Caritas-Plädoyer für neue Partnerschaft zwischen Europa und Afrika
Für vertiefte Beziehungen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Europa und Afrika haben Caritas-Europa-Präsident Michael Landau und Caritas-Afrika-Präsident Pierre Cibambo plädiert. Im Kathpress-Interview nahmen die beiden u.a. zu den Themen Migration, Wirtschaftsbeziehungen, den Kriegen und Konflikten in Afrika und ihren Ursachen, aber auch zu hausgemachten innerafrikanischen Problemen Stellung. Zugleich war es den beiden Präsidenten wichtig zu betonen, dass Afrika alles andere als nur ein Kontinent in Not und Elend sei. Afrika sei zugleich auch ein höchst vielfältiger Kontinent im Aufbruch - mit vielen Chancen. Was es aber brauche, seien internationale Fairness und Solidarität.
In der Caritas-Afrika sind 46 nationale Caritas-Organisationen unter einem Dach vereint. Cibambo steht seit Mai 2023 an der Spitze dieses Netzwerks, das alle afrikanischen Subsahara-Staaten sowie einige Länder im Indischen Ozean und Atlantik umfasst. Landau ist seit 2020 Präsident der Caritas Europa, die 49 Mitgliedsorganisationen in 46 Ländern umfasst.
Der Caritas-Afrika-Präsident wies im Kathpress-Interview auf unterschiedliche Krisen hin, die den Kontinent erschüttern würden. Zu den zahllosen Kriegen und gewaltsamen Konflikten kämen Hungersnöte, ausgelöst vor allem auch durch den Klimawandel, damit zusammenhängende politische Instabilität, oder auch die Ausbeutung des Kontinents durch fremde Länder oder internationale Konzerne. Die Reichtümer Afrikas würden der eigenen Bevölkerung kaum zugutekommen, kritisierte Cibambo. Daran seien freilich auch die eigenen korrupten Eliten maßgeblich beteiligt, räumte der afrikanische Caritas-Präsident ein.
Landau wies im Interview auf das unlängst veröffentlichte Memorandum der Caritas Europa hin, das im Blick auf die EU-Wahl im Juni einige markante Pflöcke für eine künftige EU-Politik einschlagen will. Darin wird u.a. die Förderung von globaler Gerechtigkeit und politischer Kohärenz für eine nachhaltige Entwicklung im Globalen Süden eingemahnt, und zwar durch Beseitigung von Machtungleichgewichten und strukturellen Hindernissen. Nur so sei eine Verringerung von Armut und Ungerechtigkeiten möglich. Das bedeute etwa auch, dass Europa für Klimaschäden in Afrika aufkomme.
Gerechte Wirtschaft, globale Solidarität
Eine besondere Rolle komme im Blick auf gerechte Wirtschaftsstrukturen auch der Stärkung lokaler afrikanischer Gemeinden und von lokalen humanitären Akteuren und Initiativen zu, zeigten sich Landau und Cibambo überzeugt. Das sei die beste Option für nachhaltige Entwicklung. Ein globales Wirtschaftssystem reiche nicht aus, es brauche genauso auch globale Solidarität, mahnte Landau ein. Diese Solidarität sei der Schlüssel für eine gute Zukunft aller Menschen in Würde und Wohlstand. Und in Richtung des Westens sagte Landau: "Unser eigener Lebensstil hat massive Auswirkungen für andere Teile der Welt."
Cibambo appellierte an die EU, den Blick auf Afrika zu schärfen. Es gelte, die vielfältigen Probleme an den Wurzeln zu packen. Er verwies als Beispiel auf die jüngste Sudan-Konferenz in Paris. Es sei lobenswert, dass umfangreiche humanitäre Hilfe auf den Weg gebracht wurde, doch das würde das Übel nicht an der Wurzel packen. "Wer unterstützt die beiden Generäle, die ohne Rücksicht auf Verluste um die Macht kämpfen. Wer verfolgt hinter diesen beiden Kriegsparteien welche Interessen?" - Diese Fragen gelte es zu klären und entsprechend zu handeln, so Cibambo. Ein dabei nicht unwesentlicher Aspekt: Sanktionen würden immer die Falschen treffen - niemals die Herrschenden, denen sie gelten, sondern immer die einfache Bevölkerung.
Ursachen der Migration ergründen
Auf die Herausforderung der Migration angesprochen, sagte der afrikanische Caritas-Präsident, dass man auch hier den Wurzeln auf den Grund gehen müsse. Im Grunde habe jeder Mensch das Recht, sich aufzumachen und eine bessere Zukunft zu suchen. Afrika würden durch Migration freilich auch viele humane Ressourcen verloren gehen.
Cibambo mahnte eine menschenwürdige Behandlung und Aufnahme der Migranten ein und auch Landau verwies einmal mehr auf das jüngste Caritas EU-Memorandum, in dem die Verteidigung, Förderung und Gestaltung einer Migrations- und Asylpolitik eingefordert wird, die die Werte der EU, die UN-Flüchtlingskonvention, die Menschenrechte und die Würde aller Menschen ohne Unterschied achtet. Dem aktuellen EU-Migrationspakt konnten weder Cibambo noch Landau viel Positives abgewinnen. Dieser werde das Problem jedenfalls nicht lösen, zeigten sich beide überzeugt.
Cibambo wies zudem auf die Größenverhältnisse im Blick auf Migration hin: Neun von zehn afrikanischen Flüchtlingen würden nicht nach Europa gehen, sondern auf dem Kontinent bzw. sogar innerhalb des eigenen Landes bleiben. Mit dramatischen Auswirkungen. Der Geistliche verdeutlichte dies an seiner ostkongolesischen Heimatstadt Bukavo, die einst 200.000 Einwohner hatte. Jetzt sind es in der von Konflikten gebeutelten Region zwei Millionen. Das sei nicht zu schaffen, so Cibambo.
Kritik an herrschenden Eliten
Wie Cibambo weiter sagte, sei sein Heimatland Kongo eines der an Ressourcen reichsten Länder der Welt. Doch die Bevölkerung würde davon überhaupt nicht profitieren. Freilich räume der Caritas-Präsident ein, dass die Afrikaner durchaus auch selbst mitverantwortlich seien. Er verwies auf die jüngste Osterpredigt des Erzbischofs von Kinshasa, Kardinal Fridolin Ambongo Besungu, in der dieser die politisch Verantwortlichen im Kongo scharf dafür kritisiert hatte, eigene Interessen zu verfolgen, anstatt das Gemeinwohl und das Interesse der Bevölkerung im Sinn zu haben. Erste Restriktionen der Behörden gegen den Kardinal habe es bereits gegeben, so Cibambo.
Pierre Cibambo hält sich derzeit für mehrere Tage in Österreich auf. Gemeinsam mit Landau steht er einer internationalen Caritas-Arbeitsgruppe vor, die am weltweiten inhaltlichen Profil der Caritas arbeitet. Das Gremium traf sich am Mittwoch in Wien. Am Donnerstag stand auch ein Besuch beim Hilfswerk MIVA im oberösterreichischen Stadl-Paura auf dem Programm des Caritas-Afrika-Präsidenten.
Quelle: kathpress