NGOs sehen entwicklungspolitische Rolle Europas in Gefahr
Mit der eindringlichen Warnung vor einer Gefährdung der globalen Rolle der Europäischen Union hat sich der NGO-Dachverband "AG Globale Verantwortung" vor dem EU-Außenministerrat am Dienstag zu Wort gemeldet. Die kürzlich geleakten Pläne aus der EU-Kommission, wonach die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) der EU in erster Linie dazu beitragen soll, Marktchancen für europäische Unternehmen zu schaffen, seien "höchst unvernünftig", hieß es in einer Aussendung der Arbeitsgemeinschaft vom Montag. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg solle sich dafür einsetzen, "dass die EZA der EU nicht zu einem Spielball kurzsichtiger Machtbestrebungen wird".
Die Zeitschrift "Politico" hatte jüngst Informationen aus einem Briefing der für internationale Partnerschaften zuständigen Generaldirektion der EU-Kommission (DG INTPA) zur Initiative "Global Gateway" publik gemacht. Im Rahmen des Vorhabens, das als Konkurrenz zur chinesischen "Neuen Seitenstraße" gilt, will die Kommission bis 2027 bis zu 300 Milliarden Euro für große Infrastrukturprogramme in afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern mobilisieren. Unter anderem die Caritas Europa äußerte bereits heftige Kritik an den Plänen, wonach es bei den Beziehungen der EU zu ärmeren Ländern künftig hauptsächlich um die eigene Wettbewerbsfähigkeit und den Zugang zu Rohstoffen gehen soll.
Auch die AG Globale Verantwortung wies die Idee, "die erfolgreich etablierte EZA einer kaum erprobten Strategie zu opfern, erst recht in Zeiten multipler Krisen", scharf zurück. Offenbar habe sich die Europäische Kommission die wirtschaftsorientierte internationale Zusammenarbeit anderer Global Player zum Vorbild genommen, um die globale Rolle der EU abzusichern, befand Lukas Wank, Geschäftsführer des Dachverbands von 36 österreichischen Hilfswerken.
Wank verwies auch auf eine Einschätzung des entwicklungspolitischen Dachverbands "Concord". Demnach trage die in den geleakten Dokumenten gezeichnete Strategie zwar zur wirtschaftlichen Sicherheit der EU bei, gebe jedoch keine Antworten auf steigende Ungleichheiten, verschobene Machtverhältnisse, demokratiefeindliche Tendenzen oder andere Auswirkungen multipler Krisen, mit denen Menschen in Partnerländern konfrontiert seien und die auch in Europa zu spüren seien.
Das Potenzial der Wirtschaft für die internationale Entwicklung sei den Hilfswerken wohl bekannt, aber auch ihre Grenzen, sagte Wank. Beobachten könne man dies besonders in den ärmsten oder in fragilen Ländern, deren Märkte für Investoren unbedeutend seien. "Entwicklungszusammenarbeit verschafft gerade Einwohnern dieser Länder Zukunftsperspektiven", so der Experte.
Durchaus könne die EU auf ihrer "Rolle als zukunftsorientierte Vorreiterin der internationalen Entwicklung" aufbauen, so Wank weiter. Auf multiple Krisen gelte es beispielsweise "mit nachhaltiger Landwirtschaft, Klimagerechtigkeit sowie Bildungschancen und Gesundheitsversorgung für alle" zu reagieren. Nur wenn die EU weltweit glaubwürdig zu Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten beitrage, sei sie für ihre internationalen Partnerländer "eine echte Alternative zu Akteuren wie China". Dafür sollten sich auch Österreichs künftige Mandatare im Europäischen Parlament einsetzen.
Quelle: kathpress