Fronleichnam: Bischöfe appellieren zu mehr Zusammenhalt
Österreichs Bischöfe haben zu Fronleichnam zu einem Miteinander in der Gesellschaft und zu geschwisterlichem Umgang über alle Grenzen der Denkweise, Herkunft und Religion hinweg aufgerufen. Das Fest, mit dem die katholischen Kirche am Donnerstag mit großen Prozessionen die bleibende Gegenwart von Jesus Christus im Sakrament der Eucharistie feiert, sei dafür ein Ansporn und eine Erinnerung, so der Tenor der Predigten und Ansprachen. In Wien appellierte Kardinal Christoph Schönborn dazu, "dass dieser Geist des Zusammenhalts in unserem Land lebendig bleibt".
Schönborn verglich vor der Michaelerkirche - der ersten Station des durch die Wiener Innenstadt verlaufenden traditionellen Umgangs - die zunehmende Armut, die Teuerung, den Krieg in Europa, die demografische Entwicklung und auch die Sorge vieler über die Zuwanderung mit "dunklen Wolken", welche das "Schönwetter" in Europa deutlich trübten. Österreich sei traditionell ein Einwanderungsland, erinnerte der Kardinal mit einem Verweis auf seine eigene Flüchtlingsbiografie. Viele Gesellschaftsbereiche wie etwa die Pflege oder der Bau könnten ohne den wertvollen Dienst von Zuwanderern kaum funktionieren.
Jesus sei gekommen, um zu vereinen statt zu spalten, unterstrich Schönborn, "um sein Leben zu geben und nicht Leben zu zerstören". Sein "Grundgesetz der Nächstenliebe" und die Liebe Gottes für "Jeden Menschen in diesem Land, ob Christ oder Ungläubiger oder Anhänger einer anderen Religion" gebiete den Einsatz für ein Miteinander. Das sei nur durch Offenheit und Dankbarkeit, aber auch durch Opferbereitschaft, gegenseitige Hilfe und Dasein füreinander möglich - Grundhaltungen, die auch angesichts heutiger Herausforderungen eine "gute Zukunft" für das Land ermöglichten, so der Wiener Erzbischof. Österreich dürfe sich sein "Miteinander in aller Verschiedenheit" nicht zerstören lassen.
Vor der Prozession durch die Wiener Innenstadt mit rund 2.000 Anwesenden - darunter katholische Verbindungen, Universitäts- und Ordensvertreter sowie Politiker wie auch Bundesminister Norbert Totschnig, Bezirksvorsteher Markus Figl und Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler - hatte Schönborn gemeinsam mit Bischof Lazarus Msimbe aus Morongo aus Tansania sowie zahlreichen Priestern die Eucharistiefeier im Stephansdom zelebriert. Eine weitere Station gab es vor der Peterskirche, wo Schönborn reflektierte, nicht er oder die Gläubigen würden "Jesus durch die Straßen tragen", sondern dieser trage die Gläubigen - "besonders jene, die schwere Lasten zu tragen haben". Die Prozession endete am Stephansplatz mit einem feierlichen Te Deum unter dem Klang der Pummerin.
Glaube als Balanceakt
Beim Fronleichnamszug durch die Salzburger Innenstadt predigte Erzbischof Franz Lackner über die vierte Vaterunser-Bitte "Unser tägliches Brot gib uns heute". Gott werde dabei "nicht nur gegen den Hunger der Welt, sondern auch und vor allem um sein himmlisches Brot des Lebens" gebeten, unterstrich der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz. Jesus habe zwar sehr wohl Hungrige gespeist, sei an Bedürftigen nicht achtlos vorübergegangen und habe besonders jene selig gepriesen, die sich für die Nächsten einsetzen. "Aber er hat das irdische Brot immer auch zusammen mit dem Brot vom Himmel gesehen", sagte Lackner.
Die Religion sah der Salzburger Erzbischof stets in Gefahr, "dass die bloße Gesetzlichkeit und Regelhaftigkeit zu sehr überhandnimmt", während das Geistig-Geistliche zu kurz komme. Wachsamkeit sei vonnöten, damit der Glaube nicht von Einzelinteressen instrumentalisiert werde - und zwar heute eher von Akteuren innerhalb als von außerhalb der Kirche. Um den geforderten "Balanceakt zwischen Dogmatismus, Doktrin und Beliebigkeit" zu meistern, sei es wichtig, dass Christen Akzente setzten - wie eben zu Fronleichnam. An diesem Fest würden "mit dem Kostbarsten, das uns gegeben ist" - der Eucharistie - das Land mit seinen Menschen gesegnet.
Geschwisterlichkeit und Versöhnung
Eine enge Verbindung der Eucharistie mit der Geschwisterlichkeit sah bei der Prozession in Klagenfurt Bischof Josef Marketz. Die Eucharistie sei imstande, "die verwundete Welt zu heilen", auch angesichts von Herausforderungen wie den Kriegen in der Ukraine und im Heiligen Land, des Migrantendramas, der Armut und Ungleichheit in vielen Ländern oder der Spaltungen, die es nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Kirche gebe. Sie könne zu der notwendigen verstärkten Sorge füreinander und zur "Selbsthingabe nach dem Beispiel Jesu Christi" beitragen.
