Katholische EU-Bischöfe rufen zur Wahl pro-europäischer Parteien auf
Die katholischen Bischöfe in der Europäischen Union rufen dazu auf, bei den Europawahlen für pro-europäische Parteien zu stimmen. Das vor mehr als 70 Jahren begonnene Projekt für Frieden, Freiheit und Wohlstand müsse "unterstützt und weitergeführt" werden, erklären die Vertreter von 25 Bischofskonferenzen über ihre gemeinsame Kommission COMECE. Dabei verweisen sie auf aktuelle Herausforderungen wie den Ukrainekrieg, Migration, Klimawandel, die Nutzung künstlicher Intelligenz, Europas Rolle in der Welt und die EU-Erweiterung.
"Um diese entscheidenden Fragen im Lichte der Grundwerte der Europäischen Union anzugehen und eine bessere Zukunft für uns und die nächsten Generationen zu schaffen, nicht nur in Europa, sondern auch in der Welt, brauchen wir mutige, kompetente und werteorientierte politische Entscheidungsträger, die ehrlich das Gemeinwohl verfolgen", heißt es in der COMECE-Erklärung. "Es liegt in unserer Verantwortung, bei den kommenden Wahlen die bestmögliche Wahl zu treffen." Für die Österreichische Bischofskonferenz unterzeichnete deren COMECE-Vertreter "Europa-Bischof" Ägidius Zsifkovics den Aufruf. Die Erklärung wurde bereits im März veröffentlicht.
Es sei wichtig, bei den Wahlen für Kandidaten und Parteien zu stimmen, "die das europäische Projekt eindeutig unterstützen und von denen wir vernünftigerweise annehmen, dass sie unsere Werte und unsere Idee von Europa fördern", rufen die Bischöfe auf. Dazu zählten Achtung der Menschenwürde, Solidarität, Gleichheit, Familie und die Heiligkeit des Lebens sowie Demokratie und Freiheit. Weiter nannten sie ökologisches Engagement und den Grundsatz der Subsidiarität, nach dem Eigenverantwortung bei gesellschaftlichen Aufgaben Vorrang vor Regulierungen von oben haben soll.
"Wir wissen, dass die Europäische Union nicht perfekt ist und dass viele ihrer politischen und rechtlichen Vorschläge nicht mit den christlichen Werten und den Erwartungen vieler ihrer Bürger übereinstimmen, aber wir glauben, dass wir dazu aufgerufen sind, sie mit den Mitteln, die uns die Demokratie bietet, zu verbessern", so die EU-Bischöfe.
Die Kirchenvertreter wenden sich auch an junge Menschen, von denen viele zum ersten Mal wählen werden. "Wir ermutigen die jungen Menschen nachdrücklich, bei den kommenden Europawahlen von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und so ein Europa zu gestalten, das ihre Zukunft sichert und ihren ureigensten Sehnsüchten entspricht", heißt es in der Erklärung. Ausdrücklich ermutigen die Bischöfe zudem auch junge europäische Katholiken, die sich politisch engagieren wollen, diesem Ruf zu folgen, "um im Geiste des Dienstes an der Gemeinschaft zum Gemeinwohl beizutragen".
Bischöfe für EU-Erweiterungen
Nach ihrer Frühjahrs-Vollversammlung hat die katholische EU-Bischofskommission ComECE zudem betont, dass sie sich zur EU-Erweiterungsperspektive für Staaten auf dem Westbalkan und in Osteuropa bekennt. Deren Aussicht auf eine künftige EU-Mitgliedschaft sei nicht nur eine "geopolitische Notwendigkeit" für die Stabilität auf dem Kontinent, "sondern auch ein starkes Zeichen der Hoffnung für die Bürger der Kandidatenländer und eine Antwort auf deren Wunsch nach einem Leben in Frieden und Gerechtigkeit", heißt es in einer Erklärung von Ende April. Nach einer gewissen "Erweiterungsmüdigkeit" hätten der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die geopolitischen Entwicklungen in der EU-Nachbarschaft neuen Schwung für künftige Beitritte erzeugt.
Freilich sei der Beitritt zur EU ein beidseitiger Prozess, so die Bischöfe. Länder, die eine EU-Mitgliedschaft anstreben, müssten notwendige Strukturreformen fortsetzen, während auch seitens der Union konkrete Schritte notwendig seien, um die Glaubwürdigkeit des EU-Erweiterungsprozesses zu erhalten. Um neue Länder aufnehmen zu können, gelte es unter anderem, die Prozesse politischer Steuerung so überdenken, dass Mitgliedern und Institutionen der EU "rechtzeitiges und wirksames Handeln" ermöglicht werde. In Entscheidungen müsse deren Auswirkung auf die Menschen, "insbesondere der schwächsten Mitglieder der Gesellschaften", berücksichtigt werden.
Eine künftige EU-Erweiterung bietet aus Sicht der Bischöfe zudem Gelegenheit, "die Idee eines geeinten Europas, das in praktischer Solidarität verwurzelt ist, zu aktualisieren". Notwendig sei eine "tiefgreifenden Reflexion" der gemeinsamen Wertebasis der "besonderen Bande, die uns als europäische Familie vereinen". Die Grundsätze der Subsidiarität, des Respekts vor verschiedenen Traditionen und Kulturen, die zusammen Europa bilden, und der Weg einer praktischen Solidarität statt jenem von ideologischen Zwängen stünden an erster Stelle.
Abtreibung kann niemals Grundrecht sein
Ebenfalls im April hat die COMECE mit herber Kritik am EU-Parlament aufhorchen lassen. Man sei "betrübt, wenngleich nicht überrascht", nachdem sich das EU-Parlament in einer Resolution mehrheitlich für die Aufnahme eines Rechts auf Abtreibung in die Europäische Grundrechte-Charta ausgesprochen hatte. Man müsse "zur Kenntnis nehmen, dass dieses Parlament jetzt, in dieser Legislatur, ein Parlament ist, das Abtreibung befürwortet", so der Generalsekretär der Bischofskommission COMECE, Manuel Barrios Prieto, in einer Erklärung. Abtreibung könne aber kein Grundrecht sein; Grundpfeiler aller Rechte sei das Recht auf Leben.
Enttäuscht äußerte sich Barrios über die gespaltene Haltung der Europäischen Volkspartei (EVP). Es sei "ziemlich traurig", dass ein guter Teil der Partei, die ihre Wurzeln in einer christlich-demokratischen Tradition sehe, für die Resolution gestimmt habe. In der von Manfred Weber (CSU) geführten EVP-Fraktion hatten zwar 70 Abgeordnete - unter ihnen auch die anwesenden Europaparlamentarier der ÖVP - gegen die Resolution votiert, aber 43 dafür; 11 enthielten sich.
Die Europawahlen finden - nach Ländern unterschiedlich - vom 6. bis 9. Juni statt. Rund 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger in den 27 EU-Staaten entscheiden mit ihrer Stimme über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. In Österreich findet die Wahl am 9. Juni statt. Das EU-Parlament zählt insgesamt 720 Abgeordnete. Österreich stellt 20. Das Parlament gestaltet EU-Rechtsvorschriften mit, prüft die Verwendung öffentlicher Gelder und kontrolliert die EU-Organe.
Quelle: kathpress