weg, da können wir viel CO2 einsparen, ohne auf etwas zu verzichten."
Notwendig seien aber auch politische Hebel - auch in Österreich, das Wadsak etwa mit Blick auf die Entwicklung der Emissionen keineswegs als Vorreiter beim Klimaschutz sieht. "Klimafreundliches Verhalten muss auf Kosten von klimaschädlichen Verhalten billiger werden", forderte er. Gleichzeitig brauche es Politiker, die "das Kind beim Namen nennen", öffentlich deutlich auf die Herausforderung der Klimakrise eingehen und handeln.
"Zu sagen: Das ist ein Problem und das werden wir jetzt gemeinsam lösen - das braucht es", sagte Wadsak. "Was wir nicht mehr brauchen, sind Politiker, die sich zu einem Autogipfel 'Wir retten Verbrenner' treffen, während in Deutschland Menschen im Hochwasser ertrinken, das ohne Klimawandel nicht möglich wäre."
"Solarpioniere" in der Kirche
Nicht nur Anreize für erneuerbare Energien, sondern Regulatorien, die die Nutzung fossiler Energien durch Verbote oder massive Preiserhöhungen unattraktiv machen, forderte die Umwelthistorikerin Winiwarter. Österreichs "Wissenschaftlerin des Jahres 2013" hob auch die Rolle der Zivilgesellschaft für den notwendigen Wandel hervor.
Winiwarter verwies dazu unter anderem auf die Rolle, die Christinnen und Christen und die Kirchen generell dabei spielen können. Die Sozial- und Umweltenzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus von 2015 lobte sie als "tollen" Text. Ganz konkret erinnerte sie aber etwa auch daran, dass es in Österreich mit dem steirischen "Ökopfarrer" Wolfgang Fank einen der "größten Solarpioniere" gebe. Der Geistliche setzte in seiner Pfarre Dechantskirchen schon vor 20 Jahren konsequent auf Photovoltaik-Anlagen und zog dabei auch viele andere in der Region mit. "Wenn der Pfarrer sagt, wir machen auf Solar, dann machen alle mit. Diese Stärke spielt die Kirche nicht genug aus", sagte Winiwarter.
Den Kliawandel zu ignorieren und zu glauben, das wird schon nicht so schlimm sein, das gehe heute nicht mehr, betonte Peter Püspök, ehemaliger Präsident des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich und früherer Chef bei Raiffeisen und Oikocredit, in der von Anja Appel, Leiterin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO), moderierten Diskussion. "Wir wissen, was wir zu tun haben. Nun müssen wir Verantwortung übernehmen", sagte Püspök. Hier stehe auch jeder Einzelne persönlich in der Pflicht.
Optimistisch stimmen ihn etwa die großen technologischen Fortschritte bei Windkraft, Photovoltaik und Akku- bzw. Batterie-Technologien. "Technologie wird nicht alleine alles lösen, aber das ist ein großer Hoffnungsträger", sagte Püspök.
Ihre große Hoffnung auf junge Menschen, brachte die Hebamme Elisabeth Schindegger, die 2022/23 ein knappes Jahr im Norden von Angola als Missionarin auf Zeit an der Seite der Steyler Missionsschwestern (SSpS) lebte und in der Stadt N'Zeto in einem Krankenhaus arbeitete, zum Ausdruck. Auch Püspök betonte, dass er ganz grundsätzlich auch mit Zuversicht auf die junge Generation schaue: "Viele junge Menschen wollen anders leben, Welt anders gestalten - auch das ist eine große Hoffnung."
Quelle: kathpress