Feministin: Ethische Variante von Leihmutterschaft gibt es nicht
Bei Leihmutterschaft kann man nie von einer "freien Entscheidung" der Leihmutter sprechen, vielmehr entscheidet immer der Kunde über deren Körper: Das hat die feministische Aktivistin Olivia Maurel in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem Informationsdienst "Bioethik aktuell" des Ethikinstituts IMABE dargelegt. Die in Frankreich lebende US-Amerikanerin ist Sprecherin der Casablanca-Deklaration, die sich für ein weltweites Verbot von Leihmutterschaft einsetzt. Die in Österreich und den meisten europäischen Ländern zwar verbotene, dennoch aber stets geläufigere Praxis sei "immer erzwungen und immer ausbeuterisch", gab die 32-Jährige, die selbst durch Leihmutterschaft geboren wurde, zu Protokoll.
Eine "altruistische" oder "ethisch vertretbare" Form von Leihmutterschaft existiere nicht, kommentierte Maurel die kürzlich von einer deutschen Expertenkommission zur Legalisierung empfohlenen Variante. Immer stehe dahinter ein "Vertrag, der den Austausch eines Kindes gegen irgendeine Form der Bezahlung vorsieht, auch wenn diese als Aufwandsentschädigung bezeichnet wird". Altruistische Leihmütter seien meist "Frauen in prekären Situationen, die Geld brauchen". Vertraglich würden sie verpflichtet, etwa keinen Alkohol zu trinken, zu bestimmten Zeiten zu schlafen oder keinen Sex mit ihrem Mann zu haben. Vor allem aber könnten sie nicht entscheiden, "ob sie das Kind nach der Geburt weggeben oder nicht", selbst wenn sie die biologischen Mütter seien.
Maurel schlug vor, jeglicher finanzieller Anreiz müsse bei der Praxis verboten werden. Es würde sich dann wohl keine Frau mehr dazu bereit erklären, "all die schädlichen Hormone zu sich zu nehmen, neun Monate Schwangerschaft und die Geburt auf sich zu nehmen und dann am Ende ihr Baby wegzugeben". Grund sei auch die Risiken, welchen Leihmütter ausgesetzt seien, die von Schwangerschaftskomplikationen über postpartale Depressionen bis hin zum Verlust der Gebärmutter und tödlichen Komplikationen reichten, und niemand kümmere sich nach der Entbindung um sie. Darüber hinaus gebe es auch negative psychologische Auswirkungen auf die Kinder, über welche die Wunscheltern und Leihmütter von niemandem informiert würden.
Angst, von der eigenen Biografie zu reden
Welche Folgen dies seien, legte Maurel anhand ihrer eigenen Lebensgeschichte dar. Ihre vorgeblichen Eltern hätten ihr nie über ihre tatsächliche Herkunft erzählt, sagte die Aktivistin. Dennoch habe sie schon als Siebenjährige das hohe Alter ihrer Mutter - damals 56 - stutzig gemacht. Mit 17 vermutete sie erstmals, Kind einer Leihmutter zu sein, was spätere DNA-Tests bestätigten. Nach einer schweren Identitätskrise in der Pubertät entwickelte Maurel eine bipolare Störung und eine gespaltene Persönlichkeit, gefolgt von Drogen- und Alkoholmissbrauch, euphorischen und depressiven Zuständen sowie schließlich einer Überdosis Drogen, Vergewaltigung, Suizidversuchen und Abtreibung. Durch "bedingungslose Liebe" ihres Ehemanns sei sie später stabiler geworden.
Mit den schwierigen Passagen in ihrer Biografie sei sie kein Einzelfall, betonte Maurel. Auch alle anderen durch Leihmutterschaft Geborenen, mit denen sie in Kontakt stehe, hätten psychische Probleme. Eine sei von dem Mann, der sie gekauft habe, das ganze Leben lang missbraucht worden, eine andere gehöre selbst der LGBTQ-Community an und habe Angst, sich gegen Leihmutterschaft auszusprechen, "weil sie fürchtet, als homophob abgestempelt zu werden". Vor allem jedoch das Gefühl, den Eltern Loyalität und Dankbarkeit zu schulden, lasse betroffene Kinder davor zurückschrecken, offen über ihre Erfahrungen zu sprechen.
Trauma durch Kontakt
Zwar gebe es eine Studie, die behauptet, es gäbe keine negativen psychologischen Auswirkungen für auf Leihmutterschaft Geborene, diese habe man jedoch mit einer sehr kleinen Stichprobe von Kindern durchgeführt, bei zahlreichen weiteren methodischen Mängeln, sagte Maurel. Skeptisch äußerte sie sich zudem gegenüber der Empfehlung, durch Leihmutterschaft geborene Kinder sollten mit der leiblichen Mutter in Kontakt bleiben. In allen ihr bekannten Fälle hätten solche Begegnungen die Kinder traumatisiert, weil das Gefühl der Verlassenheit durch ihre Mutter dennoch bleibe, so die Aktivistin, die zudem auf das Webportal https://anonymousus.org verwies. Geschichten und Erfahrungen von Menschen, die von Reproduktionstechnologien wie Leihmutterschaft betroffen sind, werden dort gesammelt. (Gesamtes Interview unter www.imabe.org)
Quelle: kathpress