EU-Wahl: Wie halten es die Parteien mit dem Thema Familie
Der Katholische Familienverband befragte im Blick auf die EU-Wahl am 9. Juni für seine Mitgliederzeitung "ehe und familien" die Spitzenkandidatinnen und -kandiaten der Parteien zu besonders bedeutsamen Familienthemen. Geantwortet haben für die ÖVP Reinhold Lopatka, für die SPÖ Peter Schieder, für die FPÖ Harald Vilimsky, für die Grünen Lena Schilling, für NEOS Helmut Brandstätter sowie für die KPÖ Günther Hopfgartner und für DNA Maria Hubmer-Mogg. Konkret geht es um familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU-Ebene, Leihmutterschaft, Kinderbetreuung oder notwendige Maßnahmen, um den Menschen in Europa wieder mehr Mut zu Kindern zu machen.
Zur Frage "Würden Sie sich mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen wünschen?" meint Reinhold Lopatka, dass das Familienrecht in der Hand der Mitgliedstaaten bleiben sollte. Zeitgleich setze sich die Europäische Volkspartei dafür ein, "dass in den Mitgliedstaaten bestmögliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Familien bestmöglich zu unterstützen". Familienpolitik sei aber jedenfalls keine Zuständigkeit der EU und "daran möchten wir auch festhalten".
Familienpolitik liege in erster Linie in Zuständigkeit der Mitgliedsländer, betont auch Peter Schieder. Entsprechend groß sei die Bandbreite in Europa. In allen EU-Staaten ziele die Familienpolitik jedoch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie beste Chancen für alle Kinder ab, so der SP-Spitzenkandidat. Diese Zielsetzungen sollten jedenfalls gestärkt werden.
Für Harald Vilimsky kommt mehr Zuständigkeit der EU in familienpolitischen Fragen auf keinen Fall infrage: "Als FPÖ sagen wir, dass die traditionelle Familie ein Ort der Geborgenheit, des Zusammenhaltes und Stärke eines jeden Bürgers ist, welche man schützen sollte und nicht irgendwelchen linken Regulativen aus Brüssel preisgeben sollte."
Auch Lena Schilling sieht die Familien-Kompetenzen bei den einzelnen Mitgliedsstaaten angesiedelt. Da Familienpolitik ein sehr breites Feld sei, von der Kinderbetreuung, über Fragen der Vereinbarkeit, bis hin zu den Familienleistungen, mache es Sinn, dass viele Kompetenzen von den Mitgliedsstaaten selber geregelt werden, um den jeweiligen Rahmenbedingungen der einzelnen Mitgliedsstaaten gerecht zu werden. Weitere EU-Zuständigkeiten sollten jedoch in dem Bereich geschaffen werden, "in dem es um das Bekenntnis zu Gleichberechtigung, zur gerechten Aufteilung der Care Arbeit oder um Kinderarmutsbekämpfung geht".
Für Helmut Brandstätter braucht es im Bereich Familienpolitik keine neuen Kompetenzdiskussionen, "sondern vor allem gemeinsame Harmonisierungen, damit die zentrale Freiheit der Personenfreizügigkeit auch in der Praxis und ohne rechtliche Hürden gelebt werden kann".
Auch Hopfgartner (KPÖ) und Hubmer-Mogg (DNA) wollen keine neuen Zuständigkeiten auf EU-Ebene.
EU-Handlungsbedarf
Zur Frage nach familienpolitischem Handlungsbedarf auf EU-Ebene antwortet Lopatka: "Wir müssen (...) alle daran arbeiten, dass Familie und Beruf besser vereinbar ist, dass Familiengründungen verstärkt gefördert werden und vor allem junge Familien bestmöglich unterstützt werden."
