Kardinal Schönborn: Ein gemeinsamer europäischer Weg ist möglich
An die "Wallfahrt der Völker" nach Mariazell vor 20 Jahren erinnert Kardinal Christoph Schönborn in seiner Wochen-Kolumne in der Zeitung "Heute" (Freitag). Er verbindet die Erinnerung an das Großereignis im Rahmen des damaligen Mitteleuropäischen Katholikentags mit einem deutlichen Bekenntnis zu einem geeinten und friedlichen Europa.
Die "Wallfahrt der Völker" am 22. Mai 2004 sei für ihn und viele andere unvergesslich, so Schönborn. Eben erst war die "Osterweiterung" der Europäischen Union mit 1. Mai 2004 Wirklichkeit geworden: Ich bin noch mit dem kommunistischen "Eisernen Vorhang" aufgewachsen, der Ost und West in Europa trennte. Es war wie ein Traum: Acht Länder Mitteleuropas, die bis vor Kurzem in zwei Welten gespalten waren, taten sich zusammen, um gemeinsam nach Mariazell zu pilgern: Österreich, Ungarn, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien, dazu noch Kroatien und Bosnien- Herzegowina."
Trotz schlechtem Wetter seien 100.000 Pilger gekommen. Es sei die größte Wallfahrt gewesen, die es je nach Mariazell gegeben hat. Schönborn: "Man kann sich heute schwer vorstellen, welche Freude es war, nach den Jahrzehnten der Trennung miteinander zu feiern und zu beten."
Der gemeinsame Glaube habe viel Hoffnung auf ein neues, geeintes, friedliches Europa gegeben, schreibt Schönborn und weiter: "Was bleibt heute von dieser Hoffnung? Ich bin sicher, dass sie letztlich stärker ist als alle neuerlichen Bestrebungen, Europa wieder zu spalten. 2004 habe Europa nach Mariazell geblickt und gesehen: "Der gemeinsame Weg ist möglich!"
Mitteleuropäischer Katholikentag
Die "Wallfahrt der Völker"am 22. Mai 2004 war der Höhepunkt des Mitteleuropäischen Katholikentags (MEKT), zu dem die Bischofskonferenzen von Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Polen, Slowenien, der Slowakei, Tschechien, Ungarn und Österreich eingeladen hatten. Dieser Katholikentag dauerte eigentlich ein ganzes Jahr. Ab Juni 2013 bot er zahlreiche kirchliche Veranstaltungen und Initiativen in den acht Ländern im Blick auf die EU-Osterweiterung, die schließlich am 1. Mai 2004 politisch vollzogen wurde.
Die MEKT-Abschlussfeier in Mariazell stand unter dem Motto "Christus - Hoffnung Europas!" und drückte Freude über die endgültige Überwindung des "Eisernen Vorhangs" und die Wiedervereinigung Europas aus. Die mit der gemeinsamen Wallfahrt verbundene politische Botschaft wurde durch die Präsenz des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi und der meisten Staatspräsidenten der beteiligten Länder unterstrichen. Papst Johannes Paul II., der ursprünglich auch nach Mariazell kommen wollte, sandte eine Videobotschaft.
In Vertretung des Papstes feierte Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano mit rund 100 Bischöfen, etwa 1.000 Priestern und den 100.000 Gläubigen einen mehrsprachigen Festgottesdienst, der aufgrund der Pilgermassen am Flugfeld bei Mariazell stattfand. Die Predigt hielt der damalige Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn. Unter den Konzelebranten waren die Kardinäle Josip Bozanic (Zagreb), Peter Erdö (Esztergom-Budapest), Joachim Meisner (Köln), Vinko Puljic (Sarajewo), Adrianus Simonis (Utrecht) und Miloslav Vlk (Prag).
Bereits am Tag davor hatte ein mitteleuropäisches Jugendtreffen begonnen. Zum dreitägigen Event (21.-23. Mai) waren rund 6.000 junge Menschen aus den acht Ländern nach Mariazell gekommen und in Zelten beim Festgelände untergebracht.
Bleibende "Botschaft von Mariazell"
Sieben Bitten gaben die Bischöfe in einer gemeinsamen Botschaft der acht Bischofskonferenzen ("Botschaft von Mariazell") den Gläubigen auf den Weg in die Zukunft mit: Sie sollten zuallererst "den Menschen Christus zeigen", sodann "beten lernen und beten lehren" und "das Glaubenswissen vermehren und vertiefen". Darauf aufbauend solle ein Christ in der Öffentlichkeit "Zeichen setzen", "die Sonntagskultur bewahren", "leben schützen und entfalten" und "die Solidarität in Europa und weltweit fördern". Die kirchliche und gesellschaftliche Entwicklung seither haben diesem programmatischen Text nichts anhaben können, der nach wie vor Orientierung gibt für große gemeinsame Herausforderungen im heutigen Europa.
Quelle: Kathpress