Begründet sah Marketz den Konnex zur Geschwisterlichkeit durch den Bund, den Gott mit der Menschheit geschlossen habe und der durch die Eucharistie immer wieder erneuert werde. "Aus der Gegenwart des Herrn entstehen christliche Gemeinschaften, in denen wir immer wieder lernen, Dialog, Versöhnung und Frieden zum Weg der Heilung für diese von Hass, Feindschaft und Egoismus verwundete Welt zu machen", sagte Marketz, der in seiner Predigt aus Vorbereitungsdokumenten für den im Herbst anstehenden Eucharistischen Kongress in Quito zitierte.
Von einem "geschwisterlichen Lebensstil" und notwendiger Versöhnung sprach auch der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl, der in der steirischen Landeshauptstadt die Fronleichnamsprozession vom Dom über den "Platz der Versöhnung" zum Kreuz des steirischen Katholikentages 1981 auf der Passamtswiese im Grazer Stadtpark führte. In einer Meditation vor dem Allerheiligsten appellierte er zu mehr Miteinander in Europa, Österreich und der Steiermark, sowie in der Kirche. Auch der Einsatz für den Erhalt der Schöpfung, für Bildung, für Notleidende oder Kranke sowie Menschen am Rand der Gesellschaft gehöre dazu, sowie das Entgegentreten von Krieg, Anfeindungen und Spaltungen im Alltag bis hin zur großen Weltpolitik. Die Kirche wolle zum gelingenden Miteinander und Frieden beitragen, so Krautwaschl.
Hoffnung statt Resignation wählen
Spezielle "Wahlaufrufe" kamen von Bischof Hermann Glettler in Innsbruck, wo die Prozession witterungsbedingt abgesagt wurde. Das Feiern des Fronleichnamsfestes stelle eine "Wahl für Christus" dar, die sich auch im alltäglichen Handeln widerspiegeln müsse, sagte der Bischof bei seiner Predigt im Jakobsdom. Statt Aggression, Machtgier und Vergeltung gelte es auf Versöhnung zu setzen, statt "gleichgültigem Weiterwurschteln" unter Ausbeutung der Natur auf achtsameren Umgang mit ihr, und statt dem Beharren auf Perfektion das Annehmen der Unvollkommenheit und Hilfsbedürftigkeit des Menschen - mit gegenseitiger Hilfe. "Jeder von uns ist Gotte erste Wahl", trat Glettler der Tendenz entgegen, Menschen mit Beeinträchtigung als "Schadensfall" zu sehen.
Eindringlich warnte Glettler davor, sich angesichts der Krisen in die eigene "Wohlfühl-Blubble" zurückzuziehen und zu resignieren. Dieser Versuchung gelte es zu trotzen. Es sei "eine Überlebensfrage unserer Zeit", stattdessen die Hoffnung zu wählen, bei welcher es sich um "weit mehr als eine kleine Portion Optimismus" handle. Nach christlichem Verständnis sei diese Hoffnung Jesus, der sich den Menschen durch die eucharistischen Gaben von Brot und Wein geschenkt habe und in diesen "mitten in unserer verwundeten Welt bleibend gegenwärtig" und den Menschen nahe sei. Christus solle zur "maßgeblichen Leitfigur für unser Leben und Tun" werden, so der Innsbrucker Bischof.
Ohne Eucharistie keine Zukunft
Bischof Ägidius Zsifkovics rief in Eisenstadt dazu auf, "lebendige Tabernakel, ausgesandt in eine oft gottvergessene Welt" zu sein. Dies werde durch die Fronleichnamsprozession mit dem Tragen der Eucharistie an die Straßen und Plätze versinnbildlicht, so der Bischof vor Schloss Esterhazy bei der Prozession, die von der Dompfarre, der Pfarre Eisenstadt/Oberberg sowie auch von der Personalpfarre der kroatischen Mission veranstaltet wurde. In der Eucharistie werde Christus selbst empfangen, wobei dieser Empfang der gewandelten Gaben "zu einer Gabe der Wandlung für uns führen soll", sagte Zsifkovics. Gott lade zu Fronleichnam dazu ein, selbst "Brot für die Welt zu sein".
Die Eucharistie beschrieb der Bischof als das "wichtigste Zeichen der Gegenwart Gottes unter uns". Es gebe für sie "keinen Ersatz", ebenso wie die Kirche keine Zukunft habe, "wenn die Eucharistiefeier am Sonntag immer leerer wird". Bei der Heiligen Kommunion handle es sich um "eine Art geistlicher Proviant" auf dem Lebensweg, um einen "Kompass, der unsere Hoffnung auf das Reich Gottes hin ausrichtet" und auch ein "Heilmittel der Unsterblichkeit": Aus Glaubensperspektive verspreche es "ewiges Leben, wie es keine Biowissenschaft bieten kann", so Zsifkovics in seiner auf ORF III sowie von den ORF-Regionalradios übertragenen Ansprache.
Quelle: kathpress