Schieder sieht Handlungsbedarf auf EU-Ebene im Ausbau des "Care Deals", um die partnerschaftliche Aufteilung von Care-Arbeit zu fördern, sowie in Bildungsangeboten für Kinder und Jugendliche bzgl. "sexuality and relationship education". Auch die Umsetzung der EU Kindergarantie sei ein solcher Schwerpunkt. Ziel sei es, die Kinderarmut in der EU bis 2030 zu halbieren. Maßnahmen zur Forcierung gleicher Chancen am Arbeitsmarkt für Frauen und Männer seien ebenfalls ein wichtiger Schlüssel für die Stärkung von Partnerschaftlichkeit und Vereinbarkeit.
Vilimsky sieht für die EU absolut keinen Handlungsbedarf, auch nur irgendeinen Bereich der Familienpolitik mitzugestalten. Heftig kritisiert er die von den EU-Institutionen geförderten Ideen einer "modernen" Familienpolitik, u.a. die "Herabwürdigung des Instituts der Ehe, als Verbindung zwischen Mann und Frau".
Schilling sieht die EU bei der gleichberechtigten Aufteilung von Care-Arbeit, also zum Beispiel Kinderbetreuung und -erziehung oder aber auch die Pflege von Familienangehörigen, gefordert. Dies müsste auch auf EU-Ebene noch stärker priorisiert werden. Verbindliche Karenzanteile für Väter oder stärkere finanzielle Anreize könnten die Väterbeteiligung, wie skandinavische Länder vorgezeigt haben, wesentlich steigern. "Für ein Kind sind grundsätzlich beide Elternteile verantwortlich", so Schilling. Auch im Bereich der Kinderarmutsbekämpfung könnten sich die Grünen EU-Initiativen rund um die Einführung einer Kindergrundsicherung vorstellen.
Brandstätter sieht überall dort Handlungsbedarf, wo es um die Entlastungen von Familien im Alltag geht. "Gerade wenn es um diese Harmonisierungen und gegenseitige Anerkennung geht, begrüßen wir Initiativen, die dazu auf europäischer Ebene stattfinden." Die hohe Zahl von Fällen zu beispielsweise Karenz-/Kinderbetreuungsgeldern bei europäischen Gerichtshöfen zeige, dass es etwa bei den Sozialsicherungssystemen noch Verbesserungsbedarf gibt.
Hopfgartner hält für die KPÖ fest, dass Frauen in der EU bei der Familienplanung einheitliche Rechte brauchen. Man unterstütze daher die europäische Bürgerinitiative "My Voice - My Choice" für einen sicheren und kostengünstigen Zugang zu Abtreibungen in allen EU-Ländern. Zentral für Frauengesundheit sei auch der kostenlose Zugang zu Verhütungsmitteln, den es bereits in einigen, aber nicht in allen EU-Staaten gibt.
Hubmer-Mogg sieht keinen familienpolitischen Handlungsbedarf auf EU Ebene. "Familienpolitische Maßnahmen sollten vor allem die Mitgliedstaaten selbst verantworten", hält sie fest.
Kinderbetreuung für Kleinkinder
Eine weitere Frage des Familienverbands betrifft das EU-Barcelona-Ziel, wonach sich bis 2030 u.a. 50 Prozent der unter 3-Jährigen in formeller Kinderbetreuung befinden sollen. Dazu meint Lopatka, dass es gut sei, wenn in diesem Bereich europaweit Fortschritte gemacht werden. Zentral sei dabei, "dass jede Familie ihr eigenes individuelles Lebensmodell im Sinne der Wahlfreiheit wählen kann".
Referenzgrößen und Zielvorgaben wie das Barcelona-Ziel sind für Schieder "jedenfalls sinnvolle Maßnahmen, um Vereinbarkeit von Beruf und Familie anzustreben". Der Ausbau von Infrastruktur für die Kinderbetreuung werde somit von allen EU-Staaten als wesentlich anerkannt, Vergleichsgrößen würden hergestellt.
