Theologin: Segnungs-Papier öffnet Kirche für Lebensrealität von Paaren
Mit dem Segensdokument "Fiducia supplicans" haben der Papst und das Dikasterium für die Glaubenslehre bewiesen, dass sie "auf die Stimme des Volkes Gottes hören": Für die Grazer Kirchenrechtlerin Sabine Konrad berücksichtigt die Ende 2023 veröffentlichte Erklärung die Lebensrealität von Paaren außerhalb der Ehe, ohne den Wert des Ehesakraments selbst zu schmälern. "Nicht die Ehe-Lehre hat sich verändert, sondern das Segensverständnis hat sich geweitet", erklärte die Leiterin des Instituts für Kanonisches Recht der Universität Graz im Kathpress-Gespräch (Mittwoch). Zur neuen Erklärung "Dignitas infinita", in der Leihmutterschaft, Abtreibung und Sterbehilfe abgelehnt werden, sowie mit Abstrichen auch die Geschlechtsumwandlung, verwies Konrad auf offene kirchenrechtliche Fragen in puncto intergeschlechtliche Personen.
"Fiducia supplicans" habe keine kirchenrechtliche Form von "eingetragenen Partnerschaften" oder eine Vorstufe zur Ehe geschaffen, so Konrad, die am Donnerstag im Rahmen der Grazer Ringvorlesung zum Thema "Sex, Gender und Religion" spricht. Der Papst und das Glaubens-Dikasterium hätten mit dem Dokument jenen Paaren eine Segnung ermöglicht, die kirchenrechtlich nicht heiraten können oder wollen, meinte die Theologin.
In der Praxis gebe es immer wieder Pärchen, die zu schnell heiraten würden oder deren Ehe-Konsens nicht stark genug sei; für diese könne eine Segnung eine Art Bitte um "Stärkung, Unterstützung und Gottes-Begleitung" sein, so Konrad, die seit 2018 als Richterin am Bischöflichen Konsistorium Augsburg tätig ist, wo es u.a. um Ehe-Nichtigkeitsverfahren geht.
Konkret wolle die Segnung "das Gute in Beziehungen von geschiedenen oder homosexuellen Paaren" segnen. Aber auch Verlobte oder Paare, die kirchenrechtlich nicht heiraten könnten oder wollten, sei es dadurch möglich, ihre Beziehung segnen zu lassen.
Das Dokument unterbreche auch eine Rechtsgewohnheit, die zu Gewohnheitsrecht führen könnte, da in einigen Regionen "eheschließungsähnliche Feiern" bereits seit Längerem üblich gewesen seien. "'Fiducia supplicans' stellt klar, dass Segnungen keine rituellen Feiern sein können", so die Theologin. Dass nur geweihte Amtsträger - also Diakone, Priester und Bischöfe - den Segen spenden können, unterstreicht für Konrad, welch hoher Wert dieser Segnung zugemessen wird, auch wenn dadurch Laien ausgeschlossen würden.
Verständnis zeigte Konrad für die Irritation über den Begriff "irreguläre Beziehungen". Sie spreche daher von "Personen, die nicht kirchlich heiraten dürfen, können oder wollen", da eine Eheschließung an bestimmte Voraussetzungen gebunden sei. "Etwa, dass das Paar aus Mann und Frau besteht", so Konrad. Diese kirchenrechtlichen Hürden seien keine Abwertungen einzelner Personen, sondern ähnlich dem staatlichen Zivilrecht zu sehen.
"Dignitas infinita"
Zur am 8. April veröffentlichten Erklärung "Dignitas infinita" sagte Konrad: "Das biologische Geschlecht ist nicht immer ab Geburt eindeutig. Es gibt es etwa intersexuelle Menschen, aufgrund von Chromosomen oder Hormonen", verwies Konrad. Betroffene seien weder eindeutig männlich noch weiblich.
Außerdem gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, "divers" oder "inter" in den Reisepass eintragen zu lassen. "Was passiert, wenn intergeschlechtliche Personen, auf die Kirche zukommen, heiraten oder ins Priesterseminar eintreten wollen?", fragte die Kirchenrechtsexpertin.
Personen ohne Geschlechtszugehörigkeit könnten zwar die Sakramente der Taufe, Kommunion, Firmung und Krankensalbung erhalten, da diese nicht geschlechtsspezifisch seien; die Sakramente der Ehe und Weihe seien aber an eine bestimmte Geschlechtszugehörigkeit - also Mann und Frau - gebunden. "Hier ist das weitere Vorgehen ungeklärt, was kirchenrechtliche Herausforderungen mit sich bringt", sagte Konrad. Die Kirche müsse sich zudem fragen, ob sie wirklich Menschen mit Berufung abweisen wolle oder nicht.
Graz: 30 Jahre Geschlechterforschung
Der Schwerpunkt "Frauen- und Geschlechterforschung" an der Katholisch-Theologischen Fakultät Graz wurde im Juni 1994 errichtet und feiert heuer sein dreißigjähriges Bestehen. Gründungsmitglied ist die emeritierte Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaften an der Universität Graz, Irmtraud Fischer. Anlässlich dieses Jubiläums sind einige Veranstaltungen geplant. Den Auftakt bildet die Ringvorlesung zum Thema "Sex, Gender und Religion" im derzeitigen Sommersemester. Aktuelle Themen wie die Diskussion um das vatikanische Papier "Fiducia supplicans" zur Segnung homosexueller Paare, aber auch tabuisierte Bereiche wie die Prostitution werden interdisziplinär besprochen, hieß es in einer Ankündigung.
Alle Vorträge sind öffentlich und richten sich an alle Interessierten. Sie werden live gestreamt und finden bis 27. Juni jeweils donnerstags um 19 Uhr statt (Link: https://static.uni-graz.at/fileadmin/_files/_project_sites/_genderforschung-theologie/Dateien/uni-graz-genderforschung-theologie-RelDoFlyer_WEB.pdf)
Quelle: kathpress