EU-Wahl: Plädoyers für starke und reformierte Union
Zu einer Podiumsdiskussion im Vorfeld der EU-Wahl lud der Katholische Akademikerverband (KAV) der Erzdiözese Wien. Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien waren angefragt, Lukas Mandl (ÖVP), Thomas Waitz (Grüne) und Peter Berry (NEOS) waren der Einladung des KAV gefolgt. Sie skizzierten ihre wichtigsten politischen Anliegen und stellten sich den Fragen des Auditoriums. Mandl kam u.a. von sich aus auf die Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus zu sprechen. Der Papst denke Umweltfragen, Fragen der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit zusammen. Das habe ihn wachgerüttelt, bekannte Mandl. Auch die Wirtschaft müsse frei und fair sein, sowohl gegenüber den Menschen als auch der Umwelt.
Als gelungene Projekte der letzten Legislaturperiode nannte Mandl den Migrationspakt, den er selbst mitverhandelte, sowie den beschlossenen EU-Wiederaufbauplan für die Ukraine; nicht zu verwechseln mit europäischen militärischer Hilfspaketen.
Mandl bekräftige auch einmal mehr sein EU-Credo: Mehr Stärke nach außen und mehr Freiheit nach innen. Er drängte auf eine Stärkung des EU-Wirtschafts- und Arbeitsmarktes und mahnte gemeinsame Anstrengungen gegen irreguläre Migration ein.
Große Sorgen mache er sich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, auf Österreich-, wie auf Europaebene. Seit der Pandemie habe die gegenseitige Wertschätzung abgenommen, so der EU-Parlamentarier. Die Politik, aber nicht nur diese, sei gefordert, Solidarität und das Miteinander in der Gesellschaft zu stärken. "Eine neue Form von Herzensbildung ist notwendig", so Mandl wörtlich.
Auf seiner Minus-Bilanz stehe etwa die Tatsache, dass es nicht gelungen sei, weitere Staaten von der Notwendigkeit eines Atomwaffenverbotsvertrags zu überzeugen. Hier stünden Österreich, Malta und Irland noch allein.
Lob für Green-Deal
Waitz betonte in diesem Zusammenhang, dass selbstverständlich alle 70 Abgeordneten der Grünen im EU-Parlament hinter einem Atomwaffenverbot stünden. Als Erfolg der vergangenen Legislaturperiode wertete er u.a. dass mit Ursula von der Leyen nun auch eine konservative Politikerin die Dringlichkeit einer ambitionierten Klimapolitik erkannt habe. Waitz würdigte den EU-Green-Deal. Alternative Energieträger seien nicht nur für das Klima, sondern auch für die europäische Wirtschaft gut. Waitz betonte zudem die sicherheitspolitische Komponente, werde man dadurch doch von so manchen sicher nicht demokratischen Ländern unabhängiger.
Zu wenig ist Waitz zuletzt auf EU-Ebene im Bereich des Naturschutzes weitergegangen. Dringlich erforderlich sah er auch Verbesserungen in der EU-Landwirtschaftspolitik, wo u.a. das Förderwesen im Argen liege und nachhaltige Landwirtschaft viel zu wenig unterstützt wird. Dies betreffe auch das Engagement für das Tierwohl, so der Abgeordnete der Grünen.
Herausforderung Migration
Hinsichtlich des Themas Migration wies Waitz darauf hin, dass Österreich wie Europa allein schon aus demografischen Gründen einen Zuzug brauchen. Freilich ein kontrollierter Zuzug von Fachkräften. Das unfassbare Sterben im Mittelmeer müsse zugleich ein Ende finden, dies widerspreche allen europäischen Grundwerten. Dem Schlepperwesen müsse endlich das Handwerk gelegt werden. Asylanträge sollte deshalb etwa auch in europäischen Botschaften gestellt werden könne, meinte Waitz. In letzterem Punkt zeigte sich Berry skeptisch, in den anderen Punkten herrschte Übereinstimmung unter den Diskutanten, wobei Mandl auch noch explizit darauf hinwies, dass die EU Afrika mehr Beachtung schenken müsse.
Protest meldete Mandl hingegen bei Waitz' Forderung an, dass EU-Bürger nach einer gewissen Zeit, die sie sich in einem anderen EU-Land aufhalten, auf allen Ebenen das Wahlrecht erhalten sollen. Für Mandl sollte das Wahlrecht auf nationaler Ebene an die Staatsbürgerschaft gekoppelt bleiben. Allerdings sprach er sich für mehr Möglichkeiten zu Doppelstaatsbürgerschaften aus. Ein Punkt, in dem ihm auch Peter Berry voll und ganz zustimmte. Er stammt aus Großbritannien und hat die britische und deutsche Staatsbürgerschaft. Für die NEOS tritt er auf Listenplatz 3 an. - Europa macht es möglich. Berry sprach sich auch für eine fairere Verteilung der Flüchtlinge in ganz Europa wie auch in Österreich aus.
Berry ging - als britischer Staatsbürger - auch auf den Brexit ein. Dieser sei eine Mahnung, wie notwendig ein starkes Europa sei. Im Blick auf die internationale Wirtschaftsordnung mahnte er einen fairen Wettbewerb ein, gegen unfaire Praktiken - Berry nannte explizit China - müsse vorgegangen werden. Der NEOS-Kandidat wies zudem auf die vier europäischen Grundfreiheiten hin: freier Warenverkehr, Personenverkehr, Dienstleistungsverkehr und Kapitalverkehr. Er wolle dem als fünfte Grundfreiheit jene auf Bildung hinzufügen.
Interne EU-Reform
Einig waren sich die Diskutanten zudem darüber, dass die EU-Verfassung, die es ja als solche nicht gibt, sondern die aus einzelnen Verträgen besteht, dringend erneuert werden muss. Der Lissabon-Vertrag stammt aus dem Jahr 2009. Die schon bestehenden Herausforderungen wie auch die künftigen ließen sich damit nicht mehr bewältigen. So brauche es - Übereinstimmung unter allen drei Kandidaten - eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, was nur durch die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips möglich sei. Selbiges gelte etwa auch für die Schließung von Steueroasen. Es brauche verpflichtende gesamteuropäische Mindeststeuersätze, waren sich alle einig.
Die Europawahlen finden - nach Ländern unterschiedlich - vom 6. bis 9. Juni statt. Rund 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger in den 27 EU-Staaten entscheiden mit ihrer Stimme über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. In Österreich findet die Wahl am 9. Juni statt. Das EU-Parlament zählt insgesamt 720 Abgeordnete. Österreich stellt 20. Das Parlament gestaltet EU-Rechtsvorschriften mit, prüft die Verwendung öffentlicher Gelder und kontrolliert die EU-Organe.
Quelle: kathpress