Vilimsky hält nichts vom Barcelona-Ziel. "Die zunehmende Institutionalisierung unserer Kinder ist ein ernstes Problem", hält er fest. Er spricht sich dafür aus, "Kinder so spät und kurz wie möglich in die staatlichen Institutionen zu integrieren, und stattdessen auf die eigenen Familienstrukturen zurückzugreifen und zu stärken".
Die Grünen halten das Barcelona-Ziel hingegen auf jeden Fall für sinnvoll, so Schilling. Die Grünen setzten sich bereits seit vielen Jahren für einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem 1. Lebensjahr ein. Denn der Grundstein für einen gelungenen Bildungsweg werde bereits im Kleinkindalter gelegt.
Das Barcelona-Ziel sei dann sinnvoll, wenn der Ausbau des Angebots mit einer Verbesserung der Qualität einhergeht, betont Helmut Brandstätter. Der Kindergarten sei ein Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit. Qualitätsvolle elementare Bildung und Betreuung ermöglicht allen Kindern einen guten Start in eine gelingende Bildungslaufbahn - gerade auch jenen, die zu Hause weniger förderliche Bedingungen vorfinden. Die Wahlfreiheit der Eltern, ob ihr Kind zu Hause, in der Krippe/Krabbelstube oder bei einer Tagesmutter bzw. Tagesvater betreut wird, solle aus NEOS-Sicht aber jedenfalls erhalten bleiben.
Die KPÖ spricht sich laut Hopfgartner "stark für einen Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren in ganz Österreich aus". Hier sollten sich Österreich das Ziel setzen, dass zwei Drittel aller Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz zur Verfügung haben. Besonders wichtig sei in der Kinderbetreuung die Qualität.
Hubmer-Mogg sieht das Barcelona-Ziel kritisch. Die Entscheidung, ob und wie viele Kinder unter 3 Jahren in Kindergärten betreut werden sollen, sollte den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, hält sie fest.
Ablehnung der Leihmutterschaft
Zur Frage "Sind Sie für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft?" weist Lopatka darauf hin, dass Fortpflanzungsmedizin nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union falle. Die Volkspartei stehe zudem klar für ein europaweites Verbot der Leihmutterschaft.
Auch Schieder betont, dass sich die SPÖ generell gegen Leihmutterschaft ausspricht. Er verweist auf die Gefahren von kommerzieller Ausbeutung durch Leihmutterschaft. "Leihmutterschaft ist in Österreich aus guten Gründen verboten. Allfällige Initiativen auf EU Ebene sind zu begrüßen", so Schieder.
Die FPÖ ist, wie Vilimsky betont, absolut gegen Leihmutterschaften. Jedoch wolle man, "dass die EU keinerlei Regelungen in diesem Bereich tätigt - vor allem da es sich um einen souveränen Kompetenzbereich des einzelnen Mitgliedsstaates handelt".
Ablehnend auch Schilling: "Wir können Leihmutterschaft weder aus Sicht des Kindes noch aus Sicht der Frauen, die ihren Körper gegen Geld zur Verfügung stellen, gutheißen. Wir lehnen daher grundsätzlich alle Formen der Leihmutterschaft ab." Leihmutterschaft sei in Österreich verboten. Ein europaweites Verbot sei aufgrund der mangelnden unionsrechtlichen Kompetenz aber schwer umzusetzen.
Für die NEOS als liberale Partei sei ein grundsätzliches Verbot schwer vorstellbar, "denn in Bezug auf die Leihmutterschaft gibt es sehr viele offene Fragen, die in den Mitgliedsstaaten auch sehr unterschiedlich beantwortet werden", so die Antwort Brandstätters.
KPÖ und DNA sprechen sich hingegen klar für ein EU-weites Verbot der Leihmutterschaft aus.
