Erzbischof Lackner verurteilt Aggressionen gegen Armenien
Jedes Jahr am 24. April gedenken die Armenier weltweit des Genozids an ihrem Volk im Osmanischen Reich ab 1915. Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner hat aus Anlass des Gedenktags eindringlich zur Solidarität mit dem armenischen Volk aufgerufen. Er wies am Mittwoch gegenüber Kathpress auf den Genozid vor mehr als 100 Jahren hin, aber auch auf die Vertreibung der Karabach-Armenier im vergangenen Jahr aus ihrer Heimat. Lackner verurteilte die nach wie vor akuten "Aggressionen" gegen Armenien sowie die Vernichtung des armenisch-christlichen Kulturguts in Berg-Karabach.
Am 24. April 1915 hatten Einheiten der osmanischen Geheimpolizei in Istanbul Hunderte armenische Intellektuelle verhaftet und nach Anatolien deportiert, wo die meisten den Tod fanden. Dies war der Startschuss für den Völkermord an den Armeniern und den Massakern an weiteren Christen syrischer und griechischer Tradition. Die Schätzungen reichen bis zu 1,5 Millionen armenische Todesopfer sowie bis zu weiteren 500.000 Opfern unter Christen anderer Konfessionen.
Erzbischof Lackner hielt in seiner Stellungnahme gegenüber Kathpress fest: "Vor über hundert Jahren wurden armenische Christinnen und Christen im damaligen Osmanischen Reich Opfer eines der ersten Genozide der modernen Geschichte. Heute - in Zeiten, die wir gerne für weiser hielten - müssen wir erfahren, wie in Berg-Karabach, dessen armenische Bevölkerung im letzten Jahr endgültig vertrieben wurde, nun auch immer mehr christliche Kulturdenkmäler dem Erdboden gleichgemacht werden. Diese Aggression gegen armenische Kultur und Religion kann uns besonders an diesem Gedenktag nicht gleichgültig bleiben."
Das uralte Zeugnis Armeniens und auch der anderen christlichen Gemeinschaften des Orients sei "unsere Verbindung in die frühen Tage der Kirche". Die Christen und Kirchen in Österreich seien aufgerufen, die Stimmen zu erheben, "wenn Glaube, Traditionen oder gar das Leben unserer Glaubensgeschwister angegriffen werden". Mit ihnen vereint "beten wir für ein Leben in sicherem und gerechtem Frieden", schloss Lackner.
Armenisches Genozid-Trauma
Bis zu einer Million Armenier kommen jedes Jahr am 24. April zur Gedenkstätte Zizernakaberd ("Schwalbenfestung") in der armenischen Hauptstadt Jerewan, um so das Gedächtnis an die Ermordeten hochzuhalten. Weltweit werden Gedenkveranstaltungen abgehalten.
Das Genozid-Trauma, das die gesamte armenische Gemeinschaft im Land selbst wie weltweit bis heute prägt, hat in den vergangenen Jahren an Dramatik zugenommen. Am 19. September 2023 hatte Aserbaidschan jene nach dem Karabach-Krieg 2020 noch verbliebenen Gebiete der armenischen Enklave Berg-Karabach mit überlegenen militärischen Mitteln angegriffen. Schon nach einem Tag war der Krieg entschieden. Rund 300 armenische Soldaten waren dabei ums Leben gekommen, auch zivile Opfer waren zu beklagen. Dem Angriff vorausgegangen war eine rund neun Monate dauernde Totalblockade Berg-Karabachs durch Aserbaidschan. Mehr als 110.000 Armenier mussten schließlich im September 2023 über Nacht ihre Heimat verlassen.
Aserbaidschan stellt unterdessen weitere Gebietsansprüche an Armenien, etwa im Nordosten des Landes. Zudem warnen Beobachter vor neuen militärischen Angriffen Aserbaidschans auf Armenien, um einen Landkorridor zur Enklave Nachitschewan zu schaffen.
Weitere Appelle zu Solidarität
Auch der Vorsitzende der Grazer "Pro Oriente"-Sektion, Peter Piffl-Percevic, hat zur verstärkten Solidarität mit Armenien bzw. dem armenischen Volk aufgerufen. Piffl-Percevic gehörte einer von Bischof Wilhelm Krautwaschl angeführten steirischen Delegation an, die vergangene Woche Armenien besucht hat. "Die Sehnsucht nach Frieden war in allen immer wieder sehr herzlichen Begegnungen mit den überaus gastfreundlichen Menschen die bestimmende Botschaft", zog Piffl-Percevic laut einer Aussendung des "Pro Oriente"-Informationsdienstes Resümee. Jedoch gelte: "Ohne unser aller dringendes Zutun und unsere fortwährende Solidarität für Armenien wird es keinen Frieden für das christliche armenische Volk in diesem Umfeld geben."
Die Lage, in der sich Armenien befindet, sei in vielerlei Hinsicht höchst schwierig, so der steirische "Pro Oriente"-Vorsitzende. Er erinnerte u.a. an den Völkermord an den Armeniern vor mehr als 100 Jahren. An jedem 24. April gedenken die Menschen in Armenien wie weltweit der Opfer. Die traumatischen Vorkommnisse von damals hätten zuletzt wieder dramatisch an Aktualität gewonnen. Mehr als 100.000 Armenier mussten im vergangenen September aus Berg-Karabach fliehen, begleitet von der Angst, dass sich ein Genozid wie 1915 wiederholen könnte.
Ihr Schicksal sei ein Beweis dafür, dass die internationale Staatengemeinschaft offensichtlich trotz vielfacher auch formaler Anerkennung des Völkermordes aus 1915 nichts gelernt habe, so Piffl-Percevic. Die Vertreibung der Karabach-Armenier "konnte nicht verhindert werden, nicht einmal Proteste oder gar Sanktionen gegen Aserbaidschan standen überhaupt auf der Tagesordnung", kritisierte Piffl-Percevic: "Alles war nur durch die militärische Unterstützung durch die Türkei unter Duldung Russlands möglich", dessen Militär nach wie vor über beachtliche Stützpunkte und sichtbare Präsenz in Armenien verfüge.
Die wirtschaftliche Lage in Armenien sei zudem "mehr als schwierig, vor allem auch durch oligarchische Strukturen". Die Arbeitslosigkeit liege bei über 15 Prozent. Ein Sozialsystem sei so gut wie nicht existent, die Demokratie noch keineswegs gesichert entwickelt, meinte Piffl-Percevic. Die heute auf ihrem eigenen Staatsgebiet lebenden rund 3 Millionen Armenierinnen und Armenier würden vielfach von Verwandten aus der weltweiten rund 10 Millionen Menschen umfassenden armenischen Diaspora unterstützt.
Krautwaschl: "Unrecht klar benennen"
Auch Bischof Wilhelm Krautwaschl hat im Anschluss an die Armenien-Reise an die nationale und internationale Politik appelliert, im Blick auf das Leid der armenischen Bevölkerung nicht wegzuschauen und "Unrecht klar zu benennen". - "Wir dürfen dieses Land und das Leid des armenischen Volkes nicht vergessen", resümierte der Bischof in einer Aussendung der Diözese Graz-Seckau.
Quelle: kathpress