Theologe Palaver zu Nahost-Konflikt: Ziel muss Zwei-Staaten-Lösung sein
Mit Gewalt wird es im Nahost-Konflikt keine Lösung geben. Das hat einmal mehr der katholische Theologe und Präsident von "Pax Christi Österreich", Wolfgang Palaver, betont. Gewalt führe schnell zur Eskalation und zu Zuständen, wie man sie heute in vielen Teilen der Welt vorfinde, so Palaver am Rande eines Podiumsgesprächs mit Politikern und Friedensaktivisten am Mittwochabend in der Wiener Donaucitykirche. Palaver unterstrich das Recht Israels auf Staatlichkeit, aber auch Recht des palästinensischen Volkes auf staatliche Souveränität. Ziel müsse eine Zwei-Staaten-Lösung sein, wie sie Papst Franziskus und andere fordern.
Eingeladen zur Podiumsdiskussion hatten die KPÖ, die Friedensinitiativen "OneState Embassy" und "Standing Together Vienna" sowie das marxistisch-christliche Dialog-Projekt "Dialop". Die Veranstaltung fand unter dem Titel "Dialog für eine Feuereinstellung und Frieden im Nahen Osten" statt.
In seinem jüngsten Buch befasste sich der emeritierte Innsbrucker Theologieprofessor Palaver mit der Friedensethik von Mahatma Gandhi und Nelson Mandela. Im Blick auf die heutige Situation in Israel und Palästina zieht er darin folgende Schlüsse: Gandhi sei keineswegs - wie heutige linke Kreise - antizionistisch gewesen, aber er sah die Gefahr eines Zionismus, der sich auf Gewaltformen europäischer Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts fixiere.
Das Beispiel des südafrikanischen Freiheitskämpfers Mandela zeige weiters, so Palaver, wie es gelingen kann, im Konflikt zwischen Israel und Palästina nicht einseitig zu werden. Denn Mandela habe sowohl das Recht auf die Staatlichkeit Israels als auch das Recht auf Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes betont. Mandela fühlte sich eng verbunden mit dem palästinensischen Befreiungskampf, hatte aber auch gute jüdische Freunde.
Schließlich zeige sich an Mandela, dass sich gute politische Führung von extremistischen Gruppen nicht vereinnahmen lasse. Dagegen sieht Palaver derzeit auf israelischer und palästinensischer Seite ein Versagen der politischen Führung, wie er gegenüber Kathpress sagte.
Mehrere Diskutanten in der Donaucitykirche sprachen sich dafür aus, dass das offizielle Österreich den Staat Palästina anerkennen sollte. "Ich glaube, das wäre ein guter Schritt", sagte Palaver dazu im Interview. Ziel müsse eine Zwei-Staaten-Lösung sein, wie sie Papst Franziskus und andere fordern. Derzeit hätten allerdings weder der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch die dschihadistischen Kreise in Palästina ein Interesse an einer solchen Zwei-Staaten-Lösung.
"Papst Franziskus schweigt nicht"
Die Welt schweige angesichts der Zehntausenden Toten durch den israelischen Krieg in Gaza. Das beklagte in der Diskussion u.a. die arabisch-israelische Politikerin und Knesseth-Abgeordnete der Chadash-Partei Aida Touma-Suleiman. Dem hielt Palaver im Interview mit Kathpress entgegen: "Papst Franziskus schweigt nicht. Er spricht immer wieder das Schicksal beider Seiten an." Krieg sei immer eine Niederlage der Menschheit, diese Botschaft des Papstes sollten Christen wiederholen, mit dem Ziel, alle Seiten aufzurufen, alternative Wege zu finden.
"Nicht Rache, sondern Versöhnung"
Insgesamt bezeichnete Palaver das zweistündige Podiumsgespräch aufgrund der ausführlichen, persönlichen Berichte der Teilnehmenden aus Israel als emotional berührend. Sie sprachen angesichts des Massakers der Hamas am 7. Oktober 2023 und des darauffolgenden Kriegs in Gaza von ihrer Trauer um die Toten auf beiden Seiten, forderten die Freilassung der Geiseln und einen sofortigen Waffenstillstand.
Rache sei zwar ein menschliches Gefühl, aber wahrhaft menschlich sei es, die Emotionen kontrollieren zu können. Das betonte die israelische Künstlerin und Lehrerin Ruti Katz. Der palästinensische Künstler Osama Zatar erzählte von seiner Kindheit in der Intifada-Zeit, seinem damaligen Wunsch nach Rache, aber auch von seiner ersten Begegnung mit israelischen Zivilisten in Tel Aviv, schließlich von Freundschaften und seiner Erkenntnis: "Es ist möglich, miteinander zu leben."
Per Video zugeschaltet war der israelische Autor Yitzhak Frankenthal, dessen Sohn als Soldat durch die Hamas getötet wurde. Er hat einen Kreis von Hinterbliebenen arabischer und jüdischer Opfer gegründet. Seine Botschaft lautete: "Nicht Rache, sondern Versöhnung."
Musikalisch begleitet hat den Abend die jüdische Wienerin und Initiatorin der "Standing together"-Mahnwachen in Wien, Isabel Frey. Sie sang jiddische Lieder mit Texten, die auf die antizionistische Tradition des jüdischen Arbeiterbundes in Osteuropa zurückgehen. Die Texte zeigten, dass es möglich sei, jüdisch zu sein, ohne nationalstaatliche Interessen, so Frey.
Die KPÖ war an dem Abend u.a. vertreten durch Walter Baier, dem Vorsitzenden der Europäischen Linken und Spitzenkandidaten der KPÖ für die Europawahl. Baier rief dazu auf, "den Dialog zu pflegen, gegen Unrecht aufzutreten - in Gaza und in Israel - und Menschen zuzuhören, die an Ort und Stelle das Unrecht bekämpfen".
Quelle: kathpress