Ethikerin kritisiert deutsche Umfrage zu Folgen von Abtreibung
Mit Kritik an einer deutschen Umfrage, wonach sich eine Abtreibung langfristig nicht auf die psychische Gesundheit von Frauen auswirkt, hat sich die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer zu Wort gemeldet. Die am Mittwoch vorgestellten Ergebnisse - deren Publikation steht noch aus - seien aufgrund des Studiendesigns und der beschränkten Datenlage und Stichprobe "nicht aussagekräftig und es ist unredlich, daraus Schlussfolgerungen für die Allgemeinheit zu ziehen", sagte die Direktorin des Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) am Donnerstag der Nachrichtenagentur Kathpress.
Kummer bezog sich auf Zusatzauswertungen der Studie "Elsa" ("Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer - Angebote der Beratung und Versorgung"), für die 608 Frauen mit eigener Abtreibungs-Erfahrung einer Vergleichsgruppe ungewollt schwanger gewordenen Mütter, die ihr Kind zur Welt brachten, gegenübergestellt wurden. Tags davor war ein für nächsten Montag angekündigter Bericht einer Expertenkommission in den Medien bekannt geworden, welcher der deutschen Bundesregierung empfiehlt, Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche zu legalisieren. Eine der Hauptverantwortlichen der "Elsa"-Studie, die Gesundheitswissenschaftlerin Daphne Hahn, sitzt auch in der Expertenkommission.
Ihre Behauptung einer geringen Aussagekraft der Studienergebnisse, soweit diese bekannt sind, begründete die Wiener Bioethikerin einerseits mit der Fragetechnik. Die beteiligten Frauen seien via Online-Erhebung befragt worden, hinsichtlich ihres Erlebens ab dem Jahr 1995. "In einer qualitativen Studie Ereignisse rückblickend abzufragen, die bis zu 30 Jahre zurückliegen, bringt ein großes Risiko von Verzerrungen. Erinnerungen an damals können durch sehr viele Umstände beeinträchtigt sein", kritisierte Kummer.
Weiters stünden die Ergebnisse laut Kummer inhaltlich im Widerspruch zu qualitativ hochwertigen Studien. Diese hätten bei Frauen nach Schwangerschaftsabbruch sehr wohl ein höheres Risiko für psychische Beeinträchtigung wie etwa häufigere Entwicklung von Depression, Suchtverhalten oder erhöhtes Suizidrisiko festgestellt - durchgeführt durchaus auch von Abtreibungs-Befürwortern. Während bei der Elsa-Studie ein Jahr nach dem Eingriff eingetretene Folgen abgefragt worden seien, wisse man von anderen Erhebungen durchaus, "dass Frauen das Thema Abtreibung oft noch Jahrzehnte später beschäftigt und sie innerer Heilung bedürfen", so die IMABE-Direktorin.
Als interessantes Detail bezeichnete Kummer, wie die noch nicht publizierte Elsa-Studie mit dem Thema "Versorgungslage" umgegangen sei - wobei es sich ausschließlich um Versorgung mit Abtreibungsmöglichkeiten gehandelt habe. Nicht berücksichtigt habe man, "wie es um die Versorgung an Hilfen für Schwangere in Not oder für Frauen, die ein Kind mit Behinderung erwarten, steht", so Kummer, die hier einen "Blinden Fleck" ortete. Der Verdacht liege somit nahe, "dass die Studienautoren ihre Fragen schon so gestellt haben, dass die entsprechenden Antworten kommen".
Dringend nachgehen müsse man aus Sicht der Expertin zudem jenem Hinweis der Studie, wonach Frauen, die abtreiben, vermehrt partnerschaftliche und finanzielle Probleme haben. Das Ergebnis decke sich mit anderen Studien, wonach 60 Prozent der abtreibenden Frauen sich rückblickend im Falle vermehrter Unterstützung für das Kind entschieden hätten. Ähnlich viele hatten von Druck in Richtung Schwangerschaftsabbruch durch den Partner, der kein Kind wollte, berichtet. "Nehmen wir als Gesellschaft das Konzept der Selbstbestimmung ernst, müssen wir fragen wie man Frauen am besten unterstützt, damit sie trotz Schwierigkeiten das Kind zur Welt bringen können", so Kummer.
Quelle: kathpress