Indischer Großerzbischof Mar Raphael Thattil besucht Wien
Der indische Großerzbischof Mar Raphael Thattil, Oberhaupt der Syro-Malabarischen Kirche, besucht von 23. bis 25. Mai Wien. Das hat die Erzdiözese Wien am Freitag bekannt gegeben. Höhepunkt des Besuchs ist ein Festgottesdienst im syro-malabarischen Ritus am Samstag, 25. Mai, um 14 Uhr im Wiener Stephansdom, mit den Gläubigen der Syro-Malabarischen Kirche. Auch Kardinal Christoph Schönborn wird an dem Gottesdienst teilnehmen. Danach findet eine Begegnung mit den syro-malabarischen Gläubigen im Heiligenkreuzer Hof statt. Das neugewählte Oberhaupt der syro-malabarischen Katholiken trifft kommende Woche erstmals persönlich seinen Klerus und seine Gemeinden in Wien.
Kardinal Schönborn hat in einer Video-Botschaft im Vorfeld des Besuchs die große Bedeutung der Kirche und den lebendigen Glauben der Kirchenangehörigen unterstrichen.
Das Programm umfasst Treffen mit dem Wiener Erzbischof, dem apostolischen Nuntius Erzbischof Pedro López Quintana sowie einen Besuch im Stift Klosterneuburg. Das Kirchenoberhaupt trifft zudem mit den in Österreich wirkenden syro-malabarischen Priestern zusammen.
In Österreich leben etwa 3.800 syro-malabarische Katholikinnen und Katholiken, hauptsächlich in Wien, wo mittlerweile zwei Gemeinden existieren. Die Bedeutung der Kirche für Österreich geht aber über die beiden Gemeinden hinaus. Insgesamt wirken in Österreich 51 syro-malabarische Geistliche, zum Großteil in römisch-katholischen Pfarren und Einrichtungen.
Indische Kirche mit langer Tradition
Die Syro-Malabarische Kirche im Südwesten Indiens ist die größte der heutigen Kirchen und Gemeinschaften der Thomaschristen, die im 1. Jahrhundert durch den Apostel Thomas auf seinen Missionsreisen gegründet worden sein soll. Durch Verbindungen zur Assyrischen Kirche des Ostens feiert sie ihre Liturgie im ostsyrischen Ritus. Im Zuge der portugiesischen Kolonialisierung wurden die Thomaschristen zur Übernahme westlicher Formen und Hierarchien gezwungen und zerbrachen in mehrere Kirchen. Es gibt u.a. zwei katholische Kirchen der Thomaschristen: Neben den Syro-Malabaren besteht die kleinere Syro-Malankarische Kirche, die ihre Liturgie im westsyrischen Ritus feiert.
Die Syro-Malabarische Kirche ist eine eigenständige, mit Rom verbundene Kirche unter der Leitung eines Großerzbischofs und seiner Synode. Der Großerzbischof wird von der Synode der Kirche gewählt und vom Papst formell bestätigt.
Die Syro-Malabaren bilden nach den ukrainisch-griechisch-katholischen Gläubigen die zweitgrößte katholische Kirche "eigenen Rechts" - sowohl weltweit als auch in Österreich, wo sich eine größere Gruppe vor bereits mehreren Generationen angesiedelt hat, damals als Pflegekräfte ins Land geholt.
Neues Kirchenoberhaupt
Mar Raphael Thattil wurde am 1956 in Trichur geboren. Nach seiner Ausbildung im Seminar in Vadavathoor promovierte er am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom in orientalischem Kirchenrecht. Die Priesterweihe erfolgte 1980. 2010 wurde er von der Bischofssynode der Syro-Malabarischen Kirche zum Weihbischof von Trichur gewählt und zum Bischof geweiht. Am 10. Oktober 2017 wurde er, zeitgleich mit der Errichtung der neuen Eparchie Shamshabad, zum ersten Bischof dieser Eparchie ernannt. Am 9. Jänner 2024 wurde Raphael Thattil schließlich vom Synod zum Großerzbischof und damit Kirchenoberhaupt gewählt und die Wahl wurde noch am selben Tag von Papst Franziskus bestätigt.
Liturgiestreit entzweit die Kirche
In der indischen Kirche gibt es seit Jahrzehnten einen teils gewaltvollen Streit über einige Punkte der Gestaltung der "Heiligen Qurbana", also des Gottesdienstes im syro-malabarischen katholischen Ritus. Vor allem geht es um die Frage, ob der Priester die Eucharistie mit dem Gesicht zur Gemeinde zelebrieren soll oder dem Altar zugewandt.
Mitte 2021 beschloss die Synode der Kirche einen auch vom Vatikan gebilligten Kompromiss, wonach der Priester bis zum Hochgebet mit dem Gesicht zur Gemeinde am Altar steht, sich dann umdreht und sich erst zum Ende des Gottesdienstes wieder der Gemeinde zuwendet. Allerdings lehnen zahlreiche Priester und Laien den Kompromiss ab und bestehen darauf, dass die Priester alle Teile der Liturgie mit dem Gesicht zur Gemeinde feiern. Papst Franziskus hat erst vor wenigen Tagen bei einem Besuch von Großerzbischof Thattil im Vatikan zu einem Ende des Liturgie-Streits, zur Annahme des Kompromisses und zur kirchlichen Einheit gemahnt.
Quelle: Kathpress