Mut zu Kindern
Zur Frage, mit welchen Maßnahmen den rückläufigen Geburtenraten in Europa begegnet werden sollte, nennt Lopatka Bemühungen der Volkspartei für eine "familienfreundliche Gesellschaft mit bestmöglichen Rahmenbedingungen für Familien, in Bildung und Beruf und im Wirtschafts- und Arbeitsleben". Österreich liege bereits bei den Familienleistungen im absoluten Spitzenfeld. Ausreichende, qualitätsvolle Kinderbildung und -betreuung seien weiterhin für Familien und für Frauen von großer Bedeutung. Der Ausbau sei ein Schlüsselfaktor für die Wahlfreiheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, insbesondere für Mütter.
Schieder sieht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, "Halbe-Halbe sowie elementare Kinderbildung in höchster Qualität, die leistbar und mit Beruf vereinbar ist" als Schlüsselkriterien. Dafür notwendig seien nachhaltige öffentliche Investitionen in öffentliche Dienstleistungen für Kinder und Familien durch Mitgliedstaaten.
Vilimsky weist in seiner Antwort darauf hin, dass die Geburtenrate bei Müttern muslimischen Glaubens im europäischen Durchschnitt bei 2,6 Kindern liege, bei nicht-Muslimen bei rund 1,6 Kinder. So sollte auch die katholische Kirche in diesen Belangen viel aktiver und vor allem unterstützender in ihrem Glaubensumfeld wirken. Zudem müsse die Politik dafür sorgen, mehr und vor allem deutlich bessere Anreize für werdende Eltern zu schaffen, wie ein familienfreundliches Steuermodell.
Für die Grünen gelte, Familien zu unterstützen, "wo es nur geht", so Schilling. Durch die Erhöhung des Kindermehrbetrags, sowie die Valorisierung der Familienleistungen habe man sozialpolitische Meilensteine gesetzt, von denen Familien langfristig profitieren werden. Wichtig sei außerdem, qualitätsvolle Kinderbetreuung zu gewährleisten, so Schilling. "Nur dann kann sichergestellt, werden, dass Frauen nicht vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden, oder in der Teilzeitfalle landen und in letzter Konsequenz von Altersarmut bedroht sind."
Brandstätter hält u.a. wörtlich fest: "Als NEOS fordern wir vehement, dass die jungen Menschen mehr Zukunftsperspektive bekommen." Andere Länder zeigten zudem, dass ein qualitativ ausgebautes Kinderbetreuungssystem und eine höhere Väterbeteiligung positive Auswirkungen auf die Geburtenrate haben". Auch daran könnte man sich ein Vorbild nehmen. "Könnten Eltern im Fall einer neuerlichen Schwangerschaft den Kindergartenplatz behalten und wäre die Familienbeihilfe für jedes Kind gleich hoch, gäbe es wohl auch mehr Anreize, ein zweites Kind zu bekommen", so Brandstätter.
Hopfgartner hält für die KPÖ fest: "Kinder müssen mit dem Leben der Frauen vereinbar sein. Solange Frauen durch die Mutterschaft deutliche Einbußen beim Gehalt (siehe Gender Pay Gap) in Kauf nehmen müssen, ist jedes Kind ein großes persönliches Risiko für eine Frau." Dazu müsse eine flächendeckende Kinderbetreuung gewährleistet sein und es müsse attraktive Karenzmodelle geben, in denen sich Vater und Mutter um die Kinder kümmern können. Weiters plädiert Hopfgartner für eine Kindergrundsicherung.
Hubmer-Mogg spricht sich für vielfältigen Unterstützungen für junge Familien aus, für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und finanzielle Wohnraumförderung. Diese Maßnahmen sollten jedoch von den Mitgliedstaaten entwickelt und umgesetzt werden, um den jeweiligen nationalen und wirtschaftlichen Besonderheiten gerecht zu werden.
Die Antworten der Politiker finden sich in gekürzter Form im Magazin "ehe und familien", in ungekürzter Form auf der Website des Familienverbands unter https://www.familie.at/.
Quelle: kathpress