"Lange Nacht": Religiöse Bildung auch für Nichtreligiöse relevant
Religiöse Bildung ist auch für Nichtreligiöse relevant und von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Darin waren sich die Teilnehmenden am Podiumsgespräch "Religion matters! - Warum es auf religiöse Bildung ankommt" am Freitag in Wien einig. Nicht nur die Teilnehmenden mit deklariert christlich-theologischen Hintergrund, auch der renommierte "Standard"-Kolumnist Hans Rauscher unterstrichen, dass Verständnis für religiöse Standpunkte und Bedürfnisse im Kontext des heutigen Pluralismus unabdingbar ist, dass es nicht nur für das Individuum ein Gewinn ist, sich mit den großen Lebensfragen auseinanderzusetzen und dass es auch eine Frage der Allgemeinbildung ist, mit den Themen und Erscheinungsformen von Religionen vertraut zu sein.
Die Gesprächsrunde im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" im Zwettlerhof unweit des Stephansdoms bildeten neben Rauscher Erhard Lesacher, Leiter der Theologischen Kurse, Sr. Christine Rod, Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz, Paul Summer, Maturant des Realgymnasiums Schottenbastei und zweifacher Sieger des "Theolympia"-Wettbewerbs sowie Prof.in Andrea Lehner-Hartmann, Dekanin der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät, die vor der Diskussion ein einführendes Referat zum Thema hielt. Veranstalter war das Schulamt der Erzdiözese Wien.
Lehner-Hartmann warnte eingangs vor dem relativistischen Zugang à la "Jeder darf glauben, was er will". Wenn weltanschauliche Positionen unvermittelt nebeneinander stehen bleiben, könne nicht von Bildung geredet werden. Denn diese erfordere die Bereitschaft zu ergebnisoffener Auseinandersetzung. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Religionspädagogik erachtet es außerdem als Qualitätskriterium religiöser Bildung, kritische Zugänge zu Gewalt und Unterdrückungsformen zu eröffnen.
Und, so Lehner-Hartmann gegen Totalitätsansprüche aller Art: Religion habe mit dem "Unverfügbaren" zu tun. "Glaube kann nicht 'gewusst', nach ihm kann nur gefragt werden." Freilich sei es ein Armutszeichen für mangelnde Bildung, wenn man nichts mit "Pilatus" und nur etwas mit "Pilates" anzufangen weiß.
Erhard Lesacher berichtete über anhaltend großes Interesse an den Theologischen Kursen, deren Angebote sich seit der Gründung 1940 als Form des geistigen Widerstands gegen das Nazi-Regime sehr ausgeweitet hätten. Es herrsche zunehmend Nachfrage nach theologischen Querverbindungen zu Religionswissenschaft, Kultur und ethischen Fragen, die das vermittelte Basiswissen über das Christentum ergänzten.
"Suchprozess, was heilig ist im Leben"
An die große Tradition der Orden als wichtige Bildungsvermittler des Abendlandes erinnerte Sr. Christine Rod. Heute nehme sie eine große spirituelle Sehnsucht und auch Hilflosigkeit wahr, die es erfordere, den Glauben als Erfahrung anzubieten. Die Ordensfrau definierte religiöse Bildung als "Suchprozess, was mir heilig ist im Leben". Diesem Suchen gebe etwa die christliche Tradition einen Rahmen und verhindere damit ratloses "Herumirren".
Auch religiös Distanzierte in seinem Umfeld würden vom Religionsunterricht angezogen, erzählte Maturant Paul Summer. Wichtig dafür sei neben der vermittelten Information auch, "dass man in Religion noch richtig diskutieren kann". Wichtig sei dies etwa auch angesichts der in den sozialen Medien oft irritierend und überdeutlich vermittelten "Gewissheiten", wie man zu sein hat, wenn man "richtig religiös" ist.
Auch der Journalist Hans Rauscher bedauerte den Schwund an religiösen Wissen in der Gesellschaft, der mit einer Kulturvergessenheit einhergehe. Jüngst sei er in seiner Redaktion auf Unverständnis gestoßen, als er den Ausdruck "zur Salzsäule erstarren" verwendete und daraufhin an die alttestamentliche Erzählung von Lots Frau erinnerte. Im "Standard", der eine der meistgenutzten Online-Seiten des Landes betreibe, stelle man zugleich immer wieder hohes Interesse an religiös relevanten Artikeln fest - zuletzt etwa an einer neu entdeckten apokryphen Kindheitsgeschichte Jesu. Dies zeigt laut Rauscher die große Nachfrage nach Religiosität und Spiritualität, auf die die Kirche viel offensiver - etwa in den sozialen Medien - reagieren sollte.
Quelle: